Vorbemerkungen von Rolf Todesco:
Ich bin Delegierter der Gemeinde Aeugst am Albis im Spital-Zweckverband Spital Affoltern und mithin mit Spitalpolitik befasst. Die Rechtsverhältnisse sind extrem komplex, eigentlich der Beliebigkeit der Juristen des Rechtsstaates ausgeliefert.
Ich reflektiere hier die Geschehnisse in meiner Amtszeit, die teilweise grundlegenden Änderungen der Spitalgesetzgebung und noch mehr einer neoliberalen Auffassung, in welcher Allmenden privatisiert werden, geschuldet sind. Eine wesentliche Rolle spielt auch die Demokratisierung der Kantonsverfassung bezüglich der Institution Zweckverband.
Mit der Inkraftsetzung der neuen Verfassung des Kantons Zürich per 1. Januar 2006 ist auch ein Anpassungsbedarf an den Statuten von Zweckverbänden entstanden. Gemäss Art. 93 KV sind die Zweckverbände demokratisch zu organisieren. Das Initiativrecht und das Referendumsrecht müssen den Stimmberechtigten im gesamten Verbandsgebiet zustehen. Die Übergangsfrist für eine solche Anpassung läuft bis am 31. Dezember 2009 (Art. 144 KV).
Bis 2010 mussten die Statuten angepasst werden. Im Rahmen der Kommissionsarbeiten wurde auch zur Diskussion gestellt, ob mit der notwendigen Statutenänderung nicht auch eine neue Rechtsform anstelle des Zweckverbandes (z.B. Aktiengesellschaft oder interkommunale Anstalt) vorgeschlagen werden soll. Aus folgenden Gründen ist
dies jedoch nicht weiter verfolgt worden:
"Im Gesundheitswesen zeichneten sich [zu diesem Zeitpunkt] in den nächsten Jahren grundlegende Änderungen ab, die sowohl die Spitalfinanzierung wie auch die Leistungsaufträge für die Spitäler entscheidend beeinflussen werden. Die subjektorientierte Finanzierung, ein Finanzierungsmodell "Spital 100" durch den Kanton und eine neue Spitalliste per 2012. Diese Bestrebungen werden einen Einfluss auf unser Spital haben. Wenn diese Punkte klar sind, kann auch bestimmt werden, ob eine Organisationsänderung anzustreben ist."
Die tatsächlich gemachten Anpassungen waren deshalb relativ gering, ich kopiere hier nur die für mich wichtigen Artikel und den Vorspann, in welchem diese begründet wurden:
Liebe Stimmbürgerinnen und Stimmbürger
Mit der Inkraftsetzung der neuen Verfassung des Kantons Zürich per 1. Januar 2006 ist auch ein Anpassungsbedarf an den Statuten von Zweckverbänden entstanden. Gemäss Art. 93 KV sind die Zweckverbände demokratisch zu organisieren. Das Initiativrecht und das Referendumsrecht müssen den Stimmberechtigten im gesamten Verbandsgebiet zustehen. ...
Die Statuten des Zweckverbandes gehen gegenüber der Gemeindeordnung vor. Das heisst, dass die einzelnen Gemeinderäte via ihren Delegierten Zustimmung zu einem Kredit geben können, auch wenn der auf ihre Gemeinde entfallende Beitrag höher ist als die eigentliche Kompetenz des Gemeinderates. Dem Gemeinderat, bzw. den Delegierten kommt daher eine grössere Verantwortung zu als bisher und die Institution „Delegiertenversammlung“ wird dadurch aufgewertet.
per 1.1.2010 Affoltern a.A., 9. Juli 2009
Art. 4: Zweck
a. Der Verband bezweckt im Rahmen der gesetzlichen Gesundheitsversorgungsaufgaben den Betrieb des Spitals Affoltern. Dieses besteht aus Akutspital, Langzeitpflege, Tagesheimen und angegliederten Diensten.
b. Der Verband kann unter Vorbehalt der Zustimmung der Verbandsgemeinden weitere Aufgaben der öffentlichen Gesundheitspflege übernehmen.
Art. 44: Kostenverteiler
a. Investitionen
Die nicht durch Staatsbeiträge und andere Einnahmen gedeckten Kosten von Investitionen sind, soweit hiefür nicht Fonds beansprucht werden, durch die Verbandsgemeinden zu decken. Die Verteilung erfolgt je zu 50 % nach der berichtigten absoluten Steuerkraft und der Einwohnerzahlen der Gemeinden am 1. Januar des Jahres, in dem der Kreditantrag gestellt wird. (...)
b. Betrieb
Die nicht durch Staatsbeiträge und andere Einnahmen gedeckten Betriebskosten sind durch die Verbandsgemeinden
zu decken. Die Anteile der Verbandsgemeinden an der Unterdeckung des Spitalbetriebs inkl. Langzeitpflege erfolgen je zu einem Drittel nach der letztbekannten berichtigten absoluten Steuerkraft und der Einwohnerzahlen am 1. Januar des Rechnungsjahres sowie der Pflegetage im Abrechnungsjahr. Die Verteilung der Anteile der Verbandsgemeinden an der Unterdeckung der Nebenbetriebe erfolgt je zu 50 % nach der berichtigten absoluten Steuerkraft und der Einwohnerzahlen der Gemeinden am 1. Januar des Rechnungsjahres.
Art. 45: Eigentum
Die von den Verbandsgemeinden gemeinsam erstellten Bauten und erworbenen Einrichtungen sowie die beweglichen Vermögensteile und das Bar- und Wertschriftenvermögen sind Eigentum des Verbandes.
Art. 49: Austritt
Jede Verbandsgemeinde kann, unter Vorbehalt der Zustimmung der Gesundheitsdirektion und unter Wahrung einer Kündigungsfrist von zwei Jahren auf das Jahresende aus dem Verband austreten. Die Betriebskommission kann diese Frist auf Antrag der betroffenen Gemeinde abkürzen. Austretende Gemeinden haben keinen Anspruch auf Entschädigungen irgendwelcher Art. Bereits eingegangene Verpflichtungen werden durch den Austritt nicht berührt.
Die Verhältnisse des Spitals Affoltern sind dadurch komlizierter als im Normalfall, als das Spital Affoltern einem spezifischen Modell ("Modell Affoltern") verpflichtet ist und insbesondere eine Langzeitpflege beinhaltet, die durch die neue Gesetzgebung eine ganz andere Finanzierung als das Akutspital hat.
In der Folge der Demokratisierung wurde der Zweckverband - bei weitem nicht nur in Spitälern - als zu kompliziert empfunden. Im Spital Affoltern wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit der Rechtsform des Spital befassen sollte. Die Arbeitsgruppe unter der Leitung des BK-Präsidenten visierte von Anfang an eine Aktiengesellschaft an und hat deshalb einen Rechtsberater beigezogen, der als Jurist in anderen Spitälern im Verwaltungsrat war. Aus fiktiven Zeitgründen wurde beschlossen, nur die Aktiengesellschaft auf- und auszuarbeiten und den Stimmbürgern vorzulegen. Das ganze Projekt erwies sich aber als viel zu kompliziert und wurde schliesslich in der Volksabstimmung (Nov. 2013) abgelehnt.
Der politische Kampf ist pro und kontra dokumentiert:
www.unser-spital-affoltern.ch
www.verein-zweckverband.ch
Nachdem die Abstimmung keine Änderung der Rechtsform gebracht hat, blieb der Zweckverband, so wie er war, also ohne Haushalt in Kraft. Das wurde allseits als nicht wirklich gut angesehen, weshalb eine Statutenanpassung, die eienen Haushalt einführt angestrebt wird - womit viele Diskussionen wieder von vorne beginnen.
Ganz unklar sind die Eigentumsverhältnisse. Der Zweckverband ist eine selbstständige Körperschaft. Vernünftigerweise würde das Spital dem Zweckverband gehören, was im Zustand ohne Haushalt nicht möglich ist. Daraus leiten einige Leute ab, dass das Spital den Gemenden gehöre.
Als Besitzer des Spitals hat der Kanton die Gemeinden "eingesetzt", in dem er die Darlehen statt dem Spital den Gemeinden angelastet hat. Die Gemeinden könnten in der Kantonslogik ihre Beiträge ja auch in Darlehen "umwandeln" - aber natürlich nur, wenn sie nicht als Eigentümer des Spitals auftreten, weil man sich selbst ja schlecht ein Dahrlehen geben kann. Dem Spital würde dadurch überdies eine Zinslast entstehen, die es mit den (vom Kanton) gegebenen Fallpauschalen bei weitem nicht aufbringen könnte. Die Gemeinden müssen also auf diese Kapitalisierung verzichten, weil sie so das Spital schliessen würden - wie der CEO des Spitals, dem diese Problematik sehr bewusst ist, mehrfach hervorgehoben hat. Umso mehr wollen sie sich als Eigentümer sehen.