Hyperkommunikation: Ein virtuelles Seminar zum Studiengang Konstruktives Wissensmanagement der Fachstelle für Weiterbildung der Uni Zürich

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  Mr. Check

Ein Gespräch über Kunst und Kritik [ andere Dialoge ]


Rolf:

Um noch ein Bild anzufügen: Kunstkritik ist im Vergleich zur Kunst diskursiv. Kunst ist Ausdruck, nicht Mitteilung. Kunstkritik ist Mitteilung. Ich verstehe alles, was ich sage, im Sinne von Kunst, nicht im Sinne von Kunstkritik. Natürlich ist mir auch klar, dass man sowohl Kunst wie Kunstkritik gut oder besser machen kann. Ich spreche nur von der Haltung.
 

Verena :

Kunstkritik verstehe ich als Feedback an Kunstschaffende. Dadurch wird ihnen mitgeteilt, dass sie wahrgenommen werden. Kunstkritik als Kunst würde meiner Ansicht nach heissen, dass der Feedback nicht wertend ist, sondern eine Information, wie die Kunst auf die 'kritisierende' Person gewirkt hat. Schreibend stellt sich mir die Frage, ob eine solche Resonanz (also Kunstkritik) überhaupt sinnvoll ist. Künstler, die Kunst aus innerem Antreib betreiben, werden sich kaum darum kümmern, wie ihre Kunst 'ausgelegt' wird.

Vielleicht ist Kunstkritik eine Falle, die verleitet, vom eigenen Weg abzukommen und sich anzupassen. Vielleicht ist es aber auch so, dass keine Resonanz die innere Kraft erlahmen lässt. In der Frage der Kunstkritik sitzt jedenfalls bei mir heute Morgen die Frage nach dem Wahrgenommen werden in der Welt.....
 

Rolf:

In operationell geschlossenen Systemen passiert Feedback innerhalb eines Systems, nicht zwischen Systemen. Kunstkritik ist dann Kunst, wenn sie im dialogischen Sinn nicht als Mitteilung, sondern als Ausdruck - F. Schulz von Thun nennt das Selbstoffenbarung - gemacht wird. Dann sagt die Kunstkritik aber nichts aus über das Kunstwerk, ist also kein Feedback an den Künstler, sondern etwas über den Kunstkritiker. Im Sinne der Co-Evolution ist es dem Künstler unbenommen, mit anderen Kunstwerken etwas für ihn sinnvolles anzufangen.

In diesem Sinne dient Feedback immer dem, der ihn gibt - nämlich als explizite Erkenntnis darüber, was ihm gefällt - und nicht irgendeinem Adressaten. Meine innere Kraft ist mit Quoten-Applaus nicht herstellbar, ich vertraue aber darauf, dass sie nicht ohne mich erlahmen kann.
 

Verena :

Das heisst also: was ich über die Welt erfahre, ist Selbstoffenbarung. Die Welt zeigt sich mir und spiegelt mir auch mich selbst und mein eigenes Werk zurück. Ich kann mich oder mein Werk also sozusagen durch andere Augen betrachten und - wenn mir diese anderen Augen etwas spiegeln, was mich inspiriert im Sinne von 'was in meiner Seele Eingang findet' kann ich es annehmen als eine Erweiterung meiner Wahrnehmung.

Ich leite daraus ab, dass mit dieser Haltung Kränkungen und Verunsicherungen gar nicht möglich wären. Was im Moment nicht in mein System passt, bleibt draussen und stört mich nicht.

Bis anhin erschienen mir geschlossene Systeme technisch, starr und un-kreativ. Nun ahne ich, dass co-Evolution eigentlich nur möglich ist, wenn geschlossene Systeme so stabil sind, und sich selber so gut kennen, dass sie einem Atraktor nicht aus Verunsicherung sondern nur aus innerer neu geschaffener Ueberzeugung folgen.
 

Rolf:

Ich finde, Du hast sehr schön ausgedrückt, was für mich das Wesen der geschlossenen Systeme ausmacht. Gerade weil ich so denke, verstehe ich nicht, was andere Menschen gegen den Konstruktivismus haben, respktive warum sie sich lieber als offene Systeme verstehen.
 

Verena :

Zwischenruf:
Da sehe ich den springenden Punkt. Rolf's Beispiele von geschlossenen Systemen waren der Thermostat oder der Baum. Ich kann nachvollziehen, dass eine Eiche eine Eiche bleibt und ein Thermostat auf 21 Grad eingestellt ist. Wenn Menschen aber mit allem, was sie umgibt in Co-Evolution leben, kann das Ziel doch nicht sein, eine möglichst unveränderliche Persona aufzubauen. Einerseits erkenne ich die Freiheit, die in dieser Geschlossenheit steckt, andererseits frage ich mich, wie auf diese Weise Co-Evolution, wie ich sie z.B. im Dialog anstrebe möglich wird.

Wie geht das zusammen einerseits die Stabilität eines geschlossenen Systems, und andererseits die Offenheit Neues anzunehmen und die Konstruktion der eigenen Wahrheit laufend um- und auszubauen?

Natürlich ist mir klar, dass ich mit dieser In-Frage-Stellung meine obige Aussage hinterfrage. Genau das will ich, denn an diesem Punkt geht für mich immere etwas nicht auf.
 

Rolf:

Für mich sind alle Systeme technische Systeme, das bringe ich mit Maturana's Redeweise "autopietische Maschine" sehr deutlich zum Ausdruck. Maschine ist etwas technisches. Die Frage ist, wie ich Maschinen anschaue: ich entscheide, ob ich offene oder geschlossene Systeme sehe. Und ich entscheide, welche "Maschinen" fremdreferentiell sind und welche selbstreferentiell. Maschine sind nicht offen oder geschlossen, ich betrachte sie so oder so.
 

Verena :

Noch ein Zwischenruf:
heisst fremdreferentiel auf Menschen bezogen 'fremdbestimmt' und selbstreferentiel 'selbstbestimmt? Ich meine, als Mensch kann ich selbstbestimmt auf fremde Einflüsse eingehen und sie in mein Weltbild einflechten. Dann bin ich doch aber gleichzeitig ein offenes und ein geschlossenes System.... und das darf doch wohl nicht sein 'you can't have the cake and eat it too!
 

Rolf:

Da sage ich noch etwas zu Verenas Zwischenruf, bevor ich wieder zum Thema Kunst komme. Ich würde eher - wie Hellinger oder Satir - von selbsterzeugt als von selbstbestimmt sprechen. Ich meine damit einer Beobachterhaltung und die kann ich sehr wohl wechseln, wenn ich den Kuchen wiederhaben will. Ich betrachte mich als geschlossenes System, wenn das für mich Sinn macht - und ich würde mich jederzeit als offenes System betrachten, wenn ich davon etwas hätte. In meiner Betrachtung könnte ich sogar beides gleichzeitig sein.

Aber vielleicht klärt sich das alles besser, wenn wir im Thema bleiben, also beim Feedback in der Kunst. Was ich gesagt habe gilt für eigentliche Kunst ...

Wo über Kunst mit Quoten entschieden wird, ist Kunst natürlich etwas anderes. ...
 

Verena :

Auch hier ein Zwischenruf:
Kunst mit Quoten, damit ist wohl die Kunst gemeint, die beim Publikum oder den Kunst-Kritikern ankommt. Ich meine aber, dass Kunst sich gerade dadurch auszeichnet, dass sie sehr unterschiedliche Reaktionen auslöst. Kunst mit Quoten könnte aber auch eine Art Kunst sein, die mit einer Absicht zu gefallen entstanden ist. Das wäre für mich dann geschmäcklerische Kunst, im Gegensatz zu Kunst, die ein Versuch ist, der (unbewussten) inneren Lebenswelt einen Ausdruck zu geben.
 

Rolf:

Mit Quotenkunst habe ich gemeint, dass andere darüber entscheiden, ob etwas Kunst ist. Beispielsweise Kunstkritiker, indem sie ihren Senf dazu geben, oder Museumsdirektoren, indem sie etwas ausstellen, oder Kunstsammler, indem si Geld ausgeben. Das sind alles fremdreferentielle Verhältnisse, geschmäcklerisch oder (kultur)-politisch hin oder her. Dafür interessiere ich mich als Künstler nicht.

... Es ist meines Es ist meines Erachtens gerade Beuys, der hier für ganz trübe Vorstellungen sorgt ...
 

Verena :

Beuys ist für mich auch eine ambivalente Person: ich bin angetan von seiner Idee der Sozialen Plastik, auf ihr gründet meine Entwicklung der sozialen Kunst.

Was meinst Du, Rolf, wenn du im Zusammenhang mit Beuys von 'trüben Vorstellungen' sprichst?
 

Rolf:

Wenn ich sage, dass es meines Erachtens gerade Beuys ist, der hier für ganz trübe Vorstellungen sorgt, dann meine ich nicht Beuys, sondern eine gängige Interpretation, die er sich nur zu gerne in den Mund legen liess: Jeder ist ein Künstler.

Keiner ist ein Künstler, aber jeder kann das was er tut, als Kunst verstehen. Das Standardbeispiel von Beuys lautet: Stell eine Badewanne ins Museum, dann ist sie ein Kunstwerk und Du ein Künstler. Wer aber darf seine Badewanne ins Museum stellen? Das ist die trübe Seite meiner Augen ..