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Psychologie ist eine Kunst; niemand kann sagen, was der Gegenstand dieser Lehre ist. Man kann beobachten, was die Psychologen beobachten, man weiss aber nicht, inwiefern - jenseits von Institutionalisierungen in Form von Ausbildungen und Verbänden - wer überhaupt und inwiefern Psychologe ist.
Als Lehre kennt die Psychologie keine Einheit, sondern Schulen oder Richtungen. In diesem Sinne geht es hier nicht um die Psychologie, sondern um Psychologien und ihre Geschichten.
Ich behandle die einzelnen psychologischen Richtungen in einer Geschichte der Psychologie(n).

Als Psychologie bezeichne ich - tautologischerweise - Lehren, die sich mit der Psyche befassen, wobei Psyche eben für das steht, was von Psychologen beobachtet wird. Oft sind verschiedene Vorstellungen von Bewusstsein gemeint. Insofern als Behaviorismus auch zur Psychologie gerechnet wird, ist die Psyche auch das Nichtbeobachtbare hinter dem beobachtbaren Verhalten. Psychologie sucht Begründungen oder Erklärungen für bestimmte denkbare Verhaltensweisen.

Lange bevor es Psychologie als Bezeichnung für bestimmte Beobachtungsweisen gab, beobachteten Menschen (auch) sich selbst, denn das Verhalten von Menschen ist unabhängig von jeder Psychologisierung interessant, was auch vielen Philosophen aufgefallen ist, die anstelle von Psyche noch von Seele oder Geist gesprochen haben, aber deshalb oder trotzdem narrativ als Vorläufer der Pschologen aufgefasst werden. Platon, Avicenna, Averroes, T. von Aquin und Descartes, alle waren in solchen Vorstellungen auch Psychologen.

Das Wort "Psychologie" erscheint als "humanistische" Schöpfung um 1500, die vom Reformator P. Melanchthon in einem religiösen Sinn in die deutsche Sprache übernommen wurde. Um 1700 hat C. von Wolff von einer "empirischen Psychologie" gesprochen und damit Bewusstsein und Aufmerksamkeit anstelle von Seele in die Sprache gebracht Um 1880 haben G. Fechner (Psychophysik) und W. Wundt eine Psychologie angefangen, die Physiologie, die das biochemische Verhalten von Organismen zunächst mit Verhaltensweisen und schliesslich mit Empfindungen verbindet. Und um 1895 haben J. Breuer und S. Freud angefangen, "die Psyche zu analysieren".

Die Psychiatrie hat auch ein medizinisches Anliegen Bei all diesen Autoren kann ich keine Metapsychologie finden, auch wenn S. Freud den Ausdruck explizit, aber nur im Hinblick auf seine je eigene Psychologie (Psychoanalyse) verwendet. Die Psychologie scheint wie die Medizin vom Himmel gefallen zu sein - in die Hände von Menschen, die andere "heilen" wollen. Die Funktion, die sie erfüllt, ist naturwüchsig: kein Mensch ist gerne in dem allgemeinen Sinne krank, dass er von den anderen ausgeschlossen wird. Die Krankheiten, die von Psychologen behandelt werden, sind primär nicht physiologisch begründet, auch wenn sie körperliche Erscheinungsformen haben können.

Eine Funktion der Psychologie sehe ich in der Erziehung in einer Assimilation in das jeweilige Normal(gebildet)sein der jeweiligen Zivilisation, was S. Freud, der berühmteste aller Psychologen, in einer eigenwilligen Verdrehung als Ursache für Das Unbehagen in der Kultur hervorgehoben hat: man kann angepasst oder psychisch krank sein.
Ich unterscheide zwei Fragestellungen:

  • unter welchen Bedingungen gelingt die Assimilation?
  • wie kann die Assimilation effizient unterstützt werden?
  • Als Psychologien bezeichne ich - vereinspolitisch disziplinierte, meist implizit oder unbewusst bleibende - Explikationen der Kategorien, die Menschen bei bestimmten ihrer Selbstbeobachtung verwenden. Psychologie behandelt ursprünglich den Umgang mit Krankheiten, die nicht unmittelbar dem Organismus zugerechnet werden können, und die Erziehung, die solche Krankheiten präventiv zu verhindern hilft.

    Die erste Frage begründet die Psychologie als Philosophie, die zweite Frage als Pädagogik - beispielsweise als Mitarbeiterführung - oder als Therapie gegen konstatierte Abweichungen.

    Die in der Psychologie gemeinte Assimilation betrifft das Verhalten von Individuen, die sich mehr oder weniger anpassen können. Dabei muss das Individum einerseits für wahr nehmen (können), welchen Anforderungen es genügen sollte, und andrerseits muss es motiviert sein zu tun, was es tun soll. Diese beiden Aspekte erscheinen in der philosophischen Psychologie als Hauptgebiete: Wahrnehmung (Kognition) und Motivation (Emotion).


     

    Psychologie als empirische Wissenschaft

    Kognition und Emotion haben einen Träger, der sich den Naturwissenschaften im engeren Sinne entzieht und in der Philosophie zunächst als Seele bezeichnet wurde, was im pseudogriechischen Ausdruck "Psyche" für Seele aufgehoben ist. Meine Psyche zeigt sich je mir selbst als reflektierbare Disposition der mir möglichen Empfindungen und Gefühlen und je anderen, also insbesondere Wissenschaftlern ausschliesslich in Form meines Verhaltens, wozu auch gehört, was ich wie - unter unter welchen, allenfalls experimentellen Bedingungen - sage.

    Die Unterscheidung zwischen erlebten Empfindungen, die ich nur bei mir selbst beobachten kann, und Verhaltensweisen, die ich bei anderen beobachten kann, begründet zwei verschiedene Psychologierichtungen, die ich als philosopische und als wissenschaftliche Psychologien unterscheide.

    Die Wissenschaft ist die Psychologie eine Verhaltenswissenschaft, die sich mit Erklärungen von "psychisch bedingten" Verhaltensweisen befasst und sich dabei in formalen und methodologischen Hinsichten an den Naturwissenschaften orientiert.

    Als psychisch bedingtes Verhalten bezeichne ich Orts- und/oder Zustandsänderungen, die ich als strukturell gekoppelt auffasse, also auf mitbeobachtete Bedingungen beziehe, wobei ich nur dann von Verhalten spreche, wenn dabei eigene Motivation verwendet wird. Ein Apfel, der vom Baum fällt, zeigt kein Verhalten, eine Sonnenblume, die sich - mit eigener Kraft - der Sonne zu wendet dagegen schon. Die Sonnenblume zeigt mir aber kein psychisches Verhalten, weil ich nicht beobachten kann, dass sie in dem Sinne eine Wahl hat, dass sie sich in für mich gleichen Situationen verschieden verhält. Ich selbst verhalte mich so oder so, weil ich dafür unter den jeweilig wahrgenommenen Bedingungen jeweils gute Gründe habe.


     


    Psychologie als handwerkliches Rezeptwissen: Pädagogik und Therapeutik

    Psychlogisches Wissen entsteht auch, wenn nicht hauptsächlich, in einer reflektierten Praxis, in welcher das psychlogische Wissen gebraucht, angewendet und weiterentwickelt wird. Die Wortendung "-ik" lese ich als Verweis auf die Einheit der Differenz zwischen Praxis und Poiesis, wobei die Praxis die bewusste Reflexion als Lehre beinhaltet und die Poiesis die Institutionen, die sich auch in Artefakten zeigen, die den jeweiligen Handlungszusammenhang konstituieren. Im weitesten Sinn geht es um eine - der Medizin nachempfundene - heilende Erziehung zu richtigem Verhalten, wobei einerseits ein unbewusst böses oder asoziales Wesen und andrerseits Gemütskranke auf den guten Weg gebracht werden. Ich unterscheide Pädagogik und Therapeutik als zwei verschiedene Perspektiven auf den jeweilig angestrebten Normal- oder Zielzustand. Die Pädagogik sieht das Normale in der Zukunft, die Therapeutik in der Vergangenheit vor der jeweilgigen Krankheit. Diese Psychologik ist in dem Sinne keine Wissenschaft, als sie nicht beschreiben oder erklären, sondern eingreifen und heilen will.

    J. Herbart repräsentiert die Anfänge der psychlogischen Pädagogik, die zuvor durch E. Trapp mehr praktisch orientiert etabliert war. S. Freud die Anfänge der psychlogischen Therapeutik, die zuvor mehr auf Schockbehandlungen beruhte. J. Herbart grenzt sich mit dem Ausdruck Pädagogik von der "Psychologie" von W. von Humbolt ab, während der Mediziner S. Freud seine Therapie als Psychoanalyse bezeichnete, um die Konnotation zur psychiatrischen Medizin zu begründen.

    Während die Pädagogik in der Volksschule institutionalisiert wurde und deshalb kaum Schulen begründen konnte, ist die Therapeutik weitgehend eine Privatsache geblieben und so stärker ausdifferenziert.


     
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