Ich verwende den Ausdruck "Revolution" in verschiedenen Differenzen, die ich aufeinandern beziehen kann, weil ich mit Revolution immer auch eine bestimmte Art des Beobachtens bezeichne. Die "Revolution", wonach die Planeten um die Sonne kreisen (De revolutionibus orbium coelestium), spendet die Metaphern zur Bezeichnung der Etablierung neuer Verhältnisse, die insbesondere auch eine Wiederkehr früherer Verhältnisse (als Wiederherstellung des alten legitimen Zustandes (Machiavelli: Ritorno ai prinicipi)) sein können. Wenn die Veränderungen in hinreichend viele Schritte zerlegt werden kann, spreche ich von einer Entwicklung oder in bestimmten Fällen von einer Evolution. Die Revolution erscheint dann als eine mit nicht hinreichender Auflösung beobachtete Evolution, wie etwa L. Trotzki in seiner Geschichte der russischen Revolution verdeutlicht, was aber auch im Ausdruck "neolitischen Revolution" für einen Jahrtausende dauernden Prozess sichtbar wird. Schliesslich bezeichnet die Metapher in der politischen Rechtslehre weniger die Etablierung neuer Verhältnisse als die relative Rechtslosigkeit.
1) Als Revolution bezeichne ich differenztheoretisch die Differenz zwischen einer Umkreisung und einer Umkrempelung der Umkreisung.
Die Umkreisung, die etymologisch auch im Ausdruck Revolver aufscheint, ist im namengebenden Beispiel von Kopernikus die Umkreisung der Sonne durch die Planeten. Die Revolution - im Sinne der kopernikanischen Wende, also im Sinne einer Umkrempelung - besteht darin, dass die Umkreisung aufgehoben ist in der Perspektive der Beobachtung. Während vor der Revolution gemeint wurde, dass die Sonne um die Erde kreise, wird nach der Revolution gewusst, dass die Sonne um die Erde kreist, wenn die Erde als Fixpunkt festgehalten wird - und vice versa. Wenn ich mir vorstelle, dass das Universum eine Menge von bewegten "Himmelskörpern" ist, kann ich einen beliebigen dieser Himmelskörper an seinem Ort festhalten und schauen, wie sich dann alle anderen relativ dazu bewegen. Vor der Revolution wurde übersehen, dass das Festhalten der Erde im Zentrum einen Spezialfall der Beobachtung darstellt - so wie heute oft die Beliebigkeit übersehen wird, in welcher die Sonne als Zentrum gewählt wird. Kardinal Bellarmino hat die ganze Geschichte auf den Punkt gebracht, indem er als Inquisitatir von G. Galilei verlangte, dass solche Aussagen als "Theorien" bezeichnet werden. Er benutzte den Ausdruck "Hypothese", der damals noch nicht wie bei K. Popper verstanden wurde, sondern eben für Konstruktionen, die einer bestimmten Perspektive geschuldet sind. I. Kant verwendet den Perspektivenwechsel als Beispiel für seine (kopernikanische) Wende in der Erkenntnistheorie. T. Kuhn verwendet den Perspektivenwechsel als Beispiel für seine Paradigmenwechsel (ausführlicher in: Rolf Todesco: Genetische Wissenschaftsgeschichte). |
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2) Als Revolution bezeichne ich differenztheoretisch die Differenz zwischen Revolution und Evolution. Wenn die Veränderungen in hinreichend viele Schritte zerlegt werden kann, spreche ich von einer Entwicklung oder in bestimmten Fällen von einer Evolution. Die Revolution erscheint dann als eine mit nicht hinreichender Auflösung beobachtete Evolution. |
3) Als politische Revolution bezeichne ich differenztheoretisch die Differenz zwischen Revolution und Revolte, wobei ich beide Begriffe auf eine grundlegende Änderung einer staatlichen Ordnung beziehe, die sich außerhalb der vorgesehenen Rechtsformen des aktuellen Systems vollzieht, also mithin nach dessen Definition illegal ist. Die Differenz besteht in der Zurechnung einer Massenwahrnehmung, was im "Revolutionsrecht" als tatsächliche Herrschaft reflektiert wird (so etwa die Machtübernahme der Nationalsozialisten in der Weimarer Republik). Standardbeispiel: Französische Revolution 1789 Die Französische Revolution von 1789 bis 1799 gehört zu den folgenreichsten Ereignissen der neuzeitlichen europäischen Geschichte. Die Abschaffung des damaligen feudalabsolutistischen Ständestaats sowie die Propagierung und Umsetzung grundlegender Werte und Ideen der Aufklärung als Ziele der Französischen Revolution – das betrifft insbesondere die Menschenrechte – waren mitursächlich für tiefgreifende macht- und gesellschaftspolitische Veränderungen in ganz Europa und haben das moderne Demokratieverständnis entscheidend beeinflusst. Die heutige Französische Republik als liberal-demokratischer Verfassungsstaat westlicher Prägung stützt ihr Selbstverständnis unmittelbar auf die Errungenschaften der Französischen Revolution. Die revolutionäre Umgestaltung und Nationwerdung der französischen Gesellschaft war ein Prozess, bei dem drei Phasen zu unterscheiden sind. Die erste Phase (1789–1791) stand im Zeichen des Kampfes für bürgerliche Freiheitsrechte und für die Schaffung einer konstitutionellen Monarchie. Die zweite 1792–1794 führte angesichts der inneren wie äußeren gegenrevolutionären Bedrohung zur Errichtung einer Republik mit radikaldemokratischen Zügen und zur Ausbildung einer Revolutionsregierung, die mit Mitteln des Terrors und der Guillotine alle „Feinde der Revolution“ verfolgte. In der dritten Phase, der Direktorialzeit 1795–1799, behauptete eine von besitzbürgerlichen Interessen bestimmte politische Führung die Macht nur mühsam gegen Volksinitiativen für soziale Gleichheit einerseits und gegen monarchistische Restaurationsbestrebungen andererseits. |
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4) Als gesellschaftliche Revolution bezeichne ich differenztheoretisch die Differenz zwischen dem Stand der Produktivkraft und den Produktionsverhältnissen in dem Sinne, dass die Veränderung der Produktionsverhältnisse als Veränderung der Produktivkraft beobachtet wird.
Die mehrere tausend Jahre dauernde „neolithische Revolution“ erweist sich als Revolution in Bezug auf Eigentum, das als solches und als gesellschaftliches Verhältnis durch denn Ackerbau und Sesshaftigkeit erkannt wird.
Die mehrere hundert Jahre dauernde „industrielle Revolution“ erweist sich als Revolution in Warentausch, der als gesellschaftliches LohnVerhältnis durch die Industrie erkannt wird.