Nähmaschinen sind in viele Hinsichten interessant. So sind sie beispielsweise die ersten Maschinen in Privathaushalten. Hier interessieren sie mich aber vor allem als Beispiel für bestimmte Aspekte der technischen Entwicklung (siehe dazu auch Antrieb). |
Als Nähmaschine bezeichne ich - tautologischerweise - eine Maschine zum Nähen. Die Tret-Nähmaschine ist ein exemplarisches Beispiel für das Trennen des Antriebes von der Führung des Werkzeuges, so dass der Antrieb schliesslich mittels eines Motors geleistet werden kann, was die Maschine begründet. Die Tret-Nähmaschine ist eine Keimform, also noch keine Maschine, aber sie hat schon die Funktionsweise eines Mechanismus. |
Quelle: Wikipedia |
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Eigentliche Maschinen werden durch eine "Kraftmaschine" angetrieben.
"Ist Grossmutters Tret-Nähmaschine (k)eine Maschine?"
Zwar ist klar, dass die Tret-Nähmaschine, nur weil sie "Maschine" genannt wird, sowenig eine Maschine sein muss, wie die Erdbeere eine Beere ist. Aber verdrängen lässt sich die Frage, indem man auf den sprachlich-ausdrücklichen Aspekt des Einwandes verweist, nicht. Die Tret-Nähmaschine verweist auf ein tieferliegendes Problem. Definitionen implizieren durch ihre Begriffsbäume Verwandtschafts- oder Entwicklungstheorien. Zu unserer Einteilung der Tierwelt beispielsweise gehören implizite Evolutionstheorien. Die unterstellten Verwandtschaften können falsch oder bedingungsmässig unvollständig sein, wobei "falsch" hier weder logisch noch letztlich, sondern umgangssprachlich gemeint ist. Definitionen und die in ihnen steckenden "Theorien" sind umgangssprachlich falsch, wenn sie am praktischen Anliegen scheitern. Ein Wal ist in diesem Sinne kein Fisch, weil er nicht in einem unmittelbar über dem Wasser gedeckten Aquarium gehalten werden kann. In unserem Zusammenhang interessiert aber mehr, dass es Theorien gibt, deren Gegenstände sich "bewusst" gegen die Theorie verhalten können. Naturwissenschaftliche Gegenstände haben kein Eigenleben, die Erde muss sich drehen, ein Magnet muss Strom induzieren, wenn er unter bestimmten Bedingungen steht. Es geht nicht darum, dass sich die letzten Gegenstände der Naturwissenschaften der Bestimmbarkeit auch entziehen, oder darum, dass konkrete Wissenschaft immer durch noch gründlichere Erkenntnis ersetzt wird. Hier geht es um die wissenschaftlichen Gegenstände selbst. Naturwissenschaften definieren sich über Gegenstände, die keinen Willen haben.
Sozialwissenschaftliche Theorien dagegen - davon abgesehen, dass sie in einem unmittelbaren Sinne falsch sein können - leiden immer auch darunter, dass sie einen Gegenstand haben, den die Menschen bewusst verändern können. Wenn wir also von Menschen hergestellte Gegenstände klassifizieren, können wir nicht verhindern, dass Menschen die postulierte Ordnung - begründet - brechen.
Die Tret-Nähmaschine ist eine ,Maschine‘, der die ,vernünftige‘ Energieversorgung fehlt. Sie ist eine typisch anachronistische Ingenieursleistung: Ein Werkzeug, das die Entwicklungsstufe der Maschine hat, aber - energiemässig - keine ist. Die Erfinder(ingenieure), die im Falle der ersten Nähmaschinen mehr technische Pioniere als Ingenieure waren, widersetzten sich unserer Definition nach dem Gebot der Praxis. Die Praxis (hier wohl der Markt) verlangte nach einem Werkzeug, das die relativ einfache, aber (für Handwerkerinnen) komplizierte Nähbewegung ersetzte, aber nicht zu teuer war. Was "teuer" damals geheissen hat, zeigen heute weniger die vollautomatischen Billigst-Nähmaschinen, als die fehlende Strominfrastruktur in den Entwicklungsländern. Die Tret-Nähmaschine erfüllt bestimmte Gebote des praktischen Lebens. Wer etwa, um Wasser zu schöpfen, einen lebenden Ochsen an den Ziehbrunnen spannt, macht dies wohl eher, weil er kein vernünftigeres Werkzeug, als weil er etwas gegen unsere Definition hat. Gleichwohl hat er, oder vielmehr macht er etwas gegen die Definition. Der Ochse am Ziehbrunnen ist dem Ochsenbesitzer, was der Sklave seinem Feudalherrn und was unser Schmidt seinem Taylor. Alle überbrücken eine vor-zeitige Idee. Sie stehen für antizipierte Werkzeuge, die noch nicht entwickelt sind. So gesehen verfolgen die Ingenieure eine antizipierte Wirklichkeit, sie ,ent-wickeln‘, packen aus oder entfalten, was dem Werkzeug immer schon innewohnt. Ingenieure entwickeln das Werkzeug im besten Sinne des Wortes. Sie entwickeln, wenn man so will, die Menschen aus ihrer viehischen Not, andere Lebewesen, insbesondere andere Menschen als Werkzeuge zu missbrauchen" (Todesco, Technische Intelligenz, S. 67)
Und noch eine Geschichte zum Nähen: Nähnadelproduktion bei A. Smith