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   Physik   
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(M)eine Physik
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Ich schreibe hier über meine Physik. Als Physik bezeichne ich eine Menge von wissenschaftlichen Lehren, wobei ich mit Lehre Beschreibungen in Form von Gesetzen bezeichne. Eine Lehre kann verschiedene auch unverträgliche Lehren enthalten. Aber kein Apfel fällt aufgrund einer Lehre vom Baum und kein Computer funktioniert aufgrund einer Lehre. Eine Lehre kann Kausalitäten beschreiben, aber nicht herbeiführen oder verhindern. Jedem Apfel ist gleichgültig, wie ich sein Fallen begreife. Ein Computer kann auch funktionieren, wenn ich groteske Vorstellungen von ihm habe.
Ich unterscheide Beschreibung und Beschriebenes. Als Physik bezeichne ich die Beschreibung. Beschreibungen sind Artefakte. Jede Beschreibung stammt von einem Beobachter. Ich kann verschiedene Beschreibungen vergleichen. Genau das mache ich, wenn ich meine Physik von anderen Lehren unterscheide.

Meine Physik ist keine Physik, sondern ein Kritik der Physik. Im vorliegenden Text beschreibe ich, wie sich mein Unbehagen in der Kultur durch die kritische Analyse des Schulfaches Physik aufgelöst hat. Dabei erscheint auch die Schule in einem schlechten Licht. Ich beschreibe, wie ich schliesslich Aspekte der Pysik in meiner materialistischen Technologie aufgehoben habe.

Vorwort - oder
Weshalb brauche ich eine eigene Physik?

Mit Physik habe ich mich nie ernsthaft befasst. Auch in meiner Schulzeit nicht. Seit längerer Zeit befasse ich mich aber mit der Sprache der Physiker, was verschiedene Gründe hat, die ich später ausführlicher erläutern werde. Eine nicht ganz zufällige Veranlassungen über die Sprache der Physiker nachzudenken, bestand für mich darin, dass ich zufällig von einem didaktischen Streit gelesen habe, der zwischen Vertretern des Karlsruher Physikkurses (KPK) und Vertretern der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) ausgetragen wird. In diesem Streit geht es darum, wie in der Schule über Physik gesprochen werden sollte. Das veranlasste mich, meine eigenen Lern- und Schulerfahrungen anhand der Schulphysik zu reflektieren und so über "meine Physik" nachzudenken.

Ich erkannte schnell oder sogar augenblicklich, dass ich praktisch nichts mehr weiss, von dem, was ich während meiner gesamten Schulzeit im Fach Physik hätte lernen sollen. Und dass ich unabhängig davon auch sonst nicht viel über Physik weiss, ausser dass Einstein die Relativitätstheorie erfunden hat. Der Physikunterricht in der Schule ermöglichte mir das Bestehen von Physikprüfungen, die mir den Zugang zu höheren Schulen und damit schliesslich zu einem potentiell grösseren Einkommen verholfen haben. Dieser Nutzen der Physik war praktisch und wichtig, was aber mit dem Gegenstand der Physik nicht viel zu tun hat, sondern mehr über die Schule als solche sagt. Die Schule braucht Fächer, auch wenn die Inhalte dieser Fächer nach den jeweiligen Prüfungen vergessen werden können. Ich vermute, dass der volksschul-didaktische Kleinkrieg der Gesellschaft für Physik in diesem Sinne ein Standeskrieg ist, in welchem es ausschliesslich darum geht, das Schulfach "Physik" zu erhalten, weil darin die beste Propaganda für die Gesellschaft der Physik gesehen wird. Es gibt ganz viele "Gesellschaften", die sich um die Schulfächerverteilungen streiten. Ich will damit nicht ausschliessen, dass man Physik auch aus anderen Gründen für wichtig hält, nur weil mir gerade keine andere Gründe für das Schulfach einfallen.

Unter lerntheoretischen sinnvolleren Gesichtspunkten müsste ich eigentlich lernen, was mir in für mich wichtigen Lebenssituationen hilft, in welchen ich mit meinem je aktuellen Wissen oder Können jenseits von Schulprüfungen nicht weiterkomme oder Dissonanz erlebe. Wenn ich meine Schulzeit als Lebenssituation auffasse, also nicht meine, dass ich in der Schule für das Leben jenseits der Schule lerne, dann zeigt sich natürlich mein Bedarf an Physik gerade in den als Lebensbewältigung zu bestehenden Prüfungen. Das Wenige, das ich in der Schule von Physik mitbekommen habe, hat bei mir aber jenseits der Schule viel mehr Dissonanz geschaffen als aufgehoben, weil die Schulphysik viele Wörter relativ zu meinem naturwüchsigen Sprachgefühl ganz sinnwidrig verwendet. Ein typisches Beispiel dafür ist etwa der Ausdruck "Arbeit", mit welchem in der Physik etwas ganz anderes bezeichnet wird als in meiner Sprache. In der Physik "versteht man" unter Arbeit die mechanisch ausgetauschte Energie, während ich den Ausdruck für eine bezahlte Tätigkeit verwende, bei welcher der Energieaustausch keinerlei relevante Rolle spielen muss.

Zurückblickend vermute ich, dass die Sprache der Schulphysik ein wesentlicher Grund dafür war, dass ich mir diese Physik nicht aneignen konnte. Ich hätte im Physikunterricht sozusagen meine Sprache verlernen müssen, um die Sprache der Physik zu lernen. Eine bleibende Dissonanz zu meiner eigenen Sprache konnte ich verhindern, indem ich die Schulphysik nach den Prüfungen rasch wieder vergessen habe. Aber viele Vorstellungen, die ich dieser Physik zurechne, begegnen mir auch jenseits der Schule, beispielsweise in Gesprächen zur sogenannten "Energie"politik. Dabei geht es bei weitem nicht nur darum, dass die Physik die Bedeutung von Wörtern wie "Arbeit" oder "Energie" verdoppelt, sondern noch viel mehr darum, wie die physikalisch gemeinten Ausdrücke konzeptionell besetzt werden. Ich habe auch jenseits meiner Sprache ein Wissen - man mag es tacit nennen - das durch die Physik, wie sie in der Schule gelehrt wird, eigentümlich verdreht wird. Ich weiss, dass Lernen immer auch eine Art von Verlernen beinhaltet. Beim eigentlichen Lernen müsste ich aber mein jeweils hergebrachtes Wissen aufheben können, also nicht einfach nur durch ein anderes Dogma ersetzen. Ich muss aufgrund des je neuen Wissens neu und adäquater verstehen können, was ich vorher gewusst habe.

Ich gebe zwei Beispiele für problematische Vorstellungen zu Wörtern, die in der Physik - unglücklicherweise unglücklich - verwendet werden: Atom und Energie. Das Atom scheint mir quasi aus der Physik zu kommen und im Alltag keine andere Konnotation zu haben als die physikalische, während Energie vermutlich wie Arbeit im Alltag bereits Deutungen hatte, bevor Physiker das Wort in ihrer Sprache aufgenommen haben, weil sie mit dem davor verwendeten Ausdruck Kraft vor gut einhundert Jahren nicht mehr klar gekommen sind.

In meinem nicht weiter reflektierten Wissen gibt es Atome. Ich weiss nicht, wie ich je anders als durch die Schule zu dieser eigentlich seltsamen Vorstellung gekommen wäre. Offenbar haben sich bereits die alten Griechen über kleinste Teilchen Gedanken gemacht, und sie als unteilbare Atome bezeichnet. Was Atome sind, ist zunächst nicht so wichtig, viel wichtiger für die national-gesellschaftliche Reproduktion sind Atombomben und Atomkraftwerke. In der Schule lernte ich dann, dass Atome eben doch teilbar sind, und dass gerade deren Teilbarkeit deren Bedeutung für Bomben und Kraftwerke ausmacht. Ich kann gut damit leben, dass sich die alten Griechen geirrt haben. Viel schwieriger ist für mich, mir ein Teilchen vorzustellen, dass ich nicht zweiteilen kann. Dem entspricht die Schulphysik - die ich doch nicht ganz vergessen kann, weil sie mir als Commonsense alltäglich wirder begegnet - indem sie gar nicht von der Teilbarkeit der Teilchen, sondern von deren Aufbau spricht. Atome haben gemäss dieser für Schüler grob vereinfachten Lehre einen Kern und eine Hülle, was ich mir irgendwie analog zu unserem Sonnensystem vorstellen soll. Der Sonne entspricht der Kern, während die Hülle durch Planeten, die als Elektronen bezeichnet werden, bestehen soll. Dieses Bild hat für mich nicht die geringste Plausibilität. Ich kann in unserem Sonnenplanetensystem schlicht kein Teilchen mit einer Hülle erkennen. Und wenn ich mir eine Hülle ausdenken würde, wozu ich durch die Schulphysik angehalten werde, sähe ich eine elliptisch gequetschte Kugel von der Grösse der Umlaufbahn von Pluto, die in einem fast absoluten Sinn leer ist. Wenn Atome ebenso leer wären, wie sollte ein handfestes Material wie beispielsweise ein Stück Eisen aus solch leeren Gebilden bestehen können? Anschaulich geht das nicht. Die Physik negiert dann mein Anschaulichkeitsbedürfnis total in Form von Energie, die ihrerseits Materie sei, die ich aber eben nicht wie Eisen anfassen könne. Diese Energie hält die praktisch nicht vorhandenen Atomkörper so stark zusammen, dass sie bei aller Luftigkeit eben doch zu einem Stück Eisen werden können. Immerhin haben die Physiker hier mit Materie ein Wort gefunden, das ich jenseits der Physik nicht verwende.

Atome spielen in meinem praktischen Leben keine Rolle, Atomkraftwerke - auch als latente Atombomben - dagegen schon. Ich muss "Energie" bezahlen, die als Ware mittels Atomkraftwerken für mich "produziert" wird und die ich offenbar (ver)brauche. In meiner Schulphysik musste ich zur Kenntnis nehmen, dass Energie weder hergestellt noch verbraucht werden kann. Physikalisch gesehen verbrauche ich also keine Energie, sondern allenfalls etwas, was einem Strom, der beispielsweise aus einem AKW kommt, innewohnt. Aber die Schulphysik kümmert sich auch bei der Energie nicht um meine bildlichen oder begrifflichen Vorstellungen, sondern sagt mir abstrakt, wann ich was gemäss welchen Formeln rechnen muss. Was Energie bedeutet, bleibt auf der Ebene der Schulphysik unaussprechbar. Der erwähnte Karlsruherphysikkurs verspricht, wenigstens das zu ändern. G. Bateson bezeichnet solche Fälle als Erklärungsprinzipien, die die Grenzen dessen bezeichnen, was innerhalb einer Erklärung für klärungsbedürftig gilt. Jeder Fundamentalismus hat ein Fundament, für das es keine Gründe gibt.

Mit vielen Wörtern meiner Alltagssprache bezeichne ich Dinge, die mir in der Physik irgendwie ähnlich auch begegnen. Ich spreche etwa von der Kraft oder der Stärke meiner Pferde, ohne genau definieren zu können, was ich damit meine. Indem ich darüber nachdenke, was ich mit diesen Wörtern bezeichne, betreibe ich zunächst und ohne es zu wissen eine "Physik" auf der Ebene von Aristoteles, also eine Art Philosophie darüber, wie oder durch welche Kategorien ich bestimmte Aspekte der Welt beschreibe und mithin - dia logos - begreife. Anders als der Sklavenhalter Aristoteles spreche ich dabei aber über mich, nicht darüber, was unabhängig von mir der Fall sein soll.

Als Referenzobjekt meiner Sprache erscheint mir nachdenkend - was auch einer Art Philosophie entspringt - mein eigenes Sprechen und wie darin welche meiner Erfahrungen aufgehoben sind. Es gibt beispielsweise Gegenstände, die ich nicht bewegen kann, weil sie zu gross oder zu schwer sind, oder weil ich zu wenig Kraft habe. In diesem Kontext weiss ich natürlich oder vielmehr naturwüchsig, was ich mit gross, schwer und Kraft meine, ohne die geringste Kenntnis von Physik zu haben. Ich spreche in diesem Sinn auch von der Grösse oder dem Gewicht des Gegenstandes, wodurch der einzelne Gegenstand zu einer Instanz eines Objektes mit Grösse und Gewicht wird. Es gibt dann auch kleine, leichte Objekte, die ich beispielsweise über eine bestimmte Distanz werfen kann. So merke ich, dass mir ein Stein als Hammer dient, der seine Wirkung - etwa bei der Jagd - auch in einer gewissen Ferne entfalten kann. Solche Erfahrungen kann ich aus ganz praktischen Gründen zur Sprache bringen, ohne damit irgendeine Physik zu verfolgen. Ich kann aber auch darüber "philosophieren", was ich damit eigentlich zur Sprache bringe oder wie ich meine Worte verwende.

Wenn ich Artefakte herstelle, also wenn ich einem bestimmten Material eine bestimmte Form gebe, damit es mir als Hammer oder als Krug dienen kann, brauche ich nicht nur Kraft, sondern Können und ich muss Grösse und Gewicht nicht nur einschätzen, sondern festlegen. Die Sinnhaftigkeit meiner Tätigkeit wird vielfältiger, weil ich auch antizipiere, wozu ich die Artefakte herstelle. Wenn ich ein Werkzeug herstelle, muss ich mir sogar die Verwendung des Werkzeuges beim Herstellen von etwas anderem vorstellen. Form und Material des Gegenstandes müssen bestimmten Bedingungen genügen. Ich muss mich mit Materialeigenschaften befassen und ich muss mechanische Verhältnisse berücksichtigen. Auch das mache ich ohne jede Physik, aber ich erkenne "natürlich" Gesetzmässigkeiten in der Widerständigkeit der so entdeckten Natur, wo sie sich meinen funktionalen Vorstellungen verweigert. Ich erkenne, dass bestimmte Materialien zu weich sind oder eine zu geringe Festigkeit haben, und ich erkenne, dass ich mit längeren Hebeln mehr Gewicht bewegen kann. Zunächst ist solche Erkenntnis unausgesprochen und von bescheidener Systematik. Aber es sind solche Erfahrungen, die sich in meiner naturwüchsigen Sprache widerspiegeln. Ich beschreibe, was ich mache und was mir dabei begegnet.

Indem ich mir solche Erkenntnis bewusst mache, insbesondere indem ich sie aufschreibe, betreibe ich eine Art Physik, die ich literaturhistorisch mit einer ganzen Reihe konkreter Namen verbinden kann. Einerseits haben schon die antiken Griechen allerlei Gesetzmässigkeiten erkannt, nur hatten jene, die schreiben konnten, selten einen produktiven Bedarf dafür. Erst zunächst spanische Europäer entzifferten arabische Schriften unter dem Gesichtspunkt einer systematischen Produktion, was allerdings lange in Klöstern monopolisiert wurde. Die beiden Bacons, Francis und Roger verkörpern die Ausbreitung von empirisch-experimentellem Wissen in Europa, dessen Bezug zur gesellschaftlichen Produktion aber beide noch entöffentlichten. Erst nach 1500 wurde das Wissen allmählich produktiv und durch die Produktionserfordernisse der Manufaktur vorangetrieben. Wo ich meine eigene praktische Tätigkeit reflektiere, betreibe ich eine Art Physik in diesem empirisch naturphilosophischen Sinn, in welchem materielle Produktionsbedingungen erforscht werden (vergleiche dazu Schäfer, L.: Das Bacon-Projekt).

Meine naturwüchsige Sprache passt ohne weiteres zu dieser noch unentwickelten, impliziten und subjektorientierten "Physik". Ich müsste zusammen mit meiner Sprache mein sozusagen mittelalterliches Bewusstsein aufgeben, mich also im philosophischen Sinn der Aufklärung aufklären lassen, um die Schulphysik aneignen zu können. Das wurde wohl in der Schule so voraus-, aber wenigstens bei mir nicht erfolgreich durchgesetzt. Ich kann mich aber im Nachhinein auch fragen, was ich mir mit einer modernen Physik als Denkweise eingehandelt hätte oder heute einhandeln würde. Meine Sprache scheint mir ja nur relativ zur Schulphysik nicht stimmig. So akzentuiert sich meine Frage, wozu ich die neue oder moderne Physik lernen sollte - und nebenbei, warum die Schule ausgerechnet dieses Anliegen verfolgt.

Auch wenn ich von der heutigen Physik fast nichts verstehe, habe ich mittlerweile über diese Physik doch eine wissenschaftstheoretisch entwickelte Vorstellung, die mir meine Widerstände auch jenseits meiner Sprache begreifbar macht. Als Naturwissenschaft im heutigen Sinne des Wortes sehe ich eine Physik, die mit G. Galilei als Galionsfigur in der sogenannten Aufklärung entstanden ist. Immerhin sagte Kardinal Bellarmino schon damals zu G. Galilei: "Sei vernünftig: Bezeichne deine Ideen als Hypothesen, sonst sind sie Ketzerei". G. Galilei aber hat seine Beobachtungen wenigstens hinter vorgehaltener Hand mit der Wahrheit verwechselt. Und die heutige Schulphysik wird zwar wissenschaftstheoretisch als Hypothese im Sinne von K. Popper propagiert, aber in der Schule - abgekürzt - als Wahrheit erzählt.

Weggelassen - oder an andere Fächer delegiert, wo der Zusammenhang dann auch nicht hergestellt wird - wird in der Schule der gesellschaftliche Hintergrund, vor welchem die moderne Physik entstanden ist. Weggelassen wird, dass die Natur ihre spezifische Widerständigkeit gesellschaftlich primär in der produktiven Tätigkeit zeigt. Quasihistorisch kennzeichne ich die einfachste Produktion von Gebrauchsgegenständen und Werkzeugen, in welcher sich das moderne physikalische Interesse erstmals entfaltet, als Handwerk, das zunächst in der Manufaktur und dann in der Industrie aufgehoben wurde. Die wahre Geschichte der Physik wird - auch in Schule - anders erzählt. Da gibt es kluge Philosophen, die sich sinn- und zweckfrei für die Natur interessieren, weil sie gar nicht wissen, dass andere Menschen, zumal Sklaven, Leibeigene und Proletarier, arbeiten (müssen). [1]

Da mich die Arbeit - vielleicht biographisch begründet - immer viel mehr interessierte als die Natur, von welcher in sogenannten Naturwissenschaften die Rede ist, begriff und begreife ich jede Lehre unter dem Gesichtspunkt meiner - gesellschaftlich aufgehoben - Tätigkeit. Den Anfang der gesellschaftlichen Aufhebung konkreter Tätigkeiten erkenne ich als innerbetriebliche Arbeitsteilung, die sich so weit entwickelt hat, dass bei jeder Produktion die Wahl des Materials und die Wahl der Form von der Handarbeit, also von der praktischen Tätigkeit getrennt wurden. Dabei entstand die Idee einer "Kopfarbeit" im Sinne einer Ingenieurstätigkeit und schliesslich einer Wissenschaft, die in dieser Ideenlehre mit produktiver Tätigkeit gar nichts mehr zu tun hat und gerade deshalb von den "Kopfarbeitern" als Naturlehre bezeichnet wird - ganz jenseits davon, dass ein Teil der Menschen noch arbeiten müssen (vergleiche dazu Todesco, R.: Technische Intelligenz).

Mir geht es hier nicht darum, was in der Schule wie als Physik gelehrt werden sollte. Soweit die Schule der generellen Erziehung dient, ist Physik ein ganz zufälliges Fach, das etwa den Stellenwert von Latein hat. In diesem Sinne spielt es keinerlei Rolle, was in diesem Fach wie unterrichtet wird. Wäre die Schule dem Lernen statt dem erziehenden Belehren verpflichtet, würden die Schüler - also sicher nicht ich - bestimmen, was sie lernen wollen. Ich weiss nur, was mich interessiert hätte und immer noch interessiert - und dass davon in keiner mir bekannten Schule die Rede ist.

Ich habe sehr früh begriffen, dass meine Eltern für mich aufkommen. Ich habe dann auch begriffen, dass sie das bei aller Liebe im Rahmen ihrer Möglichkeiten machten, und dass sie diese Möglichkeiten nicht selbst bestimmten, sondern durch gesellschaftliche Verhältnisse bestimmt waren. Meine Eltern arbeiteten in Fabriken. Sie waren keine Kopfarbeiter. Die Direktoren in diesen Fabriken wussten offenbar, was zu tun ist und wie man reich wird, während meine Eltern das ganz offensichtlich nicht wussten - ja nicht einmal wussten, dass sie es nicht wussten. Mich hätte das Wissen dieser Direktoren sehr interessiert - auch wenn ich keine Ahnung davon hatte und habe, was ich dazu wissen oder lernen müsste. Ich meine nicht, dass ich als Kind oder als Schüler hätte sagen können, was ich lernen sollte. Aber ich hatte ein intuitives Gefühl dafür, welche Belehrungen ich - nach den Klausuren in der Schule - nicht mehr brauchen würde.

Meine Eltern wussten wie bewusst auch immer, dass in der Schule darüber entschieden wird, wer überhaupt je relevantes Wissen bekommt. Ich glaube aber nicht, dass sie mich je in die Schule geschickt hätten, wenn sie dazu gefragt worden wären. In der Schule musste ich dann eben auch Physik auswendig lernen, um potenziell zu weiterem - vielleicht relevantem - Wissen zu kommen. Im Nachhinein weiss ich, dass ich mich schon als Kind für die richtige Sache interessiert hätte, auch wenn ich es nicht hätte sagen können. Die richtige Sache wäre für mich das Wissen, das in der gesellschaftlichen Produktion anfällt. Ein Teil dieses Wissens wäre ein Wissen über Material und Energieträger wie es in der modernen Technik erscheint. Dieses Wissen müsste mich - jenseits von als Naturwissenschaft verbrämter Philosophie - interessieren, wenn ich an der gesellschaftlichen Produktion in einem menschlichen Sinn - also nicht als Lohnarbeiter - beteiligt wäre.

Meine Frage, wozu ich die Grundlagen der modernen Physik kennen sollte, bekommt so einen inversen Sinn. Meine Teilhabe an der gesamtgesellschaftlich durch ausdifferenzierte Arbeitsteilung vermittelten Produktion beinhaltet, dass ich auch die jeweils gesellschaftlich erreichte Technologie in einem hinreichenden Sinn begreifen kann. So wie mich Eigenschaften von Materialien etwa im Hinblick auf deren Tauglichkeit für bestimmte Maschinen interessieren könnten, müssten mich auch die energetische Wirkung und der Wirkungsgrad von Dampfmaschinen interessieren, wie sie beispielsweise vom Ingenieur N. Carnot beschrieben wurden. Auch wenn ich selbst keine Maschinen herstelle, bin ich in einem produktiven Sinn von Maschinen betroffen und auch davon, wie sie be- und angetrieben werden. Als potentieller Galeerensklave interessiert mich vielleicht das energetische Verhältnis zwischen einer Dampfmaschine und meiner Muskelkraft noch nicht, aber auch auf dieser noch nicht entwickelten Tiefe des Lerngegenstandes erkenne ich natürlich, dass es einen Unterschied macht, ob ich das Schiff selbst oder ich mittels einer Maschine bewege.

Wenn ich über den Antrieb von Maschinen nachdenke, komme ich auch jenseits jeder Physik rasch zur Erkenntnis, dass verschiedene Motoren einander ersetzen können, also in einer gewissen sehr wichtigen Hinsicht gleich sind. Ich merke, dass das Wasser eines Baches wie der Ochse eines Göpels eine Mühle antreibt, und dass dazu beim Ochsen sowohl Kraft als auch Ausdauer nötig sind. In solchen Erkenntnissen entwickle ich meinen Lerngegenstand. Dabei interessiert mich zunächst gerade nicht, was Energie sein könnte, und auch nicht, welche Maschinen für wieviel Geld wie gut betrieben werden können. Eine Dampfmaschine kostet - unter bestimmten Umständen - weniger als hundert Sklaven. Aber deshalb käme ich nie - wie die Physiker - auf die Idee, dass eine Maschine "arbeitet". Gerade im Gegenteil scheint mir diese Idee pervers, nur durch eine Aussensicht begründet, in welcher Sklaven und Maschinen gleichgesetzt werden. Ich selbst erkenne ohne Probleme, dass ich mittels einer Maschine meine Arbeit anders verrichten kann, als wenn ich keine entsprechende Maschine habe, dass aber in beiden Fällen ich es bin, der arbeitet.

Wenn ich - jetzt wieder in meiner Sprache und in meinem gesellschaftlich vermittelten Interesse - verschiedene Arten des Antriebes von allerlei nützlichem Gerät bewusst vergleiche, brauche ich ein bewusst gewähltes Mass. G. Galilei sagte am Anfang seiner noch naturwüchsigen Physik, man müsse alles, was messbar sei messen, und was nicht messbar sei, messbar machen. Aber damit sagt er, dass lange vor jeder Physik allerlei gemessen wurde und dass dazu Masse verwendet wurden. Wenn ich zwei Mengen Gerste oder Milch vergleichen will, brauche ich ein "gemasstes" Gefäss, etwa einen Krug bestimmter Grösse. Im Tauschverhältnis mit anderen Menschen muss ich über diese Grösse Vereinbarungen treffen, beispielsweise ein Ur-Krug festlegen, der beispielsweise einen Liter beinhaltet. Und G. Galilei wusste natürlich, dass es verschiedene Messverfahren gibt. Nicht erfinden musste er, wie beispielsweise ein Liter Gerste und ein Liter Milch ins Verhältnis gesetzt wird, weil er dafür bereits das Mass "Denare" kannte.

Wenn ich mich für verschiedene Arten des Antriebes interessiere, helfen mir Liter und Denare nur sehr bedingt, das heisst, ich muss meinem Interesse ein spezifisches Messverfahren zuordnen, womit ich dann auch festlege, was genau ich vergleiche. Für "Antrieb" wie auch immer gibt es kein Gefäss.

Ich will nochmals exemplarisch verdeutlichen, dass mein Interesse am Messen keinerlei philosophisches Interesse für die sogenannte Natur überhaupt voraussetzt. Ich stelle mir vielmehr vor, dass ich in einer kleinen Manufaktur allerlei Geräte wie Mühlsteine, Blasbälge oder Webstühle antreiben muss. Dazu brauche ich "Antrieb" in einer bestimmten Menge. Diese Menge setze ich in eine konstruierte Beziehung zu einem Wasserrad, das von einem Bach angetrieben wird oder eben zu einem Göpel, der von Ochsen oder Sklaven in Bewegung gehalten wird. Die Grösse und das Material des Wasserrades und die Menge und die Fliessgeschwindigkeit des Wassers im Bach spielen eine entscheidende Rolle. Wie ich aber diese Art Antrieb messen oder messbar machen soll, wusste auch der berühmte G. Galilei noch nicht, aber er erkannte den Bedarf, den viele kannten. Und wie wohl jeder andere Mensch hatte er ganz jenseits seiner Physik ein gutes Gefühle für "Kräfte", die in einem Antrieb wirken.

Die Physik hat wohl auch Antworten lebenspraktischen Fragen. Nur habe ich in der Schule nie auch nur im Ansatz erkennen können, welche meiner eigenen, mein materielles Leben betreffenden Fragen damit beantwortet wurden. Jetzt erscheint mir die Schulphysik als ein didaktische ausgeklügelte Lösung zu einem Dilemma, das darin besteht, den Schülern ein abstraktes Wissen beizubringen, das die materiellen gesellschaftlichen Verhältnisse, also die je eigenen Fragen gerade ausblendet. Die Schule als Institution muss generell die Aufgabe lösen, die Schüler in "gerechter" Weise unterschiedlichen - quasi naturgegebenen - Lebenschancen zuzuweisen. Es hat an den Hochschulen naturgemäss nicht Platz für alle Schüler. Im Hinblick auf diese Funktion der Schule muss die Physik wie jedes andere Schulfach Prüfungsstoff liefern, der in einer vorgegebenen Verteilung von Schulnoten bewertbar ist. Da auch die Hochschule eine Schule ist, begreife ich sie unter derselben Perspektive wie die Schule insgesamt. Das Studium kann deshalb nicht aufdecken, was zuvor verdeckt wurde. So muss sich die Physik auch auf diesem Niveau quasi treu bleiben, auch weil sie mitbestimmt, was an der Volksschule gelehrt werden soll.

Die Schule, die ich erlebt habe, beruht nicht auf Fragen von Schülern, sondern auf rhetorischen Fragen von Lehrern, die die richtigen Antworten schon kennen. Natürlich wiederholt sich dasselbe Dilemma auf jeder Schulstufe (vergleiche dazu die grundlegenden Untersuchungen in Holzkamp, K.: Lernen). Lernen besteht in dieser Hinsicht in Anlehnung an N. Luhmann darin, den Schulstoff als Lösung zu begreifen, wofür das Problem zu finden ist. In gewisser Weise verstehe ich jetzt, warum ich mir die Schulphysik nicht aneignen konnte, aber das beantwortet meine Fragen zur Physik natürlich nicht. Immerhin gewinne ich auf diesem Weg Hinweise dafür, welche Art von Physik für mich plausibel sein könnte, so dass ich Teile der Schulphysik in einem neuen Kontext rekonstruieren kann.

Ich beschreibe hier also zunächst keine Lehre, sondern weshalb mir die Lehre der klassischen Physik fremd geblieben ist. Ich rekonstruiere dazu, wo ich ihr wie zuerst begegnet bin. In der Schule habe ich intuitiv gemerkt, dass ich diese Physik nie brauchen werde, weil sie mit meinem Leben nichts zu tun hat. Bereits damals habe ich erkannt, dass sie mein naturwüchsiges Sprachgefühl verletzt. Ich habe deshalb die Physik als Ganzes verworfen, also nur wie eine Dressur auswendig gelernt und sofort wieder vergessen. Erst viel später habe ich angefangen, diese Physik als Lehre und deren politischen Gehalt zu reflektieren. Und darüber schreibe ich hier. Nach der Schule habe ich gelernt auf die Kategorien zu achten. So kann ich jetzt nicht nur intuitiv verstehen, weshalb die Physik nicht nur mein Sprachgefühl verletzt.

Die Reformpädagogik von M. Wagenschein schlägt vor, die Geschichte der jeweiligen Wissenschaft unter der Annahme zu rekonstruieren, dass sich - im Prinzip - in den aufgereihten Fragen eines jeden Schülers die Geschichte des Faches wiederholt, weil der Schüler in seiner Ontogenese die Phylogenese des Faches wiederholt. Diese quasi-haeckelsche Annahme scheint mir zwar in vielen Hinsichten problematisch, aber als individueller Aneignungsweg nicht ganz abwegig. In meinem Fall - der nicht wie von den Reformpädagogen vorgesehen, von einem Schullehrer angeleitet ist - beginnt das Problem damit, dass ich bereits am Anfang ja ganz andere Fragen stelle, als es die historischen Helden der Schulphysik offenbar getan haben. Es kann aber gut sein, dass diese Einschätzung damit zusammenhängt, dass ich auch von der Geschichte der Physik praktisch keine Ahnung habe. Sie ist in meinem Physikunterricht nicht vorgekommen. Und im Schulfach Geschichte kam die Physik nicht vor.

Ich will dazu zwei oft zitierte aber für meinen Bedarf abwegige Beispiele geben. Zunächst der physikpädagogisch exemplarische Fall des Horror vacui. Wenn Kinder oder kindische Erwachsene mit Wassergefässen verschiedener Art rumspielen, können sie Horror vacui, der dafür steht, dass die Natur jedes Vakuum zu vermeiden suche, selbst entdecken, und damit ein Stück Physik-Geschichte reproduzieren. Sie können dann bei gegebener Anleitung auch rekonstruieren, wie diese Vorstellung einer Angst der Natur überwunden wurde. Die Frage ist allerdings, warum ich ausgerechnet mit solchen Gefässen rumspielen sollte, wenn ich meine Lebensumstände begreifen will. Das andere Beispiel ist noch skurriler. Die Lehre der Elektrizität wird in vielen der mir bekannten Schulen so erzählt, dass am Anfang jemand entdeckt habe, dass wenn man mit einem Katzenfell einen Bernsteinstab reibe, ein eigentümliches Resultat erscheine. Beispielsweise können dabei einem die Haare zu Berge stehen, was die Damen in den mesmerischen Salons in Paris offenbar sehr entzückt habe. Gottes Wege sind in der Tat unergründlich, aber warum sollte ich je mit einem Katzenfell einen Bernsteinstab reiben? Und warum sollte ich dieses für mich ganz sinnlose Verhalten als Ausgangspunkt meines Lernens annehmen? - Wenn ich nicht schon, wie meine Belehrer vorab wüsste, wozu das gut sein soll?

Beide Beispiele beruhen auf einer didaktisch rückwärtsgedachten Schulphysik, für die irgendwelche Anfänge für Anfänger erfunden oder in komischen Geschichten gefunden werden müssen. Sie sind damit auch in einer spezifischen Hinsicht exemplarisch. Sie verorten das Interesse für physikalische Verhältnisse in einem philosophischen Interesse für naturgegebene Phänomene, die jenseits meiner lebensunterhaltenden Praxis stehen. Sie sind Ausdruck der Differenz zwischen Erziehung und Sozialisation, worin ich der Sozialisation das zurechne, was ich ohne Zutun von Erziehung ohnehin aneigne, während die Erziehung mir jene Erfahrungen verschafft, die mir das Leben zum grössten Teil vorenthalten würde.

Ich beobachte beispielsweise ohne Not und Erziehung, dass das Wasser vom Himmel fällt und auf der Erde immer abwärts fliesst. Ich sehe auch, dass die Äpfel von den Bäumen fallen, auch wenn kein Newton unter den Bäumen liegt. Ich kann aber nicht erkennen, weshalb ich solche Selbstverständlichkeiten irgendwie erklären sollte. Ich sehe keinen Bedarf nach Erklärungen, aber ich sehe auch, dass keine mir bekannte Physik dafür eine Erklärung gefunden hätte. Massenanziehung oder Gravitation sind einfach andere Wörter, die im Wesentlichen Verallgemeinerungen bezeichnen, die ich auch ohnehin schon gemacht habe, wenn ich mehrere verschiedene Gegenstände habe fallen sehen.

Im Nachhinein staune ich mehr darüber, warum sich G. Galilei je dafür interessiert hat, wie lange es dauert, bis ein Apfel auf dem Boden unter dem Turm von Pisa aufschlägt, und welche Messverfahren er für solche Fragen entwickelt hat. Aber das wurde mir im Physikunterricht nie erläutert. Solche Frage werden an andere Disziplinen delegiert.

Etwas, was mich interessiert und schon in der Schule interessiert hätte, ist beispielsweise - wie schon erwähnt - der Antrieb durch einen Motor. Dabei habe ich ein doppeltes Interesse. Ich bin interessiert daran, Motoren zu haben und ich bin interessiert daran, die Funktionsweise von Motoren zu verstehen, weil ich sie als Artefakte begreife, die ich in Erklärungen verwenden kann. Historisch früh auftretende und konstruktiv einfache Motoren sind das Wasserrad und der Göpel. Und in beiden Fällen ist die Funktionsweise selbstverständlich, nachdem diese Motoren erfunden sind. Ich kann - ohne jede Physik - sehen, wie sie funktionieren. Ich kann aber insbesondere auch sehen, dass es sich nicht um natürliche Sachen handelt, sondern um hergestellte Gegenstände, die auf nicht Hergestelltem beruhen, das ich in mein Verständnis einbeziehen muss. In diesem Sinne interessiert mich nicht die vermeintliche Natur, sondern wie sich Artefakte unter welchen Bedingungen verhalten.

Eine mich interessierende Differenz zwischen Göpel und Wasserrad besteht darin, dass der Göpel von einem Lebewesen angetrieben wird, also potentiell statt von einem Ochsen auch von mir angetrieben werden könnte. Diese Differenz wiederholt sich quasi darin, dass ich lieber Motorrad als Fahrrad fahre. Wenn ich mich selbst als "Antrieb" begreife, denke ich eher an Werkzeuge als an Maschinen. Hier aber geht es mir darum, dass ich von aussen ohne weiteres als Teil eines Motors gesehen werden kann. Unter physikalischen Gesichtspunkten bin ich oder genereller ist ein "starker" Mensch komplizierter zu begreifen als ein Wasserradmotor. Das bedeutet aber, dass meine Physik gerade nicht mit einem ganz einfachen Phänomen beginnt, sondern mit einem komplizierten Verhältnis von hoher Relevanz. Die Schulphysik hat ziemlich lange gebraucht, bis sie mit der "Stärke" etwas anfangen konnte, auch wenn ich die Motoren"stärke" heute noch in Pferdestärken angebe - allerdings ohne dabei an Pferde zu denken.

Mein vager Begriff von Stärke eines Lebewesens hat diffus etwas mit Kraft, Ausdauer und Leistungsvermögen zu tun. Es gibt Arbeiten, die nur von einem starken Menschen ausgeführt werden können, weil dabei grosse Gewichte über längere Zeit umgelagert werden müssen. Eine vielleicht adäquatere Formulierung wäre, dass bestimmte Arbeiten starken Menschen leichter fallen, als nicht so starken. Das erkenne ich auch ohne nachzudenken. Und soweit ich sehe, hat vor 1800 kein philosophischer Naturphysiker je darüber nachgedacht. Das physikalische Nach(her)denken setzte erst ein, als wirkliche Motoren analysiert wurden. T. Young und N. Carnot haben dabei einen Energiebegriff eingeführt, während davor von Kraft im Sinne von Stärke gesprochen wurde, weil die Unterscheidung zwischen Kraft und Energie - in der Physik - noch nicht erfunden war.

In der naturwissenschaftlichen Schulphysik wird diese Geschichte auf den Kopf gestellt, etwa wo von einem natürlichen Wasserfall die Rede ist und das Wasserrad, das durch den Wasserfall angetrieben wird, ausgeblendet wird. Ich habe nie verstanden, warum ich mich für die Kraft eines Wasserfalles kümmern sollte, wenn ich kein Wasserrad habe. Und wenn ich ein Wasserrad habe, interessiert mich natürlich dessen "Kraft", nicht jene des Flusses, in welchem es steht.

Ich will noch eine Anmerkung zum eingangs erwähnten Physikerstreit zwischen der Physikgesellschaft und den Vertretern des Karlsruher Physikkurs machen. Die wesentliche Differenz zwischen den darin diskutierten pädagogischen Ansätzen sehe ich darin, dass der Karlsruher Physikkurs mit einer - wie auch immer entöffentlichten - Analyse des Antriebs beginnt und die dabei entwickelten Begriffe auf das ganze Gebiet der Physik anwendet, während der vorgängige Physikunterricht sich zuerst mit einfachen Hebeln beschäftigt. Entscheidend scheint mir dabei nicht, dass vom Karlsruher Physikkurs eine einheitliche Form für die ganze Physik und deren Modellierungen gefunden wurde, sondern dass der Gegenstand des Faches sinnvoller gewählt wurde. Dass der Karlsruher Physikkurs seine Qualität in abstrakter System Dynamics zu Naturphänomenen aufhebt, zeigt, dass die Physik auch dort immer noch philosophisch - und mithin schulgerecht - verstanden und dargestellt wird. Auch der Karlsruher Physikkurs vernachlässigt seinen Anfang in der Technik, indem er sich nur mit quantitativen Verhältnissen, die sich in mathematischen Formeln ausdrücken lassen, befasst. Die dabei gegenüber dem konventionellen Ansatz entstehenden Sprachprobleme werden nicht als Anlass zur bewussten Reflexion des eigenen Ansatzes genommen, sondern als Fehler der konventionellen Notation ignoriert.

In meiner bisherigen Darstellung erscheinen die Probleme, die ich mit der Physik habe, als Sprachprobleme, weil ich sie in der Schule zunächst so erlebt habe. Es sind aber nicht Probleme, die sich durch eine geschicktere Wortwahl beheben lassen. Die jeweilige Sprache verweist auf Konzepte, die der Verwendung der Begriffe zu Grunde liegen. Es geht also nicht darum eine Buchstabenkette durch eine andere zu ersetzen. Die Physiker verwenden in den Formeln kurze Wörter, sie schreiben etwa W anstelle von Arbeit. Sie verwenden dabei die beiden Wörter synonym, das heisst, beide Wörter bedeuten dasselbe.

Um einen Begriff zu verstehen, also um ihn sinnvoll zu verwenden, muss ich seine Bedeutung kennen, also wissen, wie ich ihn deute. Dieses Wissen zeigt sich in einer Explikation, also darin, dass ich den Begriff durch eine Definition ersetzen kann, in welcher ich Unterscheidung angebe, die ich mit dem Begriff bezeichne.

Die Beobachtung meiner Begriffe bezeichne ich als Theorie. Mit einer Theorie beschreibe ich die Anschauung (theorein), nicht das Angeschaute. Theorie erläutert die verwendeten Unterscheidungen als Kategorien. Klassifikationen beruhen auf Kategorien. Dabei ist entscheidend, in welcher Reihenfolge die Kategorien in Betracht gezogen werden. Wenn ich beispielsweise als erstes die Kategorie Vierbeiner verwende, ergibt sich eine Klasse, in welcher Tische und Hunde vorkommen, und eine Unterklasse, in welcher dann allenfalls nur noch Lebewesen sind.

Eine mögliche Frage nach der primären Kategorie einer Lehre besteht darin zu fragen, womit sie sich befasst. Man kann umgangssprachlich sagen, dass die Physiker nach Gesetzmässigkeiten in der Natur suchen. Aber das ist in vielen Hinsichten unspezifisch, jeder Bauer tut das auch. Der Ausdruck Natur wird von den Physikern nicht wie von den meisten Bauern umgangssprachlich verwendet, sondern bezeichnet eine Menge von Atomen und deren Wechselwirkungen, die sich den Physikern in Kraftfeldern zeigen. In der klassischen Physik spielt der Beobachter keine Rolle, auch wenn in der modernen Physik die Atome und deren Beschreibbarkeit in vielen Hinsichten problematisch geworden sind. In vielen Formulierungen der Physik kommen die Atome nicht oder nur als Träger von Masse vor. Gleichwohl erkenne ich als Gegenstand der Physik das Verhalten von atomaren Gefügen in Kraftfeldern, die durch diese Gefüge getragen werden. Prototypisch ist etwa der Apfel von I. Newton, dessen Gravitationsfeld im Gravitationsfeld der Erde liegt.

Als primäre Kategorie der klassischen Physik erkenne ich den Bewegungszustand von Massen. Wichtig ist mir hier, dass es - durch die Wahl dieser primären Kategorige - keine Rolle spielt, ob die beobachtete Masse von einem Menschen bewegt wird, der damit ein Ziel verfolgt. Der Mensch kommt in der Physik nur als allenfalls bewegte Masse in Betracht.

Was mir zunächst als sprachliches Problem mit physikalischen Begriffen wie Arbeit erschienen ist, zeigte sich mir später als sprachliches Problem, bei welchem nicht mehr die Ausdrücke problematisch sind, sondern die verwendeten Kategorien. Wenn ich die physikalisch gemeinte Natur beobachte, beobachte ich anders oder etwas anderes, als wenn ich Tätigkeiten, also was Menschen tun, beobachte.

G. Galilei verlangte in seiner noch naturwüchsigen Physik, man solle alles messen und messbar machen. Beides bezeichnet Tätigkeiten. Aber G. Galilei war mehr an den Resultaten als an den Tätigkeit interessiert. Er beobachtete eigentlich das, was er Natur nannte, nicht sein Messen, bei welchem er Artefakte verwendet hat. Im Physikunterricht, den ich "genossen" habe, war auch nur von seinen Resultaten die Rede, die I. Newton aufgehoben hat. Das Messen soll in dieser Physik nur zeigen, dass die in Hypothesen unterstellten Zusammenhänge richtig sind, oder wie K. Popper später präzisierte, nicht falsifiziert werden. Die Physik als Lehre postuliert in dieser Auffassung eine phänomenologische Beschreibung der Welt, die nicht auf Messungen, sondern auf philosophischen Einsichten beruht, die durch Messungen nur bestätigt oder wenigstens widerlegt werden können. Dass die Welt aus Atomen besteht, kann ja nicht gut als Resultat einer Messung verstanden werden. Das hat sich ein Philosoph ausgedacht. Und dass anfassbare Gegenstände ein Gewicht haben, ist auch ohne Messung und ohne Philosophie erkennbar.

Das sprachliche Problem kommt in meiner Kritik der Physik auf eine neue Weise zurück. Weshalb spreche ich von meiner Physik, wenn ich weiss, dass andere Menschen das Wort Physik ganz anders verwenden? Diese Frage - die jede Begriffskritik betrifft - will ich aufheben. Ich kritisiere die Sprache der klassischen Physiker nicht damit, dass sie Wörter wie Arbeit neu besetzen, sondern damit, dass sie ihre Kategorien nicht reflektieren. Ich bezeichne meine Physik als Physik, weil ich darin wichtige Aspekte der klassischen Physik aufgehoben sehe und insbesondere, weil ich auch die "Physik" von G. Galilei als historischen Ausgangspunkt für die Unterscheidung von Philosophie und Naturwissenschaft verwende. Dieselbe Unterscheidung verwende ich auch auf der nicht markierten Seiten meiner Technologie.

Anhand des Messens unterscheide ich Philosophie und Naturwissenschaft. Als Wissenschaft bezeichne ich Aussagen, die durch Messungen bewiesen werden. In der rohen Auffassung von K. Popper spielt für die Wissenschaft keine Rolle, was gesagt wird, sondern nur, dass es in Form von falsifizierbaren Hypothesen gesagt wird. Ich will hier nicht näher darauf eingehen, nur anmerken, dass die sogenannten Sozialwissenschaften, die nichts zu messen haben, die Statistik eingeführt haben, durch die das Zählen als Messen erscheint. Danach haben die sogenannten Naturwissenschaften auch angefangen, mit Wahrscheinlichkeiten zu argumentieren. [2]

I. Newton schliesslich hat die abstrakte Natur vollends auf den Punkt gebracht, indem er die Physik von G. Galilei und J. Keppler in mathematischen Beschreibungen aufgehoben hat. Viele, auch viele Physiker, sehen ihn als Begründer der klassischen Physik, weil er mit einer Notation Kraft als etwas definierte, was man in Formeln fassen und berechnen kann - auch wenn solche Kraft im Alltag, wenn man nicht gerade den berühmten Apfel in Pisa fallen lässt, kaum je erfahrbar ist und zum Verständnis von alltäglichen Phänomenen praktisch nichts beiträgt. Bei I. Newton ist das Messen ganz verschwunden, es geht nur noch um Resultate - eigentlich um Resultate, die man berechnen kann. Seine Physik erscheint als gottgegebene Gesetzmässigkeit, die zu seiner Mathematik passt, den Formeln eine materielle Interpretation gibt, die die reine Mathematik ja nicht hat.

In (m)einer Physik beobachte ich nicht, wie K. Popper G. Galilei unterstellt, irgendwelche bewegte Massen, sondern solche, deren Bewegungen mich begründet interessieren. Ich beschreibe wie G. Galilei, was ich weshalb wie messe, so dass jeder mein Messen nachvollziehen kann. Aber mich interessiert nicht eine abstrakte Natur, und auch nicht, was überhaupt gemessen werden könnte, sondern was beim Messen weshalb mache. Meine primäre Kategorie ist die Tätigkeit. Ich beobachte das Messen, nicht die Resultate. Ich beobachte die beim Messen gemachten Unterscheidungen.

Als Messen bezeichne ich eine Vergleichs-Operation mit einem konventionell gewählten Messgerät. Wenn ich kein Messgerät zur Hand habe, kann ich auch schätzen, wobei ich mir ein Messgerät vorstelle. Ich kann bestimmte Messgeräte auch durch allerlei naturwüchsige Gegenstände wie Fuss oder Elle vorwegnehmen, oder Schritte zählen. Wenn ich Reis für zwei Personen kochen will, weiss ich aus Erfahrung, dass ich eine Tasse voll Reis verwenden muss.

Verschiedene Messverfahren beruhen auf verschiedenen Messgeräten und damit verbunden auf verschiedene Grössenarten. Ich kann etwa eine Fahnenstange messen, indem ich sie mit dem Ur-Meter vergleiche und dabei ein Längenverhältnis von beispielsweise 5,4 feststelle, oder indem ich sie mit dem Ur-Kilogramm vergleiche, und dabei ein Verhältnis von 7,3334 feststelle. Länge messe ich durch "nebeneinanderlegen", Gewicht messe ich durch "auf die Wage legen". Jede Messoperation ergibt ein Datum mit einer Quantität und einer Qualität, also ein Resultat mit einer Anzahl und einer Masseinheit.

Wenn ich etwas messe, weiss ich, wozu. Ich unterscheide zwei verschiedene Gründe, etwas zu messen. Messen hat zunächst einen unmittelbaren Sinn. Im einfachsten Fall will ich beispielsweise wissen, wie lang etwas ist, wofür es es viele praktische Gründe gibt. Ich will beispielsweise wissen, ob ein bestimmtes Gestell an eine Wand in meinem Wohnzimmer passt.

In (m)einer Physik hat das Messen aber einen mittelbaren Sinn. Ich messe also nicht, weil mich ein Ausmass interessiert, sondern weil mich interessiert, ob oder unter welchen Bedingungen sich ein Ausmass gemäss einer Hypothese verhält. Ich bezeichne solche Messungen als eigentliche Experimente. Als Experiment bezeichne ich die Anwendung einer Methode, mit welcher ich prüfe, ob oder inwiefern meine Erwartung richtig ist. Bei einem Test prüfe ich, ob bestimmte Annahmen unter gegebenen Bedingungen zutreffen. Oft werden Handlungen als Experiment aufgefasst, die der einfachen Erkundung dienen. Wenn ich wissen will, wie warm die Kochherdplatte ist, mache ich weder einen Versuch noch ein Experiment, wenn ich sie mit der Hand berühre. Dann mache ich eine implizite Messung.

G. Galilei hat das Messen in einem Experiment zu einer Hypothese aufgehoben. Entscheidend für seine Wissenschaft ist nicht das Experiment, sondern die Hypothese, die er verifizieren will. Seine Hypothese wird umgangssprachlich als Theorie bezeichnet, womit ausgedrückt wird, dass es sich um eine Aussage handelt, die nicht direkt prüfbar ist. G. Galilei hat eine Aussage über Körper im Vakuum gemacht, aber er konnte kein Vakuum herstellen. Mit seinen Messverfahren hat er bewiesen, dass seine "Theorie" richtig ist. Die Physik, die heute im CERN betrieben wird, folgt immer noch diesem Muster.

Im konventionellen Physikunterricht wird die Hypothesen weggelassen, weil die Wahrheit der Lehre bereits bekannt ist. Anstelle des Experimentes tritt die Demonstration, die eben zeigt was der Fall ist - wenn das vermeintliche Experiment nicht zur Freude der Schüler misslingt und der Physiklehrer danach einen schwarzen Kopf hat.

Ich rekonstruiere eine logisch-genetische Geschichte der Physik. Dabei geht es nicht darum, welche Resultate wann von wem gefunden wurden, sondern darum, wie sich das Messen entwickelt hat und insbesondere, was dabei weshalb wie gemessen wird. Mich interessiert dabei nicht die "Arbeit" der Natur, sondern jene von Menschen. Das Messen, das der Verifikation von Hypothesen dient, setzt Hypothesen voraus. Da ich nicht wie K. Popper annehme, dass diese Hypothesen vom Himmel fallen, beobachte ich, wie sich die Hypothesen anhand von Modellen entwickeln.

Ich will aber auch an dieser Stelle zunächst wieder beobachten, wie die Physiker über das Messen sprechen. Als Meter bezeichne ich eine bestimmte Quantität von Abstand oder Distanz. Was ich als Meter bezeichne, ist mir durch die Konvention in Form des Urmeters gegeben. In diesem Sinn sehe ich den Meter als Einheit, die ich beim Messen von Länge verwende. In der Schulphysik wird die Länge seltsamerweise als "Grösse" bezeichnet, was meinem Sprachgefühl - wie bei anderen physikalischen Bezeichnungen - zuwiderläuft. Zwar habe ich mit den Ausdrücken "Meter" und "Länge" keine erkennbaren Komplikationen, aber so, wie sie in der Physik eingeführt werden, ergibt sich für mich ein kategorielles Problem, das zunächst wieder als Sprachproblem erscheint - das sich dann in sogenannten Energiediskussionen zur reinen Konfusion entwickelt.

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In meiner Sprache verstehe ich den Ausdruck "Grösse" als Ableitung von gross oder von Grosssein. Wenn ich sage, dass ich gross bin oder dass etwas gross ist, bezeichne ich damit kein Ausmass, sondern eine Relation zwischen zwei Längen. Als Grösse bezeichne ich eine Hypostasierung eines Vergleichs, in welchem ich die gemessenen Werte einer Eigenschaft, die ich zwei verschiedenen Entitäten zuschreibe, vergleiche. Wenn ich zwei Gegenstände, die sonst gleich sind, nebeneinanderlege, kann ich sehen, welcher der grössere ist. Die Eigenschaft, die ich dabei vergleiche, bezeichne ich als Grösse. -- Ein adäquaterer Ausdruck als Einheiten für Grössen wäre Einheiten von Messverfahren (oder Messoperationen), oder expliziter Einheiten von physikalischen Messverfahren. -- Das würde mit einer operativen Sicht korrespondieren, in welcher das Messen als die zugrundeliegende Tätigkeit gesehen wird.

An einer Verdinglichung von Resultaten von Messverfahren wird auch im Englischen festgehalten, wo oft von "quantities" gesprochen wird, wo im Deutschen von Grössen die Rede ist. Quantität leite ich wenigstens nicht von einem Adjektiv ab. Ich sage nie, ich sei quantitativ. Ich will also nicht für den Ausdruck "Quantität" plädieren, aber immerhin kann - wenn auch etwas verschroben - von der Grösse einer Quantität sprechen, wobei "Grösse" dann eben nicht für Quantität steht, sondern für einen quantitative Variable. Länge ist in diesem verdinglichten Sinn eine Quantität von Abstand oder Distanz, Gewicht eine Quantität von Masse bei gegebener Gravitation, usw. Ich spreche dann beispielsweise von einer grossen Distanz oder von einem grossen Gewicht. Wichtig sind auch hier nicht die Wörter, sondern das damit verbundene Verständnis. Ich sage deshalb anstelle von Grösse Grössenart oder aber wenigstens explizit von "physikalischer Grösse".

Eine bestimmte physikalische Grössenart wird in der Schulphysik als Länge bezeichnet. Die Länge - wenn sie in Metern gemessen wird - ordne ich dem gemessenen Gegenstand zu. Eine Fahnenstange hat die Länge von beispielsweise sieben Metern, weil ich messend sieben Meterstäbe neben sie legen kann. Diese Länge steht also für das, was ich in Metern messe. Ich spreche aber auch von der Länge einer Theateraufführung, die ich in Sunden messe. In diesem Sinn ist - in der Terminologie der Physik - nicht nur die Bezeichnung "Grösse" unglücklich gewählt, sondern auch die Bezeichnung "Länge", weil beide Bezeichnungen umgangssprachlich komplizierter verwendet werden. Ich muss also - innerhalb der Physik - auch hier von Längenart sprechen.

Als Länge bezeichne ich in meiner Physik jenseits von Grösse und Quantität - verkürzt - das, was ich in der Messeinheit "Meter" messe. Diese sprachliche Verkürzung - die im Alltag kaum je ein Problem verursacht - funktioniert normalerweise auch in der Schulphysik, soweit diese umgangssprachlich verstanden werden kann. Normalerweise zeigt der Kontext, von welcher Längenart die Rede ist. Etwas subtiler ist dagegen, dass wenn ein Gegenstand länger wird, sich seine "Länge" verändert, aber natürlich nicht das, was ich als Länge bezeichne.

Hierzu will ich eine didaktische Anmerkung machen. Man mag einwenden, dass das alles mehr mit Sprache als mit Physik zu tun habe. In den Schulen, die ich besucht habe, war Sprachunterricht ein eigenes Fach, in welchem die Sprache der Physik nie Thema war. Im Physikunterricht wurde dann sinnigerweise unterstellt, dass ich der Sprache mächtig sei, also insbesondere auch merken müsste, dass da die Wörter ganz anders verwendet werden. Ich neige aber auch im Nachhinein dazu, nur eine Sprache zu sprechen, und mir diese Sprache bewusst zu machen.

Ich unterscheide Grössenarten in einem operativen Sinn, indem ich verschiedene Arten des Messens unterscheide. Ich mache mir meine Sprache bewusst, indem ich meine eigene Tätigkeit als Referenzobjekt beobachte. N. Wiener, der mit seiner Kybernetik das Engineering anstelle der Wissenschaft gestellt hatte, sagte, dass er nicht danach frage, was "es" sei, sondern danach, wie "es" funktioniere. Ich frage in diesem Sinne wie "es" gemacht wird, also in Bezug auf die Physik, wie ich was messe.

=========== ================== Jede Messoperation unterliegt einer bestimmten Auflösung. Zwei in Bezug auf die Auflössung verschiedene Messungen am gleichen Objekt ergeben relative Makro- und Mikrozustände des Objektes. Ich unterscheide messen und zählen. Ich kann genau drei Tomaten haben. Aber ich kann nie genau drei Liter Wasser haben.

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Fussnoten

1) G. Ropohl erzählt, wie sich die Sache in Bezug auf Technik verdoppelt, wo auch von zweckfreien Erfindungen gesprochen wird. (zurück).

2)Die Formulierung von G. Galilei lässt offen, warum oder wozu etwas gemessen werden sollte. K. Popper hat daraus gefolgert, dass es keine Rolle spielt. G. Ropohl erläutert ausführlich wie sinnlos der Ansatz von K. Popper ist - allerdings denkt G. Ropohl dabei an Technik, nicht an "reine" Wissenschaft. (zurück).