politische Grundlagen
eines Staates
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(am Beispiel des Kantons Zürich)

Der Kanton Zürich (dient hier als Beispiel) deklariert sich in der Selbstdarstellung (die logischerweise von Menschen und nicht vom Kanton geschrieben wurde) als Staat, der sich rechtliche Grundlagen gegeben hat, auf welchen er gründet.
In der fingierten Selbstbeschreibung - beispielsweise auf der Homepage des Kantons - steht (unter dieser Titelungsfolge):

   

Rechtliche Grundlagen
Kantonsverfassung
Menschenbild, Werteordnung und Staatsverständnis
Bürgerrecht und Volksrechte

Eine Verfassung ist das Fundament jedes demokratischen Staates. Mit ihr verständigen sich die Bürgerinnen und Bürger darauf, wer wann wo wie viel zu sagen hat und wer oder was dabei zu berücksichtigen ist.

Kritik:
Der Staat versteht sich nicht politisch sondern rechtlich.
Es wird nicht gesagt, dass der Staat Zürich ein Staat ist, sondern dass demokratische Staaten eine Verfassung haben, woraus man im Umkehrschluss vermuten kann, dass der Kanton Zürich ein Staat ist, weil er eine Verfassung hat.
Was eine Verfassung ist, wird auch nicht gesagt, es wird gesagt, was die Funktion der Verfassung ist. Sprachkritisch gesehen würden sich BürgerInnen mittels Sprache und Medien verständigen. Die Verfassung wäre dann (wie etwa bei F. Lasalle zu lesen) eine Beschreibung davon, worauf sich die Parteien im Machtkampf geeinigt haben.

"Verständigt" haben sich die Staatsbürger im wesentlichen auf drei Punkte:

   

Art. 1: Kanton
1 Der Kanton Zürich ist ein souveräner Stand der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
2 Er gründet auf der Eigen- und Mitverantwortung seiner Einwohnerinnen und Einwohner.
3 Die Staatsgewalt beruht auf dem Volk. Sie wird von den Stimmberechtigten und den Behörden ausgeübt.
4 Der Kanton anerkennt die Selbstständigkeit der Gemeinden.
Art. 2: Rechtsstaatliche Grundsätze
1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2 Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3 Behörden und Private handeln nach Treu und Glauben.
Art. 3: Gewaltenteilung
1 Der Aufbau des Staates und die Ausübung staatlicher Macht beruhen auf dem Grundsatz der Gewaltenteilung.
2 Niemand darf staatliche Macht unkontrolliert oder unbegrenzt ausüben.

Die drei Punkte beschreiben die Organisation der Macht:
1. Der Kanton übt die Staatsgewalt aus.
2. Die Gewalt wird in Form von Recht zu Macht.
3. Die Macht wird durch Teilung stabilisiert.

Die Verfassung (Text der Verfassung) erscheint reflexiv als Recht, das in Form von juristischen Gesetzen expliziert wird, die der Rechtsprechung folgen.

Dass das Recht als Menge von Gesetzen erscheint, wird auf der Homepage nicht gesagt, sondern dadurch impliziert, dass die "Zürcher Gesetzessammlung" (ZH-Lex) als sämtliche Grundlagen des Kantons Zürich bezeichnet werden.

Das Wort "Politik" spielt in der Verfassung keine Rolle, es bezeichnet lediglich als Adjektiv, dass Gemeinden und Parteien divergierende Interessen haben.


Historisches
Die erste Verfassung des Kantons Zürich als souveräner Stand des Bundesstaates Schweiz stammt vom 10. März 1831. Am 13. Juni 1999 beschlossen die Zürcher Stimmberechtigten, die Kantonsverfassung total zu revidieren und beauftragten damit einen Verfassungsrat. Ende Oktober 2004 stimmte der Verfassungsrat der Vorlage mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder zu und unterbreitete sie in der Folge den Stimmberechtigten. Die neue Verfassung wurde am 27. Februar 2005 durch das Volk angenommen. Sie trat am 1. Januar 2006 in Kraft.


Geschichte & Gegenwart
Von 15 v.Chr. bis gestern: Meilensteine in der Geschichte des Kantons Zürich

(Quelle: Homepage des Kantons)

15 v. Chr. Das Gebiet des heutigen Kantons Zürich wird in das Römische Reich einbezogen. Entstehung des Vicus Turicum (Zürich) und des Vicus Vitudurum (Oberwinterthur) sowie diverser Gutshöfe in der folgenden Zeit.

853 Gründung des Fraumünsterstifts durch König Ludwig den Deutschen. Zürich wird, mit der Pfalz auf dem Lindenhof, Königsstadt und Verwaltungszentrum im südlichen Schwaben.

Um 1220 Zürich wird nach dem Aussterben der Zähringer reichsfrei und beginnt, sich selbst zu verwalten (städtischer Rat, eigenes Siegel und Archiv). Die Kaufleute bewirken das allmähliche Loslösen der Stadt aus feudalen Verpflichtungen. Die Äbtissin des Fraumünsters bleibt aber formell Stadtherrin.

1336 In der Brun’schen Umwälzung gelangen die in Zünften organisierten Handwerker neben den bisher allein regierenden Patriziern und Rittern an die Macht; Rudolf Brun wird Bürgermeister. Die von Ehrbarkeit und gerechter Verteilung geprägte Handwerkermentalität beginnt, die Gesellschaft über alle Stände hinweg zu prägen.

1351 Zürich schliesst einen Bund mit den Eidgenossen von Luzern, Uri, Schwyz und Unterwalden, bleibt aber Reichsstadt und lässt sich diese Stellung von jedem neuen Reichsoberhaupt bestätigen (Reichsprivilegien). Auch mit der Herrschaft Österreich (Habsburg) schliesst Zürich weiterhin Bündnisse ab.

1436–1450 Im Alten Zürichkrieg gerät Zürich im Streit um die Erbschaft des letzten Grafen von Toggenburg in Konflikt mit dem Länderort Schwyz, dem sich die übrigen eidgenössischen Orte anschliessen. Zürich verbündet sich mit Habsburg, unterliegt aber Schwyz und seinen Verbündeten und muss künftig den Vorrang des eidgenössischen Rechts anerkennen. Erst jetzt wird Zürich definitiv zu einem eidgenössischen Ort.

1452 Mit dem Übergang der Grafschaft Kyburg an Zürich ist die nach 1350 eingeleitete Territorialbildung weitgehend abgeschlossen. Das nachmalige Kantonsgebiet (eingeteilt in Land- und Obervogteien) steht im Wesentlichen fest. Die Bewohner der Landschaft sind Untertanen der Stadt.

1489 Bürgermeister Hans Waldmann versucht, den Stadtstaat Zürich auf Kosten alter Rechte der Landschaft (Selbstverwaltung der Gerichts- und Flurgemeinden) zu modernisieren. Dabei löst die Tötung der Bauernhunde, die das herrschaftliche Jagdrecht beeinträchtigen, einen Aufstand und Umsturz aus (Waldmannhandel). Waldmann wird hingerichtet.

1525 Die Reformation durch Huldrych Zwingli ist abgeschlossen. Die auf ihr aufbauende Staatskirche beansprucht das Glaubensmonopol und verfolgt Dissidenten (z. B. Täufer).

Um 1570 Eine markante Klimaverschlechterung führt zur anhaltenden Verarmung grosser Teile der rund 75‘000 Einwohner des Stadtstaats. Eingewanderte Glaubensflüchtlinge bringen das Textilgewerbe in Schwung.

Im 17. Jahrhundert erlebte Zürich einen Aufschwung der Malerei. Als malende Frau war Anna Waser (1678–1714) für die Zeit etwas total Aussergewöhnliches. Besonders stark ausgesetzt war sie dem Spannungsfeld ihrer künstlerischen Berufung und der Erwartung der bürgerlichen Umwelt an ihre Rolle als Frau.

1691-1693 Eine massive Absatzkrise im Textilexportgewerbe fällt mit schlechten Erntejahren zusammen. Arbeitslosigkeit greift um sich, und es herrscht eine schwere Hungersnot. Als Folge der desolaten wirtschaftlichen Lage rückt die Regierung von ihrer seit der Reformation vertretenen solddienstkritischen Haltung ab. Sie schliesst 1693 mit den Vereinigten Niederlanden einen Vertrag für die Schaffung eines Bataillons und akzeptiert fortan den Solddienst als Institution.

1712 Mit dem Sieg von Zürich und Bern im Zweiten Villmergerkrieg finden die militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem katholischen und dem reformierten Lager in der konfessionell gespaltenen Eidgenossenschaft ein Ende.

1759 Die Ökonomische Kommission der Physikalischen (später Naturforschenden) Gesellschaft in Zürich beginnt, sich der Modernisierung der Landwirtschaft anzunehmen, um die Erträge zu steigern. Sie wird in ihren Anstrengungen durch die grosse Hungerkrise von 1770/1771 bestärkt.

1775 Goethe kommt auf seiner ersten Schweizerreise nach Zürich. Im Kreis von Barbara Schulthess-Wolf werden zu jener Zeit Werke von Goethe, Lessing, Wieland und Klopstock im Manuskript gelesen.

1798 Der alte Stadtstaat Zürich geht unter. An seine Stelle tritt der helvetische Einheitsstaat unter französischer Besatzung. Zürich ist ein blosser Verwaltungsbezirk der Helvetischen Republik. Das Gebiet des Kantons wird 1799 zum Schauplatz von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Franzosen und Österreichern/Russen.

1802 Winterthurer Bürger errichten die mechanische Spinnerei im Hard bei Wülflingen als erste Fabrik der Schweiz. Der Kanton Zürich gehört wenige Jahrzehnte später zu den am höchsten industrialisierten Gebieten Europas. Als Folge der Industrialisierung verdoppelt sich die Einwohnerzahl des Kantons im Verlauf des 19. Jahrhunderts (Stand 1900: 430‘000).

1803 Durch die von Napoleon vermittelte Mediationsakte entsteht der Kanton Zürich als neues, eigenes Staatswesen in den noch heute gültigen Grenzen. Erstmals gibt es eine Kantonsregierung, und im Parlament und in der Regierung ist nun auch die Zürcher Landschaft vertreten.

1831 Die erste moderne Verfassung des Kantons nimmt Grundsätze auf, die aus der Französischen Revolution hervorgegangen sind: Gewaltentrennung, Gleichberechtigung, Gewerbe- und Pressefreiheit. Die Stellung des Parlaments wird gestärkt. In den folgenden Jahren wird der Zürcher Staat neu gestaltet. Grosse Aufgaben wie zum Beispiel die Reorganisation des Schulwesens, die Gründung der Universität oder der Aufbau eines modernen Strassennetzes werden erfolgreich angepackt.

1844-1868 Der Politiker und Wirtschaftsführer Alfred Escher prägt die Entwicklung Zürichs. Der Eisenbahnbau, die Gründung von Banken und Versicherungen sowie Handelsbeziehungen nach Übersee fördern den Aufstieg Zürichs zur schweizerischen Wirtschaftsmetropole.

1869 Die neue Kantonsverfassung, die das repräsentative System von 1831 ablöst, führt direktdemokratische Elemente wie Referendum und Initiative ein und berücksichtigt auch sozialpolitische Anliegen. Die Regierung besteht fortan aus sieben Mitgliedern und wird vom Volk gewählt.

1893 Durch die Eingemeindung von 11 Vorortsgemeinden wird Zürich zur Grossstadt (mit rund 121'000 Einwohnern Mitte 1894). Nach zwei Jahrzehnten mit einem raschen Wachstum erreicht die Stadt Zürich bereits im Jahr 1912 die Marke von 200'000 Einwohnern.

1917 Die Wahl des Kantonsrats findet zum ersten Mal nach dem Proporzsystem statt und führt zu grossen Verschiebungen in der Zusammensetzung des Parlaments. Aus den Wahlen gehen die Sozialisten als stärkste Fraktion hervor.

1918 Zürich bildet am Ende des Ersten Weltkriegs einen Hauptschauplatz des landesweiten Generalstreiks, der zwar nach drei Tagen abgebrochen wird, in der Politik und Gesellschaft aber noch lange nachwirkt.

1934 Bei der zweiten Eingemeindung werden noch einmal acht Vorortsgemeinden mit der Stadt Zürich vereinigt. Bis 1960 wächst die Einwohnerzahl der Stadt auf rund 440‘000 an.

1939 In Zürich findet die grosse Schweizerische Landesausstellung (die „Landi“) statt, die von mehr als 10 Millionen Gästen besucht wird. Die Ausstellung spielt eine wichtige Rolle für die Stärkung des Unabhängigkeits- und Selbstbehauptungswillens des Schweizer Volkes vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

1939–1945 Zürich und die Schweiz bleiben im Zweiten Weltkrieg verschont. Kurz vor Kriegsende wird das Strickhofquartier in Zürich irrtümlich von amerikanischen Flugzeugen bombardiert.

1946 Winston Churchill besucht Zürich und hält hier seine berühmte „Zürcher Rede“, in der er von einem vereinigten Europa spricht.

1948 Der Betrieb des Interkontinentalflughafens Zürich-Kloten wird aufgenommen. Fünf Jahre später findet die offizielle Einweihung der Flughafenanlage statt.

1962 Die Einwohnerzahl des Kantons übersteigt die Millionengrenze. Zürich hat schon ein paar Jahre zuvor den Kanton Bern als bevölkerungsstärksten Kanton der Schweiz abgelöst.

1963 Die Römisch-katholische Körperschaft und die Christkatholische Kirchgemeinde Zürich werden zu staatlich anerkannten Personen des öffentlichen Rechts. Sie werden damit der Evangelisch-reformierten Landeskirche gleichgestellt.

1966 Zwischen Zürich-Wollishofen und Richterswil wird das erste Autobahnteilstück im Kanton Zürich eröffnet.

1968 Die europaweiten Jugendrevolten manifestieren sich in Zürich im „Globuskrawall“.

1970 Die (männlichen) Zürcher Stimmbürger erteilen den Zürcherinnen das Stimm- und Wahlrecht auf kantonaler Ebene.

1980 Eine Demonstration gegen den Renovationskredit für das Opernhaus gerät zum „Opernhauskrawall“ und löst die Jugendunruhen aus.

1990 Die Zürcher S-Bahn nimmt ihren Betrieb auf. Auf 380 Schnellbahn-Kilometern werden täglich Hunderttausende von Pendlern und Reisenden im Kanton Zürich und den angrenzenden Regionen transportiert.

1991 Die Senkung des Stimm- und Wahlrechtsalters von 20 auf 18 Jahre im Kanton Zürich tritt in Kraft.

2000 Die Einwohnerzahl des Kantons erreicht 1,25 Millionen. Von den 171 Gemeinden des Kantons weisen neben den grossen Städten Zürich und Winterthur noch weitere 23 Gemeinden mehr als 10'000 Einwohner auf. Das Wachstum findet vor allem in der Agglomeration Zürich statt.

2006 Das Stimmvolk nimmt eine neue Kantonsverfassung an, die jene von 1869 ablöst. Sie beginnt mit folgender Präambel: „Wir, das Volk des Kantons Zürich, in Verantwortung gegenüber der Schöpfung und im Wissen um die Grenzen menschlicher Macht, im gemeinsamen Willen, Freiheit, Recht und Menschenwürde zu schützen und den Kanton Zürich als weltoffenen, wirtschaftlich, kulturell und sozial starken Gliedstaat der Schweizerischen Eidgenossenschaft weiterzuentwickeln, geben uns die folgende Verfassung …“

2008 Winterthur überschreitet mit 100'000 Einwohnern die Schwelle zur Grossstadt.

2009 Mit der Eröffnung der Zürcher Westumfahrung (10 Kilometer Autobahn, Kosten von 2,85 Milliarden Franken) wird die Autobahnlücke zwischen Chur und Basel geschlossen. Die Stadt Zürich wird von Transitverkehr entlastet.