spielen hat viele Bedeutungen, siehe dazu Spiel |
Als Spielen bezeichne ich ein Verhalten, in welchem ich keine fremdreferentiellen Zwecke erkennen kann. Wenn ich spiele, verfolge ich in diesem Sinne keine Absicht jenseits des Spieles, insbesondere auch keine Erholung oder Ablenkung und dergleichen ("Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt" (F. Schiller: Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. In: WW (Nationalausgabe) XX, pp. 309ff - 15. Brief, S. 359).
"Spiel" dient mir als Handlungszusammenhang: Bestimmte Verhaltensweisen kann ich als Spielen deuten.
Ich unterscheide zwei Arten den Spielens, ein eigentliches, kindliches, unreflektiertes Spielen und ein Spielen, in welchem Regeln reflektiert werden, die als Spiel aufgefasst werden können. Differenztheoretisch: Ich kann spielen oder ein Spiel spielen. Spiele sind durch Settings wie Spielfeld, Figuren, usw. und Regeln bestimmt. |
Spielen
eigentlichreflektiert (Spiel) ProzessspielErgebnispiel |
Ich unterscheide Prozess- und Ergebnisspiele. Im Ergebnisspiel wird das Ergebnis zum Zweck des Spieles, was das Spiel aufhebt (Pseudospiel). Varianten des Ergebnisspiels sind das Vorspielen (statt spielen) etwa von Musik (das Anerkennung bringen soll), das Rollenspiel (das Erkenntnis bringen soll), das Glücksspiel (das Geld bringen soll).
Bestimmte Ergebnisspiele werden in der Spieltheorie (das ist ein Eigenname, der für etwas anderes steht, als für "Theorie des Spiels") beschrieben. Diese "Spiele" beruhen auf einem eigenständigen, formalen Spielbegriff, der vielmehr mit Kriegsspiel als mit eigentlichem Spielen und mit Prozessspielen zu tun hat.
Als Spiel bezeichne ich die Differenz zwischen einem Spiel und der Wirklichkeit ("Das Gegenteil von Spiel ist nicht Ernst, sondern Wirklichkeit (S. Freud); Das Leben ist ein Spiel (Volksmund)). Ich unterscheide zwischen Spiel und Wirklichkeit und problematisiere die Wirklichkeit als Spiel. Im Spiel mache ich das gleiche wie in der Wirklichkeit. In der Wirklichkeit spiele ich ein Spiel, beispielsweise Rollen.
Als Spiel bezeichne ich die Differenz zwischen Prozess-Spiel und Ergebnis-Spiel. Ich kann im Ergebnisspiel Punkte zählen, damit das Spiel "funktioniert". Ich fahre beispielsweise Motorad und schaue dabei auf die Rundenzeit (Ergebnis), obwohl mich diese Zeit im Sinne des Wettbewerbes nicht interessiert. Ich verwende diese Zeit als externes Kriterium zur Kritik meines Gefühls dafür, ob die Fahrt gelungen ist.
Nomic (paradoxes Spiel), Spielregel, Sprachspiel
Spiel heisst "eine Tätigkeit, die Vergnügen bereitet, nicht als Endergebnis, sondern während man sie ausführt" (S.Ceccato, zit in E. von Glasersfeld, WdW, 57).
Kritik: "Vergnügen" verwende ich in meiner Formulierung nicht.
H. Tiwald/K. Stripp unterscheiden bei den resultatorientierten Spielen Prozessspiele (Ereignis-Spiele) und Ergebnisspiele (Pseudo-Spiele). "Prozessspiele sind Spiele im eigentlichen Sinn. Ihr Regelwerk und ihre Spielidee betreffen nur das Ereignis selbst. Dies steht im Gegensatz zu den Ergebnisspielen, deren Sinn es ist, mittels des Spiel-Prozesses ein Spiel-Ergebnis herbeizuführen, das unmittelbar nach Spielende feststeht" (Tiwald, 1975, 96). "Im Pseudo-Spiel 'Fussball' kämpfen zwei Mannschaften gegeneinander, im Prozessspiel 'Fussball' dagegen spielen zwei Mannschaften, ohne zu zählen, ohne ein Spielergebnis und einen Sieger zu ermitteln, miteinander" (ebd. 98).
Das Prozessspiel verhindert jedoch nicht die Leistung: "Aus unserer Sicht ist es eine Fiktion anzunehmen, dass Leistung nur dann erbracht wird, wenn gezählt, gemessen und Rangordnungen innerhalb einer Konkurrenz gebildet werden" (ebd. 99).
Kritik: Ich erbringe meine Spielleistung nicht nur, wenn ich zähle, aber ich zähle, um mein Leistungsgefühl zu prüfen.
J. Huizinga schreibt in seinem Hauptwerk "Homo ludens": "Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des 'Andersseins' als das 'gewöhnliche Leben'" (1938, S. 37).
Merkmale des Spiels sind nach Gadamer:
Ein Spiel ist eine Tätigkeit die keinen Zweck außerhalb ihrer Selbst hat, nicht Mittel zu einem Zweck ist, sondern Selbstzweck. Spiel will nichts anderes als Ziele und Zwecke im Spiel erreichen. Das Ziel des Spiels ist das Spielen.
Immer wird ein durch Spielregeln bestimmtes und nur auf diese bestimmte und nicht andere Weise zu ereichendes Spielziel verfolgt. Das Spielziel zu erreichen ist mit Anstrengung verbunden, eine Herausforderung muß es sein, damit es Spaß machen kann.
Das Spiel lebt vom Hin und Her der Bewegungen. Auf einen Zug folgt ein antwortender Zug, ein Gegenzug. Das drückt sich in Übertragungen des Spielbegriffs auf Naturvorgänge, z. B. das Spiel der Wellen, aus.
Wer spielt, der ist in das Spiel versunken, er ist hineingezogen, er ist so gefesselt, daß er nur mitspielen kann, er handelt mit Heiligem Ernst - ansonsten ist er ein Spielverderber. Dieses Mitgehen ist dem Spiel nicht äußerlich, sondern wesentlich.
Der Gegenbegriff zu Spiel ist nicht Ernst, sondern Nichtdabeisein. Nichtdrinsein.
Spielen ist emotionale Intensität. Dabeisein ist nicht nur kognitive Konzentration, diese ist distanzierend. Dabeisein ist emotional, drin sein, nicht distanziert sein, Intensität des Empfindens.
Wie werden die Spieler ins Spiel gezogen? Durch die Herausforderungen, Aufgaben und Regeln, die es an sie stellt. Die Spieler, die sich ins Spielgeschehen ziehen lassen, sind mit heiligem Ernst dabei.
Die Zeitlichkeit des Spiels ist die des "Dabeiseins für eine Weile". Spielen hat seine Eigenzeit, erfüllte Zeit statt leerer, die nur zu füllen wäre - anders wäre autotelisches Tun unmöglich.
Das Spiel existiert nur im gespielt werden, seine Seinsweise ist die des Mitspielens. Man kann ein Spiel nicht objektiv erfahren, ihm nicht gegenüberstehen, man kann es nur im Dabeisein erfahren - in der Teilnahme am Prozeß, nicht im Beobachten des Prozesses oder im Studium der Spielregeln..
Nicht die Spielenden spielen das Spiel, sondern das Spiel spielt sich selbst. Das Spiel bestimmt was die Spielenden tun. Die Spieler sind für jedes Spiel kontingent (austauschbar). Das Spiel behält seine Identität auch wenn die Spieler wechseln.
Spielen ist Da-sein, wach bei-sich-sein und in-der-Welt-sein - nicht Weg-sein, nicht Verfallenheit an etwas anderes als Da-sein.
„Es gibt ein Spiel, das Kinder spielen, wenn die Flut kommt. Sie bauen um sich herum eine vermeintlich undurchdringliche Sandmauer, um das Wasser so lange wie möglich draußen zu halten. Natürlich sickert das Wasser von unten durch und irgendwann durchbricht es die Mauer und überflutet alle. Erwachsene spielen ein ähnliches Spiel. Sie umgeben sich mit einer vermeintlich undurchdringlichen Mauer aus Argumenten, um die Wirklichkeit draußen zu halten. Doch die Wirklichkeit sickert von unten durch, durchbricht irgendwann die Mauer und überflutet uns alle.“( Dieses Spiel geht nur zu zweit)