Searle, John R. : Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay. 1983 (1. Auflage TB) Suhrkamp-Tb. Wissenschaft. (1971 SFr. 22.10, ISBN 3-518-28058-9 (Spech Acts, Cambridge Press 1969)
J. Searle schlägt in Anlehnung an J. Austin vor, dass man Sprechakte untersuchen sollte, wenn man sich für das Verhältnis zwischen Wörtern und deren Referenten interessiert.
==> mehr dazu unter Sprechakt
Searle macht etwas komlizierte Anmerkungen zur Verortung seines Essay zwischen Philosophie und Linguistik. Er unterscheidet Sprachphilosophie und linguistische Philosophie (12). Er hebt diese Unterscheidung aber auf und schreibt, er wolle Sprechakte (also qusi eine neue Philosophie oder einen neuen Gegenstand) behandeln (13). In seiner neuen Sicht unterscheidet er "linguistische Charaterisierungen" und "linguistische Erklärungen", einigermassen so, wie er Linguistische Philosophie und Sprachphilosophie unterscheidet. Die Wahl des Gegenstandes "Sprechakt" zwingt Searle quasi zwischen den Fronten zu formulieren.
Ich würde Searles Ansatz als Pragmatik bezeichnen: darüber nachdenken, was ich tue, wenn ich spreche. Searle spricht nicht von Pragmatik, weil er diesen Begriff offenbar (Pragmatik fehlt im Stichwortregister) anderen Autoren - mit denen er vielleicht nichts zu tun haben will - überlässt. Sein Konzept verknüpft die Bedeutung der Worte mit praktischem Handeln und sprengt so eben den Rahmen einer eigentlichen Sprachwissenschaft (Linguistik).
Sehr oft appeliert Searle an den gesunden Menschenverstand, beobachtbar immer dann, wenn er pragmatische Konzepte verwendet, diese aber theoretisch nicht zuordnen will, damit man als Lesender nicht auf abwegig pragmatische Gedanken kommt.
Zur Kritik:
Jede Theorie hat ihre Lieblingsbeispiele. Searle sagt oft, dass er sehr einfache Beispiele verwende. Natürlich könnte man das kritisieren. Ein andere Kritik bezieht sich nicht auf die Einfachheit der Beispiele, sondern auf die Auswahl der Beispiele: Searle's Beispiele für die Rekonstruktion von Bedeutung sind "Prozesse", in welchen wir Wörter verwenden, um andere Menschen zu manipulieren (Sprechakt als Mitteilungen). Meine Pragmatik - und in diesem Sinne ist sie eine Kritik zu Searle's Ansatz - verwendet Beispiele zur Rekonstruktion von Bedeutung, die auf einer Symbolisierung von Gegenstandsbedeutung beruhen.
Searle's Beispiele erzeugen kein begriffliches Verständnis der Kognition, sie bescheiden sich in linguistischer Manier auf eine empirische Konstatierung dessen, was grammatikalisch - im Sinne der Schulmeinung "richtig" - gesagt werden kann. Das Konzept der Gegenstandsbedeutung führt Sprache auf die Herstellung von Werkzeugen zurück und hat in der Konstruktion der Artefakte ihren Grund. Werkzeug sind nicht richtig im Sinne von wahr, sie sind allenfalls viabel, während Searle - wie etwa die Schreiber des Dudens - sehr oft sehr willkürlich entscheiden, was wahr ist.
Searle unterscheidet nicht zwischen Definition und Vereinbarung: das führt an der kritischen Stelle dazu, dass er glaubt, das "Sollen" vom "Sein" abzuleiten (oder genauer aus deskriptiven Beschreibungen normative Bewertungen). Sein Beispiel ist der "extra feine Apfel" von Ursom (S. 232). "Extra fein" ist bei Ursom ein "vereinbarter" Name für die Apfelqualitäten A, B, C. A, B, C sind Kriterien einer Definition, anhand welcher Aepfel sortiert werden. Sortieren kann man Aepfel natürlich beliebig, zB nach Farbe, ohne dass damit etwas über die Qualität der Aepfel ausgesagt wird. Im hier vorliegenden Fall werden die Kriterien aber als "extra fein" vereinbart, entweder, weil die den Kriterien gehorchenden Aepfel extra fein sind, oder weil man sie als extra fein verkaufen will. Daraus, dass die Vereinbarung im letzteren Fall beliebig ist, kann man erkennen, dass sie generell beliebig ist. Sie entspricht einer Benennung einer Variablen beim Programmieren - und erfüllt genau denselben Zweck (wie Searle sagt, keineswegs nur eine Abkürzung zu sein).
Klappentext im Buch:
Searles Essay über Sprechakte steht in der Tradition der angelsächsischen ordinary language philosophy, die sich - nach dem Scheitern der Versuche, eine >ideale< empiristische Wissenschaftssprache zu konstruieren - darauf konzentriert, das faktische Funktionieren der natürlichen Sprache zu beschreiben. Austin hatte bemerkt, daß wir mit bestimmten Äußerungen (wie Grüßen, Danken oder Versprechen) zugleich eine Handlung vollziehen, und hatte diesen >performativen< Charakter später auf alle sprachlichen Äußerungen ausgedehnt. Searle knüpft an diese Entdeckung an und liefert mit dem vorliegenden Werk einen Entwurf jener von Austin geforderten »neuen Theorie, die vollständig und allgemein darlegt, was man tut, wenn man etwas sagt«.
Was wir mit Worten tun, spielt sich nicht nur auf der im engeren Sinne linguistischen Ebene der Äußerung ab. Sprachhandlungen umfassen neben dem eigentlichen Äußerungsakt und dem propositionellen Gehalt eine >illokutionäre< Dimension, deren Regeln Searle herausarbeitet. Er benutzt dabei einen Regelbegriff, der sich explizit auf die institutionellen Tatsachen der sozialen Lebenswelt bezieht und damit Sprache als gesellschaftliche Aktivität, das heißt nicht nur als regelgeleitetes >Spiel<, erfaßt.
Vorwort 7
I. TEIL: DIE THEORIE DER SPRECHAKTE
1. Methoden und Gegenstand 11
1.1 Die Philosophie der Sprache 11
1.2 Linguistische Charakterisierungen 13
1.3 Die »Verifikation« linguistischer Charakteri-
sierungen 23
1.4 Begründung der Untersuchung von
Sprechakten 29
1.5 Das Prinzip der Ausdrückbarkeit 34
2. Ausdrücke, Bedeutung und Sprechakte 38
2.1 Ausdrücke und Arten von Sprechakten 38
2.2 Prädikation 43
2.3 Referenz als Sprechakt 44
2.4 Propositionen 48
2.5 Regeln 54
2.6 Bedeutung 68
2.7 Der Unterschied zwischen natürlichen und
institutionellen Tatsachen
78
3. Die Struktur illokutionärer Akte 84
3.1 Das Versprechen: ein komplizierter Vorgang 88
3.2 Unaufrichtige Versprechen 95
3.3 Regeln für den Gebrauch des Mittels, das die
illokutionäre Rolle
anzeigt 96
3.4 Ausweitung der Analyse 99
4. Referenz als Sprechakt 114
4.1 Gebrauch und Erwähnung 116
4.2 Axiome der Referenz 121
4.3 Die verschiedenen Arten bestimmter hinwei-
sender Ausdrücke
126
4.4 Notwendige Bedingungen der Referenz 127
4.5 Das Prinzip der Identifikation 133
4.6 Genauere Bestimmungen zum Prinzip der
Identifikation 138
4.7 Einige Konsequenzen des Prinzips der
Identifikation 142
4.8 Regeln der Referenz 146
5. Prädikation 150
5.1 Begriff und Gegenstand bei Frege 150
5.2 Der Nominalismus und die Existenz von
Universalien 159
5.3 Ontologische Voraussetzungen 163
5.4 Die Termtheorie der Sätze 173
5.5 Prädikate und Universalien 182
5.6 Ist die Prädikation ein Sprechakt? 186
5.7 Regeln der Prädikation 189
II. TEIL: ANWENDUNGEN DER THEORIE
6. Drei Fehlschlüsse der modernen Sprachphilosophie199
6.1 Der Fehlschluß der Kritik des naturalistischen
Fehlschlusses 200
6.2 Der Sprechakt-Fehlschluß 207
6.3 Der Behauptungs-Fehlschluß 213
6.4 Die Ursache für diese Fehlschlüsse: die Gleich-
setzung von Bedeutung
und Gebrauch 220
6.5 Alternativerklärungen 224
7. Probleme der Referenz 235
7.1 Die Theorie der Beschreibungen 235
7.2 Eigennamen 243
8. Die Ableitung des Sollens aus dem Sein 261
8.1 Die Durchführung der Ableitung eines Sollens
aus einem Sein 264
8.2 Erörterungder in dem Ableitungsbeispiel ent-
haltenen Probleme 272
8.3 Einwände und meine Erwiderungen darauf
280
Namenverzeichnis 295
Sachverzeichnis 297
Man kann Searles Essay auch gut rückwärts lesen: In den letzten Abschnitten diskutiert Searle Klassiker der Bedeutungs- oder wie Searle sagt "Beschreibungs-Teorie", die er alle als "absurd" bezeichnet.
Russel schlug einen pseudomathematischen Formalismus vor (und wurde damit weitherum ernstgenommen). Searle räumt auf und offenbart damit die geringe Substanz von Russel's logischer Blufferei.
Russel's Verfahren ist quasi-theoretisch. Er verwendet Schreibweisen, die sich in der Mathematik bewähren und überträgt sie auf sprachliche Bewandtnisse. Searle verzichtet auf eine Theorie und argumentiert mit dem gesunden Menschverstand (und natürlich mit seiner Austin-Unterscheidung zwischen Illokution und ...
Worin besteht die Beziehung von Wörtern zur Welt? Wie kommt es in einer Situation, in der ein Sprecher einem Zuhörer gegenübersteht und ein akustisches Signal aussendet, zu so bemerkenswerten Dingen wie den folgenden: der Sprecher meint etwas; die Laute, die er von sich gibt, bedeuten etwas; der Zuhörer versteht, was gemeint ist [...]. Welchen Unterschied macht es, ob man etwas sagt und es meint, oder ob man etwas sagt, ohne es zu meinen? [...] Und worin besteht die Beziehung zwischen dem, was ich meine, wenn ich etwas sage, und der Behauptung, unabhängig davon, ob sie sprachlich ausgedrückt wird oder nicht? Welche Bedeutung hat es, ob etwas wahr oder falsch ist? (S. 11)
Text
Die Grundeinheit der sprachlichen Kommunikation ist nicht, wie allgemein
angenommen wurde, das Symbol, das Wort oder der Satz, oder auch das Symbol-,
Wort- oder Satzzeichen, sondern die Produktion oder Hervorbringung des
Symbols oder Wortes oder Satzes im Vollzug des Sprechaktes. Das Zeichen
als Mitteilung aufzufassen bedeutet, es als produziertes oder hervorgebrachtes
Zeichen aufzufassen. Genauer: die Produktion oder Hervorbringung eines
Satzzeichens unter bestimmten Bedingungen stellt einen Sprechakt dar, und
Sprechakte (bestimmter, später zu erklärender Art) sind die grundlegenden
oder kleinsten Einheiten der sprachlichen Kommunikation.
Gegen diesen Ansatz könnte eingewendet werden, daß mit ihm
nur der Schnittpunkt der Gegenstandsbereiche einer Sprachtheorie und einer
Handlungstheorie erfaßt werde. Darauf würde ich antworten, daß
eine Sprachtheorie, wenn meine Konzeption der Sprache richtig ist, Teil
einer Handlungstheorie ist, und zwar einfach deshalb, weil Sprechen eine
regelgeleitete Form des Verhaltens ist. Als regelgeleitet weist das Sprechen
formale Züge auf, die eine selbständige Untersuchung zulassen.
Aber eine Untersuchung, die bloß diese formalen Züge berücksichtigte,
ohne ihre Rolle in Sprechakten einzubeziehen, würde einer formalen
Untersuchung des Geld- und Kreditsystems von Volkswirtschaften gleichen,
die die Untersuchung der Rolle von Geld und Kredit bei wirtschaftlichen
Transaktionen vernachlässigte. Über die Sprache läßt
sich vieles sagen, ohne daß man Sprechakte untersucht, aber jede
solche rein formale Theorie ist notwendigerweise unvollständig. Das
wäre so, als ob man das Baseballspiel untersuchte und es nur als formales
System von Regeln und nicht als Spiel begriffe.
Stellen wir uns einen Sprecher und einen Zuhörer vor und nehmen
wir an, daß der Sprecher unter geeigneten Umständen einen der
folgenden Sätze äußert:
1. Sam raucht gewohnheitsmäßig.
2. Raucht Sam gewohnheitsmäßig?
3. Sam, rauch gewohnheitsmäßig!
4. Würde Sam doch gewohnheitsmäßig rauchen!
Wie können wir die Äußerung des Sprechers charakterisieren
oder beschreiben? Was tut der Sprecher, wenn er einen dieser Sätze
äußert?
Eins ist offensichtlich: Von jedem, der einen dieser Sätze äußert,
kann man sagen, daß er einen aus Wörtern der deutschen Sprache
gebildeten Satz äußert. Aber das ist natürlich nur der
Anfang einer Beschreibung, denn indem der Sprecher einen dieser Sätze
äußert, sagt er in der Regel etwas damit und gibt nicht nur
Wörter von sich. Wenn der Sprecher 1 äußert, stellt er
eine Behauptung auf (wie es die Philosophen nennen), bei 2 stellt er eine
Frage, bei 3 gibt er einen Befehl, und bei 4 drückt er einen Wunsch
oder ein Verlangen aus. Beim Vollzug eines jeden dieser vier verschiedenen
Akte vollzieht der Sprecher gleichzeitig bestimmte andere Akte, die allen
vieren gemeinsam sind: Bei jeder der Äußerungen verweist der
Sprecher auf ein bestimmtes Objekt Sam, oder erwähnt oder bezeichnet
es, und prädiziert das Objekt, auf das er verweist, als »raucht
gewohnheitsmäßig« (oder eine der flektierten Formen dieses
Ausdrucks). Wir können also sagen, daß bei der Äußerung
sämtlicher vier Sätze Referenz [1] und Prädikation [2] die
gleichen sind, obwohl in jedem einzelnen Fall die gleiche Referenz und
die gleiche Prädikation als Teile voneinander verschiedener vollständiger
Sprechakte vorkommen. Wir unterscheiden Referenz und Prädikation von
vollständigen Sprechakten wie Behaupten, Fragen, Befehlen usw. Die
Rechtfertigung für diese Unterscheidung bildet die Tatsache, daß
die gleiche Referenz und die gleiche Prädikation beim Vollzug verschiedener
vollständiger Sprechakte vorkommen können. Austin gab diesen
vollständigen Sprechakten den Namen »illokutionäre Akte«;
ich werde von nun an diesen Terminus verwenden. Einige der deutschen Verben,
die illokutionäre Akte bezeichnen, sind: aussagen, beschreiben, behaupten,
warnen, feststellen, kommentieren, befehlen, anordnen, ersuchen, kritisieren,
entschuldigen, tadeln, anerkennen, willkommen heißen, versprechen,
einwenden, fragen und argumentieren. Austin behauptete, daß es im
Englischen über tausend solcher Ausdrücke gebe.
Als erstes Resultat unserer Vorüberlegungen ergibt sich also,
daß bei der Äußerung eines jeden der vier Beispielsätze
ein Sprecher in der Regel zumindest drei verschiedene Arten von Akten vollzieht:
(a) die Äußerung von Wörtern (Morphemen [3], Sätzen);
(b) Referenz und Prädikation; (c) Behaupten, Fragen, Befehlen, Versprechen
usw. Diesen drei Arten von Akten, die wir unter dem Oberbegriff des Sprechaktes
zusammenfassen, wollen wir folgende Namen geben:
(a) Äußerung von Wörtern (Morphemen, Sätzen) =
Vollzug von Äußerungsakten;
(b) Referenz und Prädikation = Vollzug propositionaler Akte;
(c) Behaupten, Fragen, Befehlen, Versprechen usw. = Vollzug illokutionärer
Akte.
Dabei handelt es sich nicht um getrennte Dinge, die die Sprecher zufällig
gleichzeitig tun, so wie man gleichzeitig rauchen, lesen und sich den Kopf
kratzen kann; vielmehr ist es für den Vollzug eines illokutionären
Aktes charakteristisch, daß man gleichzeitig ebenfalls propositionale
und Äußerungsakte vollzieht. Es wäre auch falsch, anzunehmen,
die Äußerungsakte und die propositionalen Akte stünden
zu den illokutionären Akten in dem gleichen Verhältnis wie der
Kauf einer Fahrkarte und das Besteigen eines Zuges zu der Eisenbahnfahrt.
Sie sind nicht Mittel zum Zweck; vielmehr verhalten sich Äußerungsakte
zu propositionalen und illokutionären Akten wie z. B. das ,X' auf
einen Stimmzettel machen zum Wählen.
Der entscheidende Punkt bei der Unterscheidung dieser drei Arten von
Akten ist, daß die ,Identitätskriterien' jeweils verschiedene
sind. Wir haben bereits gesehen, daß die gleichen propositionalen
Akte verschiedenen illokutionären Akten gemeinsam sein können,
und es liegt auf der Hand, daß man einen Äußerungsakt
vollziehen kann, ohne überhaupt einen propositionalen oder illokutionären
Akt auszuführen. (Man kann Wörter äußern, ohne etwas
zu sagen.) Und ebenso läßt sich, wenn wir die Äußerung
eines Satzes wie 5. : Mr. Samuel Martin ist ein regelmäßiger
Tabakraucher betrachten, vorstellen, daß unter bestimmten Umständen
ein Sprecher, der diesen Satz äußert, den gleichen propositionalen
Akt wie in 1- 4 (Referenz und Prädikation wären die gleichen)
und den gleichen illokutionären Akt wie in 1 (es wird die gleiche
Aussage oder Behauptung gemacht) vollzieht, während der Äußerungsakt
sich von den ersten vier Äußerungsakten unterscheidet, da der
Sprecher einen anderen Satz äußert, der aus anderen Wörtern
besteht und nur einige Morpheme enthält, die die gleichen sind wie
in den ersten vier Sätzen. So kann der Sprecher, indem er verschiedene
Äußerungsakte vollzieht, die gleichen propositionalen und illokutionären
Akte vollziehen. Ebenso braucht der Vollzug des gleichen Äußerungsaktes
durch zwei verschiedene Sprecher oder durch denselben Sprecher bei verschiedenen
Gelegenheiten natürlich nicht den Vollzug der gleichen propositionalen
und illokutionären Akte zu bedeuten: derselbe Satz kann zum Beispiel
für zwei verschiedene Aussagen verwendet werden. Äußerungsakte
bestehen einfach in der Äußerung von Wortreihen. Illokutionäre
und propositionale Akte sind - wie wir später sehen werden - dadurch
charakterisiert, daß Wörter im Satzzusammenhang in bestimmten
Kontexten, unter bestimmten Bedingungen und mit bestimmten Intentionen
geäußert werden.
Ich behaupte bisher nichts weiter, als daß die von mir vorgeschlagene
Unterscheidung eine mögliche Unterscheidung ist - so vage das auch
sein mag. Insbesondere erhebe ich nicht den Anspruch, daß es sich
dabei um die einzig mögliche Art der Unterteilung handelt. Zum Beispiel
könnte es für bestimmte Zwecke wünschenswert sein, die Akte,
die ich Äußerungsakte genannt habe, in phonetische [4] Akte,
phonematische [5] Akte, morphematische [6] Akte usw. zu unterteilen. Für
die meisten Ziele, die in der Sprachwissenschaft verfolgt werden, ist es
natürlich gar nicht notwendig, überhaupt von Akten zu sprechen,
Man braucht nur Phoneme, Morpheme, Sätze usw. zu untersuchen.
Den drei bisher eingeführten Begriffen möchte im nun Austins
Begriff des perlokutionären Aktes hinzufügen. Eng verbunden mit
dem Begriff der illokutionären Akte sind die Konsequenzen oder Wirkungen,
die solche Akte auf die Handlungen, Gedanken, Anschauungen usw. der Zuhörer
haben. Zum Beispiel kann ich jemanden durch Argumentieren überreden
oder überzeugen, durch Warnen erschrecken oder alarmieren,
durch Auffordern dazu bringen, etwas zu tun, durch Informieren überzeugen
(aufklären, belehren, anregen, dazu bringen, etwas zu begreifen).
Die in dieser Aufzählung kursiv gedruckten Ausdrücke bezeichnen
perlokutionäre Akte.
[1] Beziehung zwischen den Sprachzeichen und ihrer außersprachlichen
Entsprechung, ihren >(Umwelt-)Referenten<
[2] Aussage über das Objekt, auf das (in der Referenz)
Bezug genommen wird
[3] von griech. morphä = Gestalt: kleinstes, eine
Bedeutung (wenn auch vielleicht nur eine grammatische) tragendes Element
der Sprache
[4] zu >Phonetik<: Lautbildungslehre
[5] zu >Phonematik< (vorwiegend französische
Bezeichnung) oder >Phonemik< (vorwiegend amerikanische Bezeichnung)
oder >Phonologie< (Lehre von den Sprachlauten einer bestimmten Einzelsprache
in ihrer bedeutungsdifferenzierenden Funktion
[6] zu >Morphematik, Lehre von den >Morphemen<; den
kleinsten bedeutungstragenden Elementen einer Sprache
Kritisches:
„Weder bei Searle, noch bei Wittgenstein wird das Verhältnis des Denkens und der besonderen Sprache, in der es sich artikuliert, bedacht. Searle hat die Frage nach diesem Verhältnis dadurch verhindert, daß er ein Prinzip an seine Stelle setzt, das Postulat der Ausdrückbarkeit. Searles Theorie beginnt damit, daß man eben alles sagen könne, was sich denken läßt. Entstehen neue Gedanken, so werden eben neue Ausdrücke gebildet. Daß ein Gedanke in einer besonderen Sprache Ausdruck findet, tangiert seinen ‘Gehalt’ nicht; es ist zufällig, in welcher Sprache Gedanken bzw. Intentionen geäußert werden. Innerhalb der philosophischen Grammatik stellt sich das Problem anders. Die Sprachspiele sind gebräuchliche Sprech-, Denk- und Verhaltensweisen. Entsprechend der Vielfalt der Sprachspiele sind Denken und Sprechen in mannigfaltiger Weise miteinander verbunden. Ihre Verbindung steht, folgt man der Aufforderung Wittgensteins, Sprechen und Denken nicht losgelöst von Sprachspielen zu betrachten, nicht in Frage – sie ist uns selbstverständlich- Als eine solchermaßen selbstverständliche wird sie in «grammatischen Sätzen» artikuliert, sofern ein Mißverständnis unserer Sprachlogik eine Klärung erforderlich macht. Dies hat Konsequenzen für die Begriffe der traditionellen Logik, Begriff, Urteil, Schluß. Der Begriff einer Sache liegt in den unzähligen Verwendungsweisen ihres Ausdrucks (vgl. PhU, §§ 68, 71, 384, 569f. [PhU = Wittgensteins Philosophische Untersuchungen]); Urteile sind Teile der Übereinstimmung in der Lebensform (vgl. dazu PhU, §§ 241f.); die Berechtigung zu einem Schluß gilt nicht unabhängig von Sprachspielen. Der Zwang des logischen Schlusses besteht allein innerhalb des betreffenden Logiksystems bzw. eines bestimmten Sprachspiels der Logik. Die Zurückführung der metaphysischen Sprache auf die alltäglichen Gebrauchtsformen der Sprache macht den Gedanken einer ‘phisophischen Logik’ überflüssig. (Vgl. dazu PhU, §65) In den Sprech- und Denkweisen der Sprachspiele folgt man der Grammatik des Begreifens, Urteilens und Schließens; selbst das Denken hat seine eigene Grammatik. (vgl. dazu PhU, §§ 327-342)
Die philosophische Grammatik erwähnt und erfindet Beispiele der gebräuchlichen Verwendungsweisen; sie kann ihrer Aufgabe, der Lösung von Mißverständnissen, nur durch die geeignete Zusammenstellung von Beispielen nahekommen. Durch die Unabgeschlossenheit der Beispiele gibt Wittgenstein zu erkennen, daß sich der Begriff einer Sache nicht aussprechen lasse; er kann allein aus den Beispielen erschlossen werden. So spielt sehr wohl ein Begriff des Begriffs und ein Begriff des Schlusses in Wittgensteins philosophischer Grammatik ein Rolle.”
[Nowak, Reinhard: Grenzen der Sprachanalyse. Tübingen: Gunter Narr, 1981, S. 248-249]
Natürllcu haben nicht alle illokutionären Akte einen propositionalen Gehalt - Aeusserungen wie z. B. "Hurra!" oder "Au!" haben keinen. (49)
Wohlgemerkt, ich sage nicht dass der satz eine Proposition ausdrückt; ich wüsste nicht, wie Sätze Akte dieser oder (oder irgendeiner andern Art) vollziehen könnten. Sondern ich sage, dass der Sprecher, indem er denn Satz äussert, ein Proposition ausdrückt" (49)