Erzählungen handeln von bestimmten Personen in bestimmten Situationen. Sehr oft trifft die handelnde Person weitere Personen, die die Handlung beeinflussen und mitgestalten. Der Focus einer Erzählung bleibt aber auf einer einzelnen Person, die eine relativ abgegrenzte, eben erzählbare Erfahrungung macht. Die Verwandlung von F. Kafka etwa beschreibt wie sich Gregor Samsa in einen Käfer verwandelt. Ein Roman besteht aus mehreren sich überschneidenen Erzählungen. Einige Personen in einem Roman haben ein eigenes Schicksal, sie sind nicht nur Staffage einer Hauptfigur. Die Personen eines Romans sind reicher, weil sie in einer bevölkerten Welt leben. Während W. Goethe's junger Werther etwa seine Lotte ganz leidenschaftlich liebt, liebt eben diese Charlotten ihren gutbürgerlichen Alberten ganz ohne Leidenschaft, aber sehr viel aussichtsreicher auf ein gutes Ende. Die Lotte ist überschneidender Teil von zwei Erzählungen, die einander nicht brauchten, aber je alleine natürlich viel weniger darüber sagen, wie speziell das jeweils erzählte Schicksal ist.
Eine Kommunikationstheorie kann in diesem Sinne jenseits von anderen Theorien erzählt werden. Sie kann aber auch als Teil eines Welttheaters aufgeführt werden, in welchem sie eine beliebige Rolle spielt und so auch als Milieu für ganz andere Geschichten dient.
Da ich im folgenden weder einen Roman noch eine Erzählung schreiben werde, halte ich mich an das Genre der wissenschaftlichen Literatur (das im Englischen entrückterweise non-fiction heisst), obwohl die Entwicklung von Theorien natürlich auch nicht zur Wissenschaft im engeren Sinne (hard sciences) gehört. In diesem Genre ist es üblich, das Milieu in Fussnoten abzuhandeln. So haben die Lesenden die Wahl nur die Sache selbst zu lesen, indem sie die Fussnoten ignorieren, oder sie lesen hauptsächlich die Fussnoten, weil sie sich mehr für das Milieu als für die Handlung interessieren. Die Lesenden wählen sozusagen den Vordergrund. Schliesslich kann man sich natürlich auch für das Verhältnis interessieren, sich also fragen, in welchem Milieu Kommunikation überhaupt entfaltet werden kann. |
Ich werde in den Fussnoten also zunächst eigenständige Geschichten erzählen, von welchen ich als Quasi-Romancier natürlich von Anfang an weiss, wo und wie sich die Figuren im Drama treffen werden. Damit im Puzzle der Fussnoten überhaupt Geschichten gelesen werden können, mache ich hier eine dramaturgische Anmerkungen dazu. Praktisch alle modernen Kommunikationstheorien sind mehr oder weniger deutlich systemtheoretisch orientiert. Die Systemtheorie, die natürlich eine eigene Erzählung wert wäre, drängt sich also als Nebengeschichte im Drama förmlich auf. Natürlich müssen sich Nebengeschichten dramaturgisch der eigentlichen Geschichte unterordnen. Sie werden also nicht in der Reihenfolge erzählt, in welcher sie als eigenständige Geschichten erscheinen würden. Die Systemtheorie würde aber auch in einer eigenständigen Erzählung kaum linear erzählt werden. Zum einen hat die Systemtheorie zwei relativ unabhängige Anfänge, nämlich die Systemlehre von L. von Bertalanffy und die Kybernetik von N. Wiener und zum andern haben natürlich auch die alten Philosophen - noch nicht wissend, dass es eine Systemtheorie geben wird - viel zu dieser beigetragen (1).
Ueberdies liegt nahe, dass die Nebengeschichten nicht nur von Figuren der Hauptgeschichte handeln, sondern auch die Geschichte selbst auf eine bestimmte Art widerspiegeln. So mag die Nebengeschichte etwa die gleichen Unterscheidungen thematisieren, die auch in der Hauptgeschichte zu erkennen sind. Ich sehe beispielsweise sowohl in den Kommunikationstheorien wie auch in den Systemtheorie sehr oft eine grundlegende Unterscheidung zwischen Menschen und Maschinen, wobei praktisch immer das eine oder das andere, also das vermeintlich Soziale oder das vermeintlich Mechanische behandelt wird (2). Auch wo das Drama auf die Fiktion dieser Unterscheidung zurückkommt, wird deutlich, dass die beiden Geschichten dramaurgisch nicht zufällig, sondern wesentlich zusammengehören (re-entry) (3).
Eine allgemeine Kommunikationstheorie muss zunächst allgemein sein. Dann muss sie eine Theorie sein. Und schliesslich muss sie sich mit Kommunikation befassen.
Allgemein: Mit der Verwendung des Ausdruckes "allgemeine Kommunikationstheorie" lege ich nahe, dass es spezielle Kommunikationstheorien gibt. Der Anspruch, den ich mit "allgemein" ausdrücke, besteht darin, die spezifischen Kommunikationstheorien als Spezialfälle eines allgemeinen Falles zu identifizieren. Eine allgemeine Kommunikationstheorie muss also zeigen, inwiefern irgendwelche Kommunikationstheorien spezifische Aspekt eines allgemeinen Falles behandeln und inwiefern sie den je spezifischen Bereich perspektivisch adäquat abdecken. Solche Unterfangen leiden (tauto-)logischerweise unter einer bestimmten Tautologie: Als spezifische Kommunikationstheorien kommen nur solche in betracht, die in der allgemeinen Theorie umfasst werden können. Umgekehrt, zeigt sich die Allgemeinheit einer Theorie gerade darin, wieviele spezielle Theorien darin aufgehoben werden können.
Theorie: Eine allgemeine Kommunikationstheorie muss - wie allgemein auch immer - eine Theorie sein. Sie muss also auch ein Selbstverständnis davon enthalten, was Theorien sind. Die Ausdrücke allgemein und speziell sind unter anderem durch die sogenannte Relativitätstheorie besetzt. Die Relativitätstheorie ist ein Bündel von verifizierten Hypothesen, die auf der empirisch begründeten Annahme einer konstanten Lichtgeschwindigkeit beruhen. Weder die allgemeine noch die spezielle Relativitätstheorie sagen etwas darüber aus, was eine Theorie ist und inwiefern sie selbst Theorien sind. Eine allgemeine Theorie muss nicht nur ihren Gegenstand allgemein begreifen, sie muss auch eine allgemeine Vorstellung von Theorie enthalten, der sie selbstbezüglich genügt. In diesem Sinne ist die allgemeine Relativitätstheorie - wie wahr, nützlich und genial sie auch immer sein mag - keine Theorie und deshalb auch kein Beispiel für eine allgemeine Theorie.
Kommunikation: Eine allgemeine Kommunikationstheorie muss über Kommunikation aufklären: sagen, was Kommunikation heisst und wie sie zustande kommt. Kommunikation ist ein Gegenstand, der erst durch eine ihn konstituierdene Perspektive entsteht. Ich kann Kommunikation - was immer das sein mag - weder anfassen noch sehen oder riechen. Kommunkation ist ein diskursiver Gegenstand, der durch eine bestimmte Sicht auf praktische Verhältnisse hervorgebracht wird. Die praktischen Verhältnisse, in welchen ich Kommunikation wahrnehmen kann, kann ich immer auch jenseits von Kommunikation, also durch andere Wörter begreifen. Deshalb kann ich den Ausdruck "Kommunikation" auch durch andere Wörter ersetzen. Wesentlich sind aber die Aspekte der konkreten Verhälnisse, die ich mit diesen Wörtern beschreibe.
Damit ist der im Titel angekündigte Akt im Sinne einer Dramaturgie umschrieben. Die erste Aufgabe jeder Kommunikationstheorie muss darin bestehen, praktische Verhältnisse, die sie als Kommunikationsverhältnisse theoretisch erläutern will, zu beschreiben. Wovon spreche ich überhaupt, wenn ich den Ausdruck "Kommunikation" verwende?
Als Phänographie bezeichne ich in Anlehnung an K. Holzkamp (1976:21) eine definitorisch anspruchslose, exemplarische Umschreibung eines Wortgebrauches zur Verdeutlichung der Bedeutungen, die ich mit diesem Wort verbinde. In der Phänographie umschreibe ich die Sache unreflektiert so, wie sie mir im Alltag der gesprochenen und geschriebenen Sätze begegnet. In der Phänographie erläutere ich also nur, was ungefähr jeder ungefähr weiss, ich erläutere die gemeinten praktischen Verhältnisse, und impliziere so den Handlungszusammenhang, von welchem die Rede ist, in einer anschaulichen aber unbegriffenen Form. Ein Ausdruck, der - wie Kommunikation - von so vielen so oft und unbekümmert verwendet wird, ist im doppelten Sinne ambivalent. Zum einen muss offensichtlich allen irgendwie klar sein, was das Wort bedeutet, zum andern hat das Wort beliebig viele Bedeutungen. In der Phänographie geht es darum, möglichst viele Aspekte, etwa in Form von Beispielen, und dazu passende common sense-Formulierungen, etwa aus Konversationslexika, aufzulisten. Ich beginne mit einer Aufzählung in Form einer Erzählung und markiere Stellen, die ich irgendwie kommunikativ finde:
M. Susan Calvin wacht wie jeden Tag von einer inneren Stimme geweckt (!) genau um sechs Uhr dreissig auf. Sie spricht halblaut ein "Vater unser" (!), steht auf und geht zum Bad. Ihre Katze streicht ihr um die Beine und miaut (!). Susan sagt: "Guten Morgen Wisker" (!) und krault sie zwischen den Ohren (!). Etwas später drückt sie den Powerknopf ihrer Kaffeemaschine, worauf ein Text aufleuchtet: "Bitte warten" (!). Susan wartet nicht (!), sie holt die Zeitung vor dem Haus. Auf den Rückweg in die Küche liest sie die Schlagzeilen (!). Im Display der Kaffeemaschine steht jetzt: "Bitte wählen". Susan schaut aber gar nicht hin, sondern drückt den Knopf (!) für einen grossen Kaffee. Beim Frühstück liest sie Leserbriefe und die Wetterprognosen (!). Das Telefon klingelt. Sie nimmt nicht ab, sie hört (!), wie jemand auf den Telefonbeantworter spricht (!): "Schade, dass Du schon weg bist, ich probiers später im Büro" (!). Genau dort will Susan jetzt hin. Sie arbeitet in einen riesigen Warenhaus, in der Abteilung Kommunikation und Kommunikationsanlagen (!), die von der Fernsehantenne bis zum Rasenmäher mit Fernbediennung alles verkauft, was - wie ihr Chef sagt - irgendwie mit Schwachstrom zu tun hat. Sie holt ihren Wage aus der Garage. Der Lautsprecher sagt: "Bitte anschnallen" (!). Susan stellt den Autoradio an: ".. es folgen die Nachrichten (!)" Susan fährt los und wählt gleichzeitig eine Nummer auf ihrem Handy. Sie sagt: "Ich komme ein paar Minuten später (!). Ein Polizist winkt sie von der Strasse (!). Er sagt: "Sie haben beim Fahren telefoniert, sie wissen doch, dass das verboten ist, oder?" (!) Susan gibt keine Antwort (!). Der Polizist sagt: "Tut mir leid, das kostet Sie vierzig Franken. Wollen Sie gleich bezahlen? (!)" Etwas später betritt Susan das Büro, in dem sie arbeitet. Sie sagt recht laut: "Guten Tag zusammen" (!), dann sieht sie, dass noch niemand da ist (!). Sie aktiviert ihren PC und wird wenigstens von ihm begrüsst (!). Sie liest ihre mails (!), einige beantwortet sie sofort (!). Ein mail ist eine Einladung (!) zum Hockeyspiel am Abend. Sie schreibt zurück (!), dass sie gerne mitgeht. Sie schlägt vor, davor noch kurz in die Galerie nosports zu gehen, die gleich neben den Sportstadion liegt, weil dort am Abend eine spannende Vernissage (!) laufen soll. Ein Briefträger bringt Post (!). Susan öffnet die Briefe, die nicht an bestimmte Personen adressiert sind und nimmt zweimal das Telefon ab und gibt Auskunft (!). Im sogenannten Kommunikationslabor sind etliche Bildschirme zu Testzwecken in Betrieb. Auf einem supergrossen Bildschirm ist ein riesiger Fischschwarm zu sehen, Thunfische. Der Kommentator sagt gerade (!): ".. es ist wissenschaftlich noch nicht definitiv geklärt, wie sie es schaffen, alle gleichzeitig in die gleiche Richtung abzudrehen, es ist ein Wunder der Kommunikation (!), wie wir es bei Tieren immer wieder erleben können". Susan denkt: "Du müsstest mal die Koordinationwunder bei Menschen sehen(!), beispielsweise heute Abend im Hockeymatch". Sie ist ein Fan und freut sich darauf. Etwas später läuft ein offensichtlich aufgezeichnetes Sportprogramm (!), es sind Bilder von einem Massensturz an der Tor de France zu sehen. Susan denkt, da hat die Kommunikation wieder einmal nicht funktioniert (!). Später erklärt sie einem reklamierenden Kunden, warum die Geräte, die er gekauft hat, nicht zusammenpassen: "Das sind zwei ganz verschiedenen Systeme, die ganz verschiedene Sprachen sprechen (!), die können sich gar nicht verstehen (!)". Um halb fünf Uhr fährt sie durch das Stadtzentrum in Richtung Sportstadion. Der Radiosprecher meldet Stau (!), danach kommen Nachrichten (!) und ein Kurzinterview (!) mit einem Hockeyspieler zum bevorstehenden Match. Susan hat grün, aber die Fussgänger überqueren einfach die Strasse. Sie kann nicht fahren, hinten wird gehupt (!). In der Gallerie sagt Robo, der schon auf sie gewartet hat: "Das ist ziemlich schräg, was die hier zeigen, aber der Wein ist gut." Die Künstlerin macht eine Art Performance (!), mit welcher sie die Blicke der Zuschauer auf verschiedene ihrer Installationen lenkt (!). Das geneigte Publikum applaudiert ununterbrochen (!). Robo fragt Susan: "Verstehts Du, was das soll? (!)". Susan lacht und fragt zurück: "Gefällt es Dir?" Ein Zuschauer fragt die Künstlerin nach der Bedeutung eines ihrer Werke (!): "Was wollen Sie uns eigentlich damit genau sagen? (!)". Die Künstlerin scheint beleidigt zu sein, die Galleriebesitzerin versucht zu vermitteln (!). Sie sagt: "Wie ich in der Einführung ja gesagt habe, muss man das Werk als Ganzes sehen". Eine andere Zuschauerin ruft laut: "Du sollst nie einen Künstler nach der Bedeutung fragen! (!)". Gelächter (!). Im Sportstadion begrüsst der Platzspeaker die Spieler und die Zuschauer (!). Die Spieler fahren auf das Eis und winken ihren Fans (!). Die Fans singen: " we are the champions .."(!). Der Schiedsrichter pfeift (!) und wirft den Puck ins Spiel. Ein Spieler gibt einem andern ein Zeichen, dass er angespielt werden will (!). Der Trainer ruft von seiner Bank irgendwelche Anweisungen (!). Ein Zuschauer hat einen Lautsprecher mitgebracht und gibt den Spielern lautstark Tips. Die Securitaswächter nehmen ihm den Lautsprecher weg. Ein Spieler bekommt die rote Karte (!). Er gibt seiner Wut Ausdruck, indem er dem Schiedsrichter mit seinem Stock in die Beine schlägt (!). Das Publikum johlt (!).
Damit habe ich Beispiele gegeben, wenn auch noch unklar ist, wofür die Beispiele wie stehen. Das andere bereits erwähnte phänographische Verfahren ist das Nachschlagen des Ausdruckes im Konversationslexikon. Im Konversationslexikon stehen normalerweise keine Definitionen, weil es in der Konversation nicht um ein begriffliches Begreifen geht, sondern eben um eine phänographische Umschreibung, wovon die Rede ist. In eigentlichen Konversationslexika stehen Verallgemeinerungen von den "normalsten" Beispielen des gesunden Menschenverstandes wie sie oben aufgeführt sind. Das ganz alltagsnahe Lexikon "LexiRom" von Microsoft schreibt zu Kommunikation etwa:
Kommunikation (lat): "Prozeß der Mitteilung; der wechselseitige Austausch von Gedanken, Meinungen, Wissen, Erfahrungen und Gefühlen sowie die Übertragung von Nachrichten, Informationen (neben der Sprache durch Zeichen aller Arten)".
Diese typisch konversative Formulierung ist auch eine Art Aufzählung, es werden aber nicht konkrete Situationen aufgezählt, sondern abstrakte Begriffe. "Mitteilung", "Austausch", "Gedanken", "Uebertragung", "Nachrichten", "Zeichen" sind Wörter, mit welchen ich über die oben beschriebenen Situationen sprechen kann, ohne das Wort "Kommunikation" zu benutzen. Die konversative Formulierung umschreibt den gemeinten Handlungszusammenhang als eine Art effiziente Formel, in welche sich die gemeinten konkreten Situationen einfügen lassen.
Die konversativen Umschreibung kann ich ausführlicher machen, indem ich einige Implikationen erläutere. Der gesunde Menschenverstand, der sich im Konversationslexikon zeigt, zerlegt das Mitteilen und unterscheidet einen "Austausch von Gedanken und Gefühlen" und eine technische "Uebertragung von Nachrichten und Informationen" als quasi komplementäre Teile. Wenn Romeo zu Julia sagt, dass er sie liebe, und sie ihm antwortet, dass sie ihn liebe, dann haben die beiden "Gefühle ausgetauscht". Und wenn sie sich genau dasselbe in der heutigen Zeit per SMS mitteilen, dann übertragen Telefongeschäfte Nachrichten und Informationen, wobei sie unter anderem Kommunikationssateliten verwenden, ohne dass sich am Austausch der Gefühle viel ändert. Und wenn irgendeine Frabrik irgendwelche mechanischen Teile für irgendwelche Maschinen zur Uebertragung von SMS herstellt, nennt sie sich nicht mehr wie früher Schlosserei, sie nennt sich modernerweise Kommunikationsfirma, weil sie ja wesentlich dazu beiträgt, dass Romeo und Julia ihre Gefühle tauschen können. Das Dazwischenschalten von Kommunikationsmaschinen, die Nachrichten in Form von Signalen übertragen, macht natürlich bewusst, dass auch der vermeintlich mittellos sprechende Romeo nur Schallwellen produziert, die zur Julia getragen werden, auch wenn vorderhand noch keine Gebühren dafür erhoben werden (3.1).
Kommunikation erscheint nun als das, was man mit übertragenden Kommunikationsmitteln tut - und zwar auch dann, wenn man keine Kommunikationsmittel verwendet. Da Romeo und Julia ihre Gefühle per SMS austauschen könnten, kommunizieren sie auch dann, wenn sie ihre Gefühle ohne Kommunikationsmittel austauschen. Der Ausdruck Kommunikation mag lateinisch alt sein, in unserer Sprache ist er auf ganz spezielle Weise neu. In unsere Sprache ist der Ausdruck Kommunikation über konstruierte übertragende Kommunikationsmittel gekommen und die gibt es noch nicht sehr lange, die alten Römer wussten noch nichts davon. Um eine kleine Geschichte aus der Geschichte zu erzählen: Die erste physikalisch-technologische Verwendung des Ausdruckes "Kommunikation" stammt von Stephen Gray, der 1729 mit nassen Hanfschnüren elektrostatische Versuche zur Leitfähigkeit von Materialien gemacht hat. Elektrizität hatte - hundert Jahre vor Farraday - noch keinen sichtbaren Nutzen, sondern war ein physikalisches Phänomen, um dessen Verständnis man sich praktisch - also durch konstruktive Manipulation - bemühen konnte. S. Gray spannte seine Hanfschnur in einem Klostergarten auf. Mönche mussten diese einerseits mit Wasser nass halten und andrerseits während der Messversuche rufen, wenn die mit Bernstein erzeugte elektrische Ladung bei ihnen vorbeikam und sie zwickte. S. Gray stellte fest, dass und wie schnell sich elektrische Ladungen durch nasse Schnüre bewegen. Aber S. Gray entdeckte durch das Schreien der Mönche auch, dass er am Ende seiner Schnur erfahren konnte, dass am Anfang der Schnur eine elektrische Spannung angelegt wurde. Er nannte seine Stromleitung weit voraussehend "Kommunikationsschnur" und hat so die elektrische Datenübertragung (Telegraph, Telefon, Internet, usw.) vorweggenommen, für die er sich mangels Technologie noch gar nicht interessieren konnte. Die Kommunikationsschnur ist in diesem projizierten Sinne eine Entdeckung, keine Erfindung, weil S. Gray eine Funktion seiner Installation entdeckte, die er so wenig beabsichtigte, wie etwa die Oelfassproduzenten das Musikinstrument, das sich die Mitglieder einer Steelband aus Oelfässern machen. Die Entdeckung ist natürlich selbstbezüglich. S. Gray stellte die Mönche auf, damit sie rufen. Dann entdeckte er, dass sie rufen.
Als Phänomenologie bezeichne ich in Anlehnung an E. Husserl den Versuch, das "Wesen" der phänographisch beschriebenen Sache wahrzunehmen (4). Für E. Husserl scheint das "Wesen" im angeschauten Phänomen zu liegen. Ich sehe dagegen - auch in seinen Texten - das Wesen der Phänomene in der Anschauung (5). Während E. Husserl durch Anschauung das Wesen der Sache erkennen will, geht es mir darum, im phänographisch umschriebenen Handlungszusammenhang Phänomene überhaupt wahrzunehmen.
Phänomen nenne ich ganz bestimmte Wahrnehmungen. Ich erzeuge Phänomene dadurch, dass ich nach einer Erklärung frage. Ich kann eine Wahrnehmung - wie ich es in der Phänographie tue - einfach hinnehmen, also für-wahr-nehmen, oder ich kann mich fragen, wie oder warum etwas in meiner Wahrnehmung auf diese Art und Weise erscheint. Quasi-etymologisch steckt im Ausdruck "Phänomen", dass es um eine Erscheinung von etwas geht, und mithin, dass man gerne wüsste, was weshalb so erscheint. Dass etwa die Sonne am Abend rot wird und dann am Horizont verschwindet, kann ich gedankenlos sehen, oder ich kann daraus ein Phänomen machen. Ich kann mich fragen, weshalb die Sonne ihre Farbe wechselt - ich kann mich dabei etwa auch fragen, in welchen Situatinen ich selbst rot werde - und wohin sie geht, nachdem sie rot geworden ist. Für viele Menschen ist das Rotwerden der Sonne kein Phänomen, die einen sehen es gar nicht, und die andern - wohl jene, die selbst nie rot werden - haben bereits eine ihnen genügende Erklärung dafür.
Wenn ich mich frage, weshalb die Sonne vor dem Verschwinden rot wird, dann habe ich nicht nur eine interessante Frage, sondern ich habe auch eine phänographische Beschreibung eines Phänomens gegeben. Ich betrachte darin die Sonne als eine Sache, die verschwinden und ihre Farbe wechseln kann. Diese phänographische Beschreibung ist - wie G. Galilei uns belehrte - relativ unsinnig, denn die Sonne macht vermutlich beides nicht. Ich müsste aber die Sonne ziemlich lange (an)schauen, um zu sehen, dass sie weder rot werden, noch verschwinden kann (6). Wenn ich ein Phänomen erzeuge, will ich - phänomenologisch gesehen - das Wesen hinter dem phänographisch geschilderten Schein erkennen. Dabei wird sich das, was ich phänographisch beschrieben habe, natürlich nicht verändern; E. Husserl sagte optimistisch, dass keine Theorie die Anschauung irremachen könne (7). Aber meine phänographische Beschreibung kriegt in der Phänomenologie einen neuen Sinn, weil sie sich nun auf den Schein, nicht auf das Wesen bezieht. Meine Beschreibung "die rote Sonne geht unter" bedeutet dann weder, dass die Sonne rot ist noch dass sie untergeht, sondern dass es mir wirklich - und auch nach bliebige genauem Schauen - so erscheint.
Das phänomenologische Wesen jeder Sache liegt in mir, weil meine Anschauung den Anschein und das Phänomen produziert. Das phänomenologische Ziel ist deshalb nicht Erkenntnis über die Welt, sondern Erkenntnis darüber, wie ich mir die Welt vorstelle und wie ich mir meine Vorstellungen erkläre. Phänomene sind nicht in meiner Um-Welt, sie entstehen durch meine Fragen. Die Sonne ist kein Phänomen, sie wird mir zum Phänomen, wenn ich Erklärungen über sie will. Als Phänomen kommt deshalb nur etwas in Frage, was ich vernünftigerweise erklärt haben möchte. Die phänomenologische Frage muss deshalb immer eine Hervorbringung betreffen, also etwas, was ich erzeugen kann (8). In der Phänomenologie geht es um Phänomene, nicht um eine irgendwie geartete Wirklichkeit. Wenn ich mich frage, weshalb die Sonne rot wird, dann frage ich das, weil ich dieses Phänomen wahrnehmen kann, nicht weil die Sonne wirklich rot wird (9). Mit meiner Frage grenze ich weder Systeme ab noch konstruiere ich Wirklichkeit. Die phänomenologische Frage ist im Gegenteil gerade so intendiert, dass die Antwort beliebige Kategorien vewenden kann. Sie muss nur das Phänomen erklären, nicht eine Wirklichkeit (10).
E. Husserl - und das ist seine reaktive, reaktionäre Komponente - hat vorgeschlagen, sich durch das Wesen der Phänomene geistig-intuitiv anmuten zu lassen. G. Hegel hat in seiner Phänomenologie des Geistes festgeschrieben, wohin die unreflektierte Anmutung führt: sie reproduziert die Kategorien eines ziemlich unbedarften Menschenverstandes, der vielmehr einfälltig als selbstbewusst - wie Hegel seinen Geist wähnt - in der Phänographie der herrschenden Institutionen verhaftet bleibt (11). So lassen sich etwa auch die "funktionalen Systeme" von N. Luhmann - Kunst, Recht, Religion, Wissenschaft - falls sie nicht einfach einem ziemlich reaktivem Menschverstand entspringen, als Reaktionen auf das Inhaltsverzeichnis von G. Hegels angemutete Phänomenologie verstehen, es sind die vordergründigsten Kategorien, in welchen man in unserer Gesellschaft überhaupt denken kann (12).
Wenn ich mich also nicht - quasi positivistisch (13) - durch Phänomene, die in der Sache selbst liegen, anmuten lassen will, brauche ich - im genauen Gegensatz zu den philosophischen Phänomenologen - ein beschreibbares Verfahren, das mich bei der Wahl der Phänomene bestimmt. Die Anmutung - die ich aber sinnigerweise nicht so nenne - passiert auf der Stufe der Phänographie. Wenn ich ein Phänomen erzeuge, unterstelle ich, dass es erklärbar ist und natürlich auch, was ich als Erklärung akzeptieren würde.
work in progress .....
Die Phänomene selbst sind mir nicht Gegenstand der Erkenntnis, sondern das, worauf sich meine Erkenntnis bezieht. Wenn ich die Sonne gesehen habe, weiss ich noch nichts, aber alles, was ich über die Sonne wissen kann, kann ich nur wissen, weil ich das Phänomen Sonne für-wahr-genommen habe. Wenn ich sehe, dass die Sonne vor dem Verschwinden rot wird, sehe ich, was ich sehe. Wissen ist etwas anderes ...
Kommunikation wird in diesem alltäglichen Sinn als Uebertragung von Information verallgemeinert. Soweit wie jedermann in allem Information sehen kann, ist Kommunikation allgegenwärtig oder wie P. Watzlawick sagte: Man kann nicht nicht kommunizieren. Jenseits von unmittelbaren Gesprächen zeigt sich die Uebertragung von Information in der Verwendung von Kommunikationsmitteln. Am Telefon führe ich ein vermitteltes Gespräch, durch Radio und Television spricht jemand vermittelt zu mir. Briefe, Bücher, Zeitungen sind quasi verschriftlichte Gespräche und Bilder und Filme sagen mir noch mehr als tausend Worte.In all diesen Fällen werden Kommunikationsmittel zur Uebertragung von sogenannter Information eingesetzt, es sind also Kommunikationsprozesse.
Etwas umstrittener - und mit der prägnanten Formulierun des Lexikons auch nicht entscheidbar - ist die Kommunikation zwischen Mensch und Tier, weil dort Gespräche nur sehr bedingt möglich sind. Da aber Menschen auch unter sich nicht nur sprachlich, sondern eben auch nonverbal, durch Zeichen und Gesten kommunizieren können, können wir auch das Zeichen geben zu Uebertragung von Information und zu Mitteilen zählen. Noch etwas abstrakter erscheint die sogenannte Mensch-Maschinen-Kommunikation, in welcher ich etwa einem Billettautomaten "sage", wohin ich per Bahn reisen wil, und er mir das entsprechende Billett gegen Geld aushändigt.
Schliesslich scheint es eine feinstoffliche Kommunikation der siebten Sinne zu geben, in welcher man sich ohne Worte und Zeichen versteht. Mit "es scheint" will ich ausdrücken, dass im allgemeinen Diskurs weniger die Tatsache solcher Kommunikationen als deren Interpretation als feinstoffliche, esotherische. So kann ich etwa das Gefühl haben, dass jemand etwas von mir will, ohne dass ich Zeichen oder Worte gehört habe. Oder wenn ein Schwar von Vögeln oder Fischen die Richtung ändert, dann kann ich niemanden sehen, der eine entsprechende Anweisung geben könnte. Ich kenne viele solche Phänomene, die ich als Kommunikationsprozesse verstehe, ohne dass ich sie mit dem Lexikoneintrag in Verbindung setzen könnte.
Auf einer von den bisherigen Erwägungen ganz unabhängigen Ebene kann ich Kunst unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation betrachten. Ich stehe etwa im Museum oder im Konzertsaal und frage mich, was will der Künstler sagen
1) Um eine Nebengeschichte anzufangen: N. Luhmann (1984:93) entlehnt den phänomenologischen Sinn, den er in seiner Systemtheorie braucht, bei E. Husserl.
Hier geht es vordergründig darum, irgendeinen alten Philosophen ins Gespräch zu bringen. Alte Philosophen, die in irgendeinem systemtheoretischen Werk zitiert werden, gibt es unglaublich viele. Wie also komme ich dazu, die Geschichte mit E. Husserl zu eröffnen? Wie man bald sehen kann, kommt E. Husserl auch in der Haupterzählung ganz am Anfang vor, er spielt also eine Rolle. Und N. Luhmann ist ein Gefährte von E. Husserl, der auch auf mehreren Schauplätzen auftreten wird.
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2) Bereits L. von Bertalanffy hat sich über die Unterscheidung Lebewesen versus Maschinen von N. Wiener's Kybernetik kritisch distanziert, während N. Wiener sein grundlegendes Werk mit Kybernetik "Kommunikation im Tier und in der Maschine" untertitelte. C. Shannon schreibt in seinem epochemachenden Aufsatz Mathematische Grundlagen der Kommunikationstheorie explizit nur über Maschinen, während F. Flusser in seiner Kommunikologie immer von der menschlichen Kommunikation spricht. H. Maturana treibt die Unterscheidung explizit auf die Spitze, für ihn sind alle Lebewesen autopoietische Maschinen.
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3) re-entry nennt G. Spencer Brown (1997:60f) das Verhalten eines Beobachters, der auf seine Wahrnehmung zurückkommt, indem er sich seine Unterscheidungen, die ihn zur jeweiligen Wahrnehmung führen, bewusst macht. Das re-entry ist ein zentrales Konzept der Systemtheorie, das im Radikalen Konstruktivismus als Beobachtungen 2. Ordnung thematisiert wurde. Ich werde später es zur Aufhebung der Unterscheidung zwischen menschlicher und maschineller Kommunikation verwenden.
Damit habe ich auch exemplarisch gezeigt, inwiefern die Fussnoten als konvergierende Nebengeschichte lesbar sind. Natürlich ist die Kontigenz aller Texte viel grösser, als sich ein Autor je träumen lassen könnte.
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3.1) W. Weaver (1976:89f), der sich Kommunikation ohne Kommunikationsmittel gar nicht vorstellen konnte, hat schon 1948 geschrieben, dass im mündlichen Gespräch das Gehirn die Informationsquelle sei und der Stimm-Mechanismus ein Apparat, der wie das Telefon Signale produziere. Und überzeugte Marlbororaucher wissen durch Antiwerbekampagnien, dass man den verkrebsten Kehlkopf wirklich durch eine Kommunikationsmaschine teilweise ersetzen kann.
4) Phänomenologie ist ein stark besetzter Ausdruck, das Konversationslexikon schreibt: "1. Wissenschaft von den sich dialektisch entwickelnden Erscheinungen der Gestalten des [absoluten] Geistes und Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins (Hegel). 2. streng objektive Aufzeigung und Beschreibung des Gegebenen, der Phänomene (nach N. Hartmann). 3. Wissenschaft, Lehre, die von der geistigen Anschauung des Wesens der Gegenstände oder Sachverhalte ausgeht und die geistig-intuitive Wesensschau (an Stelle rationaler Erkenntnis) vertritt (Husserl)." (LexiRom).
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5) Mir ist weder klar, was die Phänomenologen wie E. Husserl als Wesen bezeichnen, noch wie sie mit ihrem Verfahren - durch ein schrittweises reduktives Absehen von den alltäglichen Gegebenheiten - zum diesem Wesen der gemeinten Sache vordringen wollen. Wenn Susan Calvin einen Geschäftsbrief schreibt, kann der phänomenologische Philosoph beispielsweise davon absehen, dass es Susan ist, die diesen Brief schreibt, oder er kann davon absehen, dass es ein Geschäftsbrief ist, er kann aber nicht davon absehen, dass geschrieben wird, wenn er das Wesen des Schreibens verstehen will. Natürlich kann er vom Schreiben absehen, und so das Mitteilen finden, aber dann könnte er auch vom Mitteilen absehen und so zum allerletzten Wesen kommen. Nun haben Philosophen wie G. Hegel und E. Husserl tatsächlich von Verschiedenem abgesehen, da ich aber nicht finden kann, wie sie es getan haben, scheint mir ihre Phänomenologie eher Esoterik als Wissenschaft. Ich bin mir sehr gewahr, dass ich nicht sehen kann, was sie tun und dass es mir so scheint, als ob sie Esoterik betreiben. Es ist für mich ein Phänonmen, dass so viele Menschen den Phänomenologen so problemlos folgen können. Ein re-entry sehe ich darin, dass N. Luhmann E. Husserl folgt, ich aber auch bei N. Luhmann nicht sehen kann, wie er das macht. Ich muss einfach annehmen, dass der eine den andern verstanden hat, so wie ic es tue, wenn ich sehe, dass zwei Chinesen sprechen und anschliessend miteinander lachen.
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6) G. Galiei hat nur kurz durch ein Fernrohr geschaut. Aber er wusste natürlich bereits davor, was er sehen würde, weil N. Kopernikus und J. Kepler zuvor jahrelang an den Himmel schauten.
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7) "Am Prinzip aller Prinzipien: dass jede originär gebende Anschauung eine Rechtsquelle der Erkenntnis sei, dass alles, was sich uns in der ‚Intuition' originär, (sozusagen in seiner leibhaften Wirklichkeit) darbietet, einfach hinzunehmen sei, als was es sich gibt, aber auch nur in den Schranken, in denen es sich da gibt, kann uns keine erdenkliche Theorie irre machen" (Husserl, Edmund: Husserliana [gesammelte Werke], Bd. III/1, S. 51).
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8) Ich kann erklären, wie ein Motor funktioniert, aber ich kann nicht erklären, wie ein Hammer funktioniert, weil ein Hammer eben nicht funktioniert. Ich kann aber erklären, was ich mit dem Ausdruck "Hammer" meine, oder wie es möglich ist, dass ich einen Hammer sehen kann. Dann erkläre ich aber mich, nicht den Hammer. H. Maturana spricht in diesem Zusammenhang von "bringing forth", weil er von der subjektiven Erzeugung der Wirklichkeit spricht. Ich unterscheide herstellen und erzeugen, weil ich den Hammer, den ich als Wirklichkeit erzeuge auch wirklich herstellen kann.
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9 W. Goethe sagte, wäre das Auge nicht sonnenhaft, und F. Mauthner sagte, wäre die Sonne nicht augenhaft, wir könnten sie nicht sehen. Beide machen Aussage, die "phänomenologisch wesentlich" sind, obwohl sie sich nicht auf eine Wirklichkeit beziehen.
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10) Die Blackbox der Systemtheorie repräsentiert dieses phänomenologische Postulat. Blackbox bedeutet, dass man nicht sehen kann, was in der Box ist und dass mithin alle Rekonstruktinen Fiktionen sind.
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11) G. Hegel hat in seiner "Phänomenologie des Geistes" das Phänomen stilschweigend vorausgesetzt. Im ganzen Buch steht der Ausdruck "Phänomenologie" nur auf dem Umschlag, der Ausdruck Phänomen kommt gar nicht vor. G. Hegel scheint seiner wahnhaften Anmutung von Sittlichkeit verfallen, er reflektiert mit keinem Wort, was er tut.
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12) N. Luhmann ist im Posistivismusstreit der deutschen Soziologie als Vertreter der Reaktion gegen die Frankfurter Schule bekannt geworden ist. In der sogenannten Habermas-Luhmann-Debatte macht N. Luhmann die Systemtheorie als Grundlage eines Wissenschaftsverständnis gelten, dass von J. Habermas als positivistisch bezeichnet wird. J. Habermas macht dabei, was nach ihm viele tun: er verwechselt die Theorien von N. Luhmann mit der Systemtheorie überhaupt. Die in diesem Streit eigentlich diskretitierte Systemtheorie ist aber jene der amerikanischen Soziologie, insbesondere jene von T. Parsons, welche N. Luhmann bis zu seinem Lebensende, wenn auch mit wechselnden, zuletzt konstruktivistischen Terminologien - vertreten hat. N. Luhmann hat später suggeriert, seine "funktionalen Systeme" seien autopoietische Systeme. Die Systemtheorie befasst sich nicht mit Funktion, sondern mit der Funktionsweise von Systemen. Die "funktionalen System" von N. Luhmann sind keine Systeme, sondern Handlungszusammenhänge. Also solche können sie nicht autopoietisch im Sinne von H. Maturana's Autopoiese sein. Aber natürlich kann jeder Konstruktivist eigene Systemtheorien und eigene Autopoiesen konstruieren.
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13) Der Kern des Positivismusstreites ist meines Erachtens nicht das vielbeschworenen Werturteil, sondern die Frage, ob es rationale Verfahren gibt, mit welchen man die soziale Wirklichkeit erforschen kann. Diese Fragestellung macht Voraussetzungen, die die streitenden Parteien nicht verstanden haben, weil sie erst im konstruktivitischen Diskurs über Systemtheorie entwickelt wurden. Im Positivismusstreit hatten die Positivisten die Rationalität auf ihrer Seite und die Frankfurter Schule hatte den Sinn auf ihrer Seite. Dieses Auseinanderklaffen von Sinn und Rationalität kommt daher, dass über die Wirklichkeit statt über Konstruktionen diskutiert wurde. Eben dort hat N. Luhmann den Sinn bei E. Husserl holen wollen.
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Eine eigentliche Kommunikationswissenschaft kann ich nicht sehen, Kommunikation ist Gegenstand von vielen Wissenschaften, die sogenannten Kommunikationswissenschaften sind immer irgendwie "interdisziplinär" oder "transkulturell", Kommunikationstheorien treten selten allein auf. Es gibt kaum Ansätze zur Allgemeinen Kommunikationstheorie, das Feld ist von speziellen Theorien besetzt, die oft sehr wenig miteinander zu tun haben(0). Dieser für mich erstaunlichen Tat-Sache will ich mit dieser Arbeit ein bedingtes Ende setzen. Bedingt deshalb, weil auch ich einen theoretischen Apparat benütze, der gemeinhin nicht als Kommunikationstheorie, sondern als Systemtheorie oder eingeschränkter als Kybernetik bezeichnet wird.