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1. |
Autopoiese tritt als funktionaler Begriff an die Stelle der wissenschaftlich schlecht fassbaren Idee des "Lebens". Alles, was unter den Begriff der Autopoiesis fällt, wird im biologischen Handlungszusammenhang von H. Maturana als lebend aufgefasst. Plato bezeichnet die dem Herstellen von etwas dienende Wissenschaft (z B. Architektur) als "poietische" Wissenschaften. Ich bezeichne solche "Wissenschaften" als Engineering. Im Kontext der Auto-Poieses geht es aber natürlich gerade nicht um herstellendes Engineering, sondern um erklärendes. Genau deshalb spricht H. Maturana sinnvollerweise von autopoietischen Systemen. |
2. |
Ich kann weder bei H. Maturana noch bei N. Luhmann nachvollziehen, wie sie den Ausdruck "Autopoiese" in einem begrifflichen Sinn verwenden. Da beide von autopoietischen Systemen sprechen, nehme ich an, dass sie ihre Theorien als Theorien der Autopoiese auffassen. Aber viele Formulierungen von beiden ergeben für mich nur Sinn, wenn ich the map and territory nicht unterscheide. H. Maturana meint mit dem Ausdruck Autopoiese offenbar den Prozess, den ein wirkliches Lebewesen durchläuft. Als konstruktivistischer Beobachter weiss er aber natürlich darüber nichts, er weiss nur über seie Beobachtungen - und mithin über seine Theorie - Bescheid. Bei N. Luhmann ist die Sache noch etwas komplizierter, weil seine Systeme funktional sind, also in keinem Sinn wie Organismen ein Leben führen. Konsequenterweise sagt N. Luhmann aber, dass es die Gesellschaft gibt, das sie mithin auch eine Art autopoietisches Leben führe. |
3. |
Dass die Autopoiese zur Entstehung von Leben so wenig sagt, wie das Miller-Experiment, auf welchem sie aufsetzt, hat N. Luhmann eindrücklich belegt, indem er die Autopoiese für Gegenstände jenseits von biologischem Leben verwendete. H. Maturana, der Chile nach dem Putsch gegen Allende ausgerechnet in Richtung USA verlassen hatte, konnte sich mit der autopoietischen Auffassung von N. Luhmann nicht anfreunden. Zum einen erkannte er wohl den reaktionären Gehalt der Luhmann'schen Version, viel schlimer war aber für ihn offenbar, dass seine Theorie des Lebens profan für allerhand Gegenstände diente, die mit dem Leben so viel zu tun hatten, wie die autopoietische Etablierung von Pinochets Regime. H. Maturana wehrte sich gegen N. Luhmann wie viel vor ihm sich L von Bertalanffy gegen die Kybernetik wehrte, weil er seine Systemlehre als Lehre des Lebens sah, während N. Wiener damit ausgerechnet Maschinen beschrieb. |
4. |
H. Maturana wird wohl deshalb hauptsächlich als Vertreter (oft sogar als Begründer - etwa Wikipedia, 25. Jan 2005) des Radikalen Konstruktivismus wahrgenommen. In der Biologie verändert sich durch seine Autopoiese wenig, und in der kybernetischen Sytemtheorie gar nichts. Allerdings hat H. Maturana - jenseits der Autopoiese - viele Implikationen der kybernetische Systemtheorie explizit gemacht, insbesondere auch die Rolle des Beobachters. In der konstruktivistischen Epistemologie hat H. Maturana damit wesentliche Beiträge geleistet. Seine Theorie findet auch in den kognitivistischen Wissenschaften grossen Anklang, insbesondere die Geschlossenheit des Nervensystems. Last but not least gibt es viele moralische Diskurse, die auf die Autopoiese abstüzen. |
Systemtheorie