Es gibt in der Soziologie ein breites Spektrum von systemtheoretischen Auffassungen. Einerseits werden systemtheoretische Konzepte gleich wie statistische Methoden quasi als empirische Hilfswissenschaften verwendet und andrerseits werden soziologische Systemtheorien entwickelt. Hier geht es mir um den zweiten Fall, wobei ich (vorderhand) nur eine bestimmte soziologische Systemtheorie beachte:
Als soziologische Systemtheorie bezeichne ich - hier - die Theorie von N. Luhmann und deren Erweiterungen durch D. Baecker, P. Fuchs, usw.
In Bezug auf die autopoietische Entwicklung dieser soziologischen Systemtheorie unterscheide ich:
den soziologischen Strukturalismus von Alfred Radcliffe-Brown, zu welchem T. Parsons mit seinem "Systemfunktionalismus" eine Art interne Gegenströmung auslöste. Als soziologischen Strukturalismus bezeichne ich dabei die Perspektive, in welcher Gesellschaft so begriffen wird, dass sie bestimmt, was gesellschaftlich/sozial vorkommen KANN. Die Institutionen - die empirisch vorkommen - sind dann die realisierten Fälle des strukturell Möglichen.
den Strukturfunktionalismus ("Systemfunktionalismus") von T. Parsons (der sinnigerweise besser Funktionsstrukturalismus heissen würde). Als "Strukturfunktionalismus" bezeichne ich dabei die Perspektive, in welcher sogenannte Funktionen, die erfüllt sein müssen, vorausgesetzt werden.
Die AGIL-Funktionen, die T. Parsons verwendet, sind reaktionärer Common Sense.
die funktionale Systemtheorie von N. Luhmann, in welcher die strukturfunktionalistische Theorie von T. Parsons aufgehoben wurde, indem dessen Systeme als "soziale Kommunikationssysteme" charakteriseirt und vorausgesetzt werden, die "Funktionen" aber nicht mehr stratifikatorisch sondern autopoietisch begründet werden (was am reaktionären Charakter nichts ändert).
Die Entwicklung dieser "Theorie" besteht darin, dass zunächst die Funktion von Strukturen beobachtet wurde, während später die Strukturen als Resultat einer funktionellen Differenzierung begriffen wurden. T. Parsons leitete den Perspektivenwechsel durch Anleihen bei der General Systemtheory ein. In der von N. Luhmann entwickelten Theorie sozialer Systeme wird dieser Unterschied quasi durch eine Inversion der Inversion aufgehoben, in welcher wieder die Strukturen - nun als soziales System bezeichnet - beobachtet werden, jetzt aber im Hinblick darauf, welche Funktionen sie erfüllen KÖNNEN.
Ein paar Hintergründe
Ein Artefakt - beispielsweise ein Haus oder ein Werkzeug - hat eine Gegenstandsbedeutung, weil der Hersteller weiss, wozu er den Gegenstand herstellt. In eine gewissen Hinsicht kann man sagen, dass Artefakte eine Funktion haben.
Autopoietische Maschinen - ein Baum oder ein Mensch - haben in genau dieser Hinsicht natürlich keine Funktion.
In der Systemlehre hat alles eine Funktion. Jede Sache hat ihre Funktion in einem grösseren Zusammenhang. Am Anfang dieser Vorstellung steht der Organismus und dann eine Analogie von Organismus auf Gesellschaft. Die Funktion, die die Leerstelle der Autopoiesis besetzt heisst "Selbsterhaltung", was von T. Parsons als strukturelles Argument eingeführt wird: Alles was existiert, erfüllt die Bedingungen des Existieren. Diese Bedingungen können als Funktionen formuliert werden (AGIL). Man kann beispielsweise sagen, dass etwas, was in einer Umwelt überlebt, sich dieser Umwelt anpassen kann. Dann kann man die ....
((noch nicht) mehr dazu) Soziologische Systemtheorien in der Hyperbibiothek
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