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Bateson, Gregory: Geist und Natur. Eine notwendige Einheit. Frankfurt 1987, 4. A. 1995, Suhrkamp-Tb. Wissenschaft [stw 691], 3-518-28291-3
(Original: (1979). Mind and Nature: A Necessary Unity (Advances in Systems Theory, Complexity, and the Human Sciences). Hampton Press. ISBN 1-57273-434-5.

Das Buch ist eine ausführliche Darstellung eines Konzeptes von Information, nach welchem Information ein Unterschied ist, der einen Unterschied macht (genauere Erläuterungen dazu).
G. Bateson bezieht sich explizit auf G. Spencer-Brown (S.113).
Man kann das Buch "kybernetisch lesen, also als Beschreibung von kybernetischen Mechanismen, auch wenn G. Bateson eine eher laxe Sprache spricht.

Ein Aspekt von Kommunikation

Textstellen

Die Karte ist nicht das Territorium A.Korzysbki (S. 40)

"Es gibt eine Geschichte, die ich früher schon verwendet habe und die ich erneut vortragen möchte: Ein Mann wollte wissen, wie es sich mit dem Geist verhält – nicht in der Natur, sondern in seinem eigenen großen Computer. Er fragte ihn (zweifellos in makellosem Fortran): „Rechnest du damit, daß du jemals denken wirst, wie ein menschliches Wesen?“ Die Maschine machte sich daran, ihre eigenen Rechengewohnheiten zu analysieren. Schließlich druckte sie ihre Antwort auf einem Stück Papier aus, wie dies solche Maschinen zu tun pflegen. Der Mann eilte hin, um die Antwort zu erfahren, und fand die sauber getippten Worte vor:
Das erinnert mich an eine Geschichte. (S. 22)

"Zahlen sind das Produkt des Zählens. Quantitäten sind das Produkt des Messens. Dies bedeutet, daß Zahlen eben deshalb genau sein können, weil zwischen jeder ganzen Zahl und der nächsten eine Diskontinuität besteht. Zwischen zwei und drei liegt ein Sprung. Im Fall der Quantität gibt es keinen solchen Sprung; und weil in der Welt der Quantität Sprünge fehlen, kann keine Quantität exakt sein. Man kann genau drei Tomaten haben. Aber man kann nie genau drei Liter Wasser haben. Quantität ist immer approximativ." (S. 65)

Giraffe / Palme (S. 138)

Schusswaffen als Beispiel für sekundäre Energie (S. 126)
Billardkugel (S. 126)
Hund: G. Bateson erläutert dieses relative sekundär-Sein der Kommunikationsenergie einerseits mit der Redeweise „Der Unterschied, der den Unterschied macht", und andererseits anschaulich mit folgendem Beispiel: Wenn ich einen Hund nicht leiden kann, kann ich ihm - wenn er klein genug ist - einen Tritt versetzen, damit er sich entfernt. Dabei sind zwei Fälle unterscheidbar: Der Hund kann aufgrund meines Trittes wegfliegen. Dabei benutzt er meine Energie, um sich zu entfernen. Er kann aber auch - wenn ich etwas weniger wuchtig getreten habe - den Schwanz einziehen und sich davonschleichen. Dabei benutzt er seine eigene Energie, um sich zu entfernen. Meine Energie dient in diesem Falle der Steuerung seiner Energie, das heisst eben, sie ist kommunikativ oder Kommunikationsenergie (Geist und Natur:126f).

Der Geist enthält keine Dinge, keine Schweine, keine Menschen, keine Geburtshelferkröten oder was auch immer, sondern nur Ideen (d.h. Nachrichten von Unterschieden), Informationen über 'Dinge' in Anführungszeichen, und immer in Anführungszeichen .... Daraus folgt, daß die Grenzen des Individuums, wenn sie überhaupt real sind, keine räumlichen Grenzen sind, sondern eher so etwas wie die Figuren, die in mengentheoretischen Diagrammen Mengen darstellen, oder die Sprechblasen, die aus den Mündern der Personen in Comic Strips kommen (S. 164)

"Stochastisch. (Griechisch stochazein mit einem Bogen auf ein Ziel schießen; das heißt, Ereignisse in einer teilweise zufälligen Weise zu verteilen, wobei einige von ihnen ein bevorzugtes Ergebnis erzielen können.) Wenn eine Abfolge von Ereignissen eine Zufallskomponente mit einem selektiven Prozeß verbindet, so daß sich nur gewisse Ergebnisse des Zufälligen durchhalten können, dann soll diese Abfolge stochastisch sein." ( S. 276)

"Die Zecke, die keinen Schweiss riecht, reagiert darauf, dass sie keinen Schweiss riecht." (S. 62)

Wenn ich dieses Beispiel kybernetisch (also so wie ich Bateson lese) lese, dann lese ich es so: Es gibt einen Mechanismus mit einem Sensor UND einer Uhr. Der Mechanismus hat also ZWEI Eingänge. Am einen Eingang würde ein Geruch in Form eines energetische Signals kommen und ein Verhalten auslösen. Am zweiten Eingang kommt ein energetisches Signal von der Uhr, wenn eine gewisse Zeit verstrichen ist. Bildlich gesprochen schliesst der Uhrzeiger bei einem bestimmten Zeitpunkt einen Signalkreis. Das Signal von der Uhr wirkt nur, wenn nicht davor ein Geruchssignal gewirkt hat.
Es geht hier - und natürlich auch später - um den kybernetichen Mechanismus, in welchem sekundäre Energie fliesst, die Beobachtung liegt aber zunächst noch auf dem Phänomen und den Redeweisen, die jenseits des kybernetischen Denkens verwendet werden. Vielleicht hast Du meine Einführung mal angeschaut, wo ich auch mit dem Phänomen beginne:
Phänomen
Die Zecke wird auf der Ebene des Phänomens beschrieben, das erst später kybernetisch erklärt wird.

binokularen Sehen - "In etwas formalerer Sprache ist der Unterschied zwischen der Information, die von der einen und der, die von der anderen Netzhaut kommt, selbst eine Information".(S. 89)

Hier ist der hinterlegte kybernetische Mechanismus noch etwas aufwendiger.
Jede Netzhaut liefert ein elektrisches (Nerven)signal, es gibt also wieder zwei Eingänge mit einem energetischen Signal. Für die hier beobachtete Leistung, wo es nicht um das Sehen, sondern um die Tiefenberechnung geht, werden die zwei Signale trigonometrisch ausgewertet, so dass ein Signal (energetischer Nervenstrom) generiert wird, der dann als Mass für Distanz gelesen wird.
Das Beispiel mit der Zecke ist mechanisch einfach, das Beispiel mit dem dualen Sehen ist deshalb sehr kompliziert, weil dieser Prozess in der Hirnforschung noch sehr unklar ist. Technologisch ist die Distanzeinschätzung aber in beliegigen Mechanismen gelöst, etwa in Messgeräten mit Laserstrahl aber auch bei der automatischen Tiefenschärfe von Kameras usw.


So oder so lese ich diese Textstellen mit meiner Interpretation "durch einen kybernetischen Mechanismus". Das heisst, ich interpretiere sie so, wie ICH meine, dann G. Bateson sie mehr oder weniger bewusst geschrieben habe. Es ist also eine / MEINE Leseweise und nicht irgend eine Aussage über G. Bateson oder den Text überhaupt.

Anmerkungen

In seiner Abhandlung über Natur und Geist zeigt G. Bateson auf, dass es ein gemeinsames Muster gibt, das die Welt des Lebens und die Welt der geistigen Prozesse miteinander verbindet (Keil-Slawik, 1985, 71, hier unter Verweis auf Bateson, 1980, Mind and Nature!).

Anmerkungen von rt: "Das Muster, das uns verbindet .." hat auch Brecht's Galilei postuliert. Er argumentierte gegen den Einwand, Gott habe die Welt nicht so einfach gemacht, wie es sich das einfache Hirn des Menschen vorstelle, Gott hätte das Hirn auch komplizierter gemacht, wenn er die Welt komplizierter gemacht hätte (Brecht, Galilei:1287).

Definitionen von Bateson (S. 103ff ):

reine Beschreibung: alle Tatsachen = Unterschiede in einem Phänomen, ohne Zusammenhänge, die dem Verständnis dienen, zu nennen, zB. Fotographie: zeigt nur, erklärt nichts (dabei macht Bateson keinen Unterschied zwischen analog und digital).

Erklärung: sind ausgewählte Teilmengen von Beschreibungen, wobei nichts Neues dazukommt, sondern nur selektiv weggelassen wird, muss gar nicht deskriptiv sein, zB: Gott schuf alles, was es gibt, = die Teile einer Beschreibung, die auf eine Tautologie abgebildet werden können.

Abduktion (C.S. Pierce): Form der Verallgemeinerung, in welcher andere Phänomene mit derselben Tautologie erklärt werden können. Bsp: Opium schäfert Menschen ein, weil es eine einschläfende Wirkung hat (Tautologie) Abduktion: Adrenalin regt Menschen auf, weil es .. = gleiche Erklärungsstruktur, die sich offenbar bewährt.

"Das Muster, das uns verbindet ..." über unser intuitives Erkennen von Natur.

"Es gibt eine Geschichte, die ich früher schon verwendet habe und die ich erneut vortragen möchte: Ein Mann wollte wissen, wie es sich mit dem Geist verhält – nicht in der Natur, sondern in seinem eigenen großen Computer. Er fragte ihn (zweifellos in makellosem Fortran): „Rechnest du damit, daß du jemals denken wirst, wie ein menschliches Wesen?“ Die Maschine machte sich daran, ihre eigenen Rechengewohnheiten zu analysieren. Schließlich druckte sie ihre Antwort auf einem Stück Papier aus, wie dies solche Maschinen zu tun pflegen. Der Mann eilte hin, um die Antwort zu erfahren, und fand die sauber getippten Worte vor:

Das erinnert mich an eine Geschichte. (S.22 (Hervorhebung im Original) )

Wir haben den Kern des Christentums verloren. Wir haben Shiva eingebüßt, den Tänzer des Hinduismus, dessen Tanz auf der trivialen Ebene sowohl kreativ als auch destruktiv, dessen Wesen als ganzes aber die Schönheit ist. Wir haben Abraxas verloren, den schrecklichen und schönen Gott des Tages und der Nacht, wie ihn die Gnostiker kannten. Uns ging der Totemismus verloren, der Sinn für die Parallelität zwischen der menschlichen Organisation und der von Tieren und Pflanzen. Wir haben sogar den sterbenden Gott verloren[…].

Man kann jedoch beobachten, daß es in der Welt viele verschiedene und sogar gegensätzliche Erkenntnistheorien gegeben hat und noch gibt, die sich darin gleichen, daß sie eine letzte Einheit betonen, und die auch, obwohl das weniger sicher ist, die Vorstellung hervorheben, daß diese letzte Einheit ästhetisch ist. Die Einheitlichkeit dieser Weltanschauung läßt hoffen, daß die große Autorität der quantitativen Wissenschaft vielleicht nicht so weit geht, eine allem zugrundeliegende einigende Schönheit zu leugnen.

Ich halte an der Voraussetzung fest, daß unser Verlust des Sinnes für ästhetische Einheit einfach ein erkenntnistheoretischer Fehler war. Ich glaube, daß dieser Fehler schwerwiegender sein kann als all die kleineren Ungereimtheiten jener älteren Erkenntnistheorien, die sich in der grundlegenden Einheit trafen. (S.28f)

„Von Nichts kommt nichts“
Dieses Zitat aus King Lear vereinigt in einer einzigen Äußerung eine ganze Reihe von mitteralterlichen und modernen weisen Sprüchen. Dazu gehört:

a) Das Gesetz von der Erhaltung der Materie und seine Umkehrung, daß man im Laboratorium nicht mit dem Auftreten neuer Materie rechnen kann. (Lukrez sagt: „Daß aus Nichts nichts wird, selbst nicht durch Willen der Götter.“)
b) […]
c) […]
d) Das Prizip, daß keine neue Ordnung oder kein neues Muster ohne Information hergestellt werden kann. Von all diesen und anderen negativen Aussagen läßt sich sagen, daß sie eher Regeln der Erwartung als Naturgesetze sind. Sie kommen der Wahrheit so nahe, daß alle Ausnahmen von extremen Interesse sind.

[…] Der nicht geschriebene Brief, die nicht vorgebrachte Entschuldigung, das für die Katze nicht hingestellte Futter – all das kann eine hinreichende und wirkungsvolle Mitteilung sein, weil null im Kontext bedeutungsvoll sein kann; und es ist der Empfänger der Mitteilung, der den Kontext erzeugt.

[…] Alle Beschreibung, Erklärung oder Darstellung ist notwendigerweise in gewissem Sinn ein Abbilden von Ableitungen der zu beschreibenden Phänomene auf eine Fläche, Matrix oder ein Koordinatensystem. Im Fall einer wirklichen Karte ist die aufnehmende Matrix gewöhnlich ein flaches Blatt Papier von endlicher Größe, und Schwierigkeiten treten auf, wenn das, was abgebildet werden soll, zu groß oder beispielsweise kugelförmig ist. Andere Schwierigkeiten träten auf, wenn die aufnehmende Matrix eine Ringfläche oder eine diskontinuierliche lineare Sequenz von Punkten wäre. Jede aufnehmende Matrix, selbst eine Sprache oder ein tautologisches Netzwerk von Aussagen, hat ihre formalen Eigenschaften, die im Prinzip eine Verzerrung der Phänomene mit sich bringen, welche darauf abgebildet werden sollen. Vielleicht ist das Universum von Prokrustes entworfen worden, jener dunklen Gestalt der griechischen Mythologie, in dessen Herberge jeder Reisende unter dem Schmerz der Amputation oder der Streckung der Beine in das Bett eingepaßt werden mußte. (S.61ff)

Zahlen sind das Produkt des Zählens. Quantitäten sind das Produkt des Messens. Dies bedeutet, daß Zahlen eben deshalb genau sein können, weil zwischen jeder ganzen Zahl und der nächsten eine Diskontinuität besteht. Zwischen zwei und drei liegt ein Sprung. Im Fall der Quantität gibt es keinen solchen Sprung; und weil in der Welt der Quantität Sprünge fehlen, kann keine Quantität exakt sein. Man kann genau drei Tomaten haben. Aber man kann nie genau drei Liter Wasser haben. Quantität ist immer approximativ.

[…] Nicht alle Zahlen sind das Produkt des Zählens. In der Tat sind es die kleineren und vertrauteren Zahlen, die oft nicht gezählt, sondern auf den ersten Blick als Muster erkannt werden.

[…] Das kulturelle Phänomen der Erklärung: das Abbilden unbekannter Folgen von Ereignissen auf Tautologien. (S.65)

"There seems to be something like Gresham's law of cultural evolution according to which the oversimplified ideas will always displace the sophisticated and the vulgar and hateful will always displace the beautiful. And yet the beautiful persists" (Gregory Bateson. Mind and Nature. Hampston Press, 2002, p.5)

In der deutschen Übersetzung liest sich die oben zitierte Passage wie folgt:
"Es scheint etwas wie ein Greshamsches Gesetz der kulturellen Evolution zu geben, nach dem die übervereinfachten Ideen immer die verfeinerten ersetzen werden und das Vulgäre und Hassenswerte immer an die Stelle des Schönen treten wird. Und doch erhält sich das Schöne am Leben."

Eine Abhandlung, die verspricht, sich dem Phänomen der „Schönheit” zu nähern, kommt nicht umhin, das Phänomen in sich selber abzubilden; d.h.: sie muß, um sich nicht inhärent zu widersprechen, selber schön sein. Das heißt hier, daß die Prosa nicht einfach nur technisch richtig sein kann, sondern in ihrer Gestalt ästhetisch sein muß, wenn die Argumentation nicht im ersten Satz in sich selbst zusammenfallen soll.

Sprich: man muß das englischsprachige Orignal lesen, wenn man sich ein Urteil erlauben will. - Here I go.

Daughter: So what? You tell us about a few strong presuppositions and great stochastic systems. And from that we should go on to imagine the world is? But–

Father: Oh, no. I also told you something about the limitations of imagining. So you should know that you cannot imagine the world as it is[…]. And I told you something about the self-validating power of ideas: that the world becomes – comes to be – how it is imagined. (Gregory Bateson, aaO S.193)

A man is shaving with his razor in his right hand. He looks into his mirror and in the mirror sees his image shaving with his left hand. He says: „Oh. There's been a reversal of right and left. Why is there no reversal of top and bottom?” (Gregory Bateson. Mind and Nature, p.77)