Kapitalismus ist ein Schlag- oder Plastikwort mit einer vielfältigen Begriffsgeschichte.
Hier befasse ich mich mit einem spezifischen Referenzobjekt des Ausdruckes, nämlich mit einer Gesellschaftsformation, die K. Marx als "Kapitalismus" bezeichnet hat - das ist das, was ich in meiner Sprache als Kapitalismus bezeichne.
Als Kapitalismus bezeichne ich eine Gesellschaftsformation, in welcher die Herstellung von Waren durch Lohnarbeit die dominante Form der gesellschaftlichen Produktion darstellt.
Institutionell bezeichnet (dieser) Kapitalismus eine massenhaft umgesetzte Form, Arbeitskaftbesitzer dazu zu bringen, freiwillig zu tun, was sie tun sollen, wobei der Lohn als Vertragsbestandteil Ausdruck als dieser Freiwilligkeit erscheint. Der Sklave wird gezwungen, der Lohnarbeiter willigt in einen Vertrag ein.
Als Kapitalismus bezeichne ich diese Produktionsform, weil ich das für Lohn eingesetzte Geld als Kapital bezeichne.
Die eigens dazu erfundene Arbeitskaft wird im kapitalistischen Denken als Ware behandelt.
K. Marx hat das in seiner Wertlehre perspektivisch - als Ideologie - dargestellt. Als Lohnnehmer kann ich so erkennen, welcher Mehrwert mir (und gesellschaftlich) enteignet wird.
Klassenbewusstsein bedeutet aber vor allem anderen zu erkennen, dass die "Ware Arbeitskraft", also die Lohnarbeit aufgehoben werden muss.
Allgemein gesprochen beruht der Kapitalismus auf einer ursprünglichen Akkumulation, in welcher die Kapitalisten sich die Produktionsmittel in einem historisch beschreibbaren Prozess aneignen. Dazu gibt es verschiedene Geschichten. Die einfachste Geschichten sind ein Weiterspinnen feudaler Verhältnisse, wo es eben bereits reiche Leute gab, bevor der Kapitalismus angefangen hat, wodurch die Proplematik der Akkumulation in den Feudalismus verschoben wird.
In diesen Geschichten wird normalerweise suggeriert, dass der Feudalismus eine notwendige und hinreichende Voraussetzung für den Kapitalismus war.
Eine etwas differenziertere Geschichte erzählt E. Wood, in welcher Gewinnmaximierung und Produktivitätsteigerung nicht naturgegebene Voraussetzungen, sondern Merkmale des Kapitalismus sind, die deshalb mitbegründet werden (müssen). Sie schreibt, dass historisch normalerweise ausgeblendet werde, worauf die feudale Gesellschaft beruht, indem unterstellt wird, dass die Erdeoberfläche immerschon jemandem gehörte, der sie dann grosszügig als Lehen "ausleihte". Im europäischen Raum gibt es seit ungefähr 1000 n. Chr. dokumentierte Fürsten und Adel. Diese Könige sind das Resultat von Grundverteilungskriegen, in welchen sie als Lösung für das Problem dienten, wer welchen Rechtsanspruch auf welchen Grund hat. In der primitivsten Form gehörte das ganze Land dem König (royal estate), der es aber logischerweise jenen lehnen musste, die ihn eingesetzt haben.
Die feudalen Lehnsherren bekamen auf diese Art "zu Recht" auch Zugriff auf die Arbeit der Bevölkerung, worin sich der Staat ausdrückte. Um ihre Legalität aufrecht zu erhalten, haben die Fürsten den jeweiligen König auch finanziell gefeiert, wobei in keinem Raum des geografischen Europas über längere Zeit staatlich stabile Verhältnisse herrschten, weil alle Bündnisse einem Kriegsprozess unterlagen. Es gibt ein paar Adelsgeschlechter, die relativ erfolgreich waren: Die Tudors behaupteten sich über mehr als 100 Jahre, wenn man ihr propagandistisches Selbstverständnis zugrunde legt. Sie prägten England im Übergang. Die Habsburger und die Bourbonen regierten über viele Jahrhunderte hinweg, wobei es in beiden Lagern viele Hausteilungen und Zusammenschlüsse gab, also keineswegs ein stabiles Königsreich.
Die eigentliche Adelsgeschichte schrieben Kaufleute wie die Fugger und die Medicis, die das Geldwesen einführten und den Adel, der sie dazu "rechtlich ermächtigte" finanzierten. Die Medicis stehen dafür, dass der Adel anfangs auch eine kirchliche Variante hatte.
Kapitalismus entstand nicht in "Europa", sondern in England, wo ein sehr spezifischer Feudalismus herrschte. Die Produktion - und genau darum geht es in den Produktionsverhältnissen - war landwirtschaftlich, wobei die Besitzverhältnisse in verschiedenen Staaten recht verschieden geregelt waren. In "Frankreich" beispielsweise waren die Bauern vermehrt als eigentliche Pächter auch "Besitzer" des Bodens, egal wie stark sie von den Lehensleuten - quasi ausserökonomisch - ausgebeutet wurden. In "England" dagegen hatten die Tudors im Krieg gegen die Lehensherren das Landeigentum gewonnen, so dass die Lehensherren das Land nicht eigentlich verpachten konnten, sonder eine Art ..... Dadurch gerieten die Pächter in eine Konkurenz um die Arbeit und so in eine direkte wirtschaftliche Abhängigkeit, in welcher sie quasi "vertragsmässig" ausgebeutet wurden. Sie wurden nicht mehr mit unmittelbarer Gewalt zu Abgaben gezwungen, sondern willigten - als Eigentunmslose - in ein Vertragsverhältnis ein.
, wo sehr verschiedene vorhanden warenErfolgreichere Pächter stellten jene ein, die ihre Pacht verloren haben, wodurch sich eine eigentliche Lohnarbeit auf dem Lande entwickelt hat, was relativ den zufälligen Bedingungen in England geschuldet war. Die zunehmende Konkurrenz erhöhte die Produktivität und setzte Lohnnehmer für die sich entwickelnde Industrie frei. Mit diesen lokalen Unterschiede begründet etwa E. Wood, dass sich der Kapitalismus in England entwickelt hat.
Die Konkurrenz führte bei steigender Produktivität dazu, immer mehr Profit zu machen. Gleichzeitig wurden die Allmenden "abgeschafft". Der landwirtschaftliche Kapitalismus schuf - gemäss dieser "Geschichte" - die Voraussetzungen für den industriellen Kapitalismus. Eigentlich zeigt die Geschichte vielmehr, wie der Übergang in England eine günstigere Nische als an anderen Orten gefunden hat. In den anderen Staaten entwickelte sich zur selben Zeit noch keinerlei Kapitalismus, die Ausbeutung passierte noch ursprünglicher. In Frankreich etwa entwickelte sich ein absoluter Monarchismus, der ganz anderen Gesetzmässigkeiten unterlag - aber schliesslich gegen den Kapitalismus keine Chancen hatte.
Da die Engländer einen kolonialen Weltmarkt organisierten, setzte sich das Lohnarbeitsprizip sehr rasch überall durch.
E. Wood liefert mit dieser Geschichte eine genauere Beobachtung, während K. Marx die Sache noch sehr unspezifisch fasste. Sie argumentiert damit gegen die Vorstellen eines notwendigen historischen Geschehens, sondern betont wie Keimformen sich einnisten und dann durchsetzen.
E. Wood betont auch die Differenzierung in Politik und Wirtschaft. Politik wird im Sinne von gewaltbegründeter Aneignung von einer wirtschaflich-vertraglich begründeten Aneignung unterschieden. Mir leuchtet das im Rahmen ihrer Geschichte für England ein, aber im Kontext des Merkantilismus sehe ich diese Trennung ziemlich anders. Hierbei ist noch anzumerken, dass K. Marx "merkantil" für "kaufmännisch" verwendet, also nicht für den merkanitilistischen Prozess.
Die kommunistischen Theoretiker, die die Produktionsmittel dem Privatbesitz Verstaatlichung entziehen, wollen die Trennung von Staat und Wirtschaft zwangsläufig aufheben, was antagonistisch zum neoliberalen Gegenteil einer totalen Entflechtung passt. Dann würde der Staat die Verteilung - beispielsweise in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens - organisieren, oder aber, wie die historische Erfahrung zeigt, zu einem realen Sozialismus verkommen, in welchem jeder das Recht auf Arbeit hat.
utopische Alternative zum Kapitalismus