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Autopoiese

Autopoiese ist ein Ausdruck im Umfeld der Systemtheorie 2. Ordnung, mit welchem H. Maturana ursprünglich seinen biologischen Forschungsgegenstand "Leben" charakterisiert hat. Als Lebewesen betrachtet H. Maturana, was sich in einem Stoffwechselprozess (Metabolismus) selbst produziert (autos=selbst, poiein=bilden) und reproduziert. Unter der Perspektive der autopoietischen Organisation produzieren Lebewesen unter anderem ihre eigene Haut (Oberfläche) und grenzen sich so von ihrer Umwelt ab (Anmerkung 1).

Als Beobachter weiss ich in diesem Sinne zwar, dass ich mich selbst herstelle, aber ich weiss natürlich nicht, wie ich das mache. Deshalb sagt N. Luhmann, dass die Autopoiese eigentlich nichts erkläre, sondern vielmehr ein funktionales System benenne, dessen Organisation beschreibbar sei. N. Luhmann hat die Autopoieses für das, was er soziale Systeme nennt, adaptiert. Ich werde später unter funktionale Systeme darauf zurückkommen.

Ich verwende den Ausdruck Autopoiese als Eigenname einer speziellen Systemtheorie, in welcher - etwa bei H. Maturana - Lebewesen als "autopoietische Mechanismen" interpretiert und erklärt werden, oder - etwa bei N. Luhmann - Handlungszusammenhänge als funktionale Systeme dargestellt werden (Anmerkung 2). Als Erklärungssystem leistet die Autopoiese leistet nur, was die Systemtheorie generell schon leistet. Deshalb interpretiere ich die Autopoiese als spezielle Systemtheorie (Anmerkung 3). Des autopoietische Mechanismen sich selbst herstellen, ist nur klassifikatorische Umschreibung der beobachteten Systeme.

In der autopoietischen Theorie von H. Maturana gibt es "autopoietische Systeme 1. Ordnung", "2. Ordnung" und "3. Ordnung". Damit bezeichnet H. Maturana Einzeller, Vielzeller und soziale Verbände (wie Herden oder Völker). Dabei geht es in der 2. Ordnung nicht wie bei der vorliegenden Systemtheorie um eine Selbstbezüglichkeit, sondern um eine abstrakte Prozessstruktur, die sich auf verschiedenen Ebenen wiederholt. Der Einzeller, der prototypisch für autopoietische Lebewesen ist, bildet sich in der Ursuppe, die zu dieser Bildung nur Milieu ist. Der Vielzeller organisiert sich - autopoietisch gesehen - nicht so, dass sich Einzeller, die davor existieren, zusammenschliessen, sondern durch spezialisierte Zellteilung, die seinem autopoietischen Entwicklungsprozess entspricht. Die Herde ist in dieser Sicht auch nicht Resultat davon, dass sich einzelne Vielzeller zusammenschliessen, sondern sie ist eine autopoietisches System 3. Ordnung, dass Vielzeller als Bestandteile produziert.

In der Perspektive der Biologie ist die Sozietät ein Verband von Lebewesen, weil die Biologie Lebewesen erforscht. In der Perspektive der Soziologie ist dieselbe Sozietät die relevante Einheit 1. Ordnung, in welcher Lebewesen als Trägermaterial fungieren. In beiden Fällen wird die Sozietät als autopoietische Einheit gesehen: sie produziert sich selbst, sie wird nicht quasi von ihren Mitgliedern produziert.Die Unterscheidung sagt nichts über die Sozietät, aber viel über den funktionale Gehalt der verwendeten Perspektiven. Konstruktivistisch gesehen handelt es sich um verschiedene "Konstruktionen", systemtheoretisch um verschiedene Hadlungszusammenhänge, in welchen die Verhaltensphänomene wahrgenommen werden.

Wichtig wurde die Autopoiese im engeren Sinn, also die Selbsterzeugung - quasi verkehrterweise - gerade nicht in der Biologie, sondern in der Soziologie. N. Luhmann hat das Autopoiese-Prinzip von H. Maturana rekontextualisiert. Seine funktionalen Systeme sind autopoietisch, auch wenn damit etwas ganz anderes gemeint ist als bei H. Maturana. Ich werde im folgenden auf N. Luhmann's Autopoiese eingehen. Wie er die Kybernetik einerseits über Bord wirft, die operationelle Geschlossenheit aber beibehält, ist eine im engeren Sinne kreative Leistung ersten Grades (Anmerkung 4).


 

Metakommunikation

N. Luhmann und H. Maturana konnten sich bei allen Gemeinsamkeiten und Bemühungen nie anfreunden. Ihre jeweilige Disziplin zur je eigenen Wissenschaft ist eklatant. Beide wollten die Autopoiese als Beitrag zur Wissenschaft sehen, die Idee, es könnte sich um eine konstruktivistische Ueberwindung des Paradigmas "Wissenschaft" handeln, kann ich bei beiden nicht finden.


 
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