Als Familienähnlichkeit bezeichne ich - in Anlehnung an L. Wittgenstein - ein Ähnlichkeit zwischen Referenzobjekten, die im Wesentlichen auf der Assimilation des Bobachters beruht, aber durch die Alltagssprache geprägt ist.
L. Wittgenstein bezieht sich auf "Eigenschaften von Begriffen", die mit einer taxonomischen Klassifikation (Hierarchische Systematik) nicht hinreichend erfasst werden können, ohne dass sich „der Verstand Beulen holt“ (I 119); denn Begriffe können verschwommene, unscharfe Grenzen haben.
Wenn ein Kleinkind angesichts einer Kuh von einem Wauwau spricht, erkennt es eine "Familienähnlichkeit", die aber in der Sprache nicht aufgehoben ist, weil das Wort Wauwau sich nicht eingebürgert hat.
Bei Metaphern mache ich mir "Familienähnlichkeiten" bewusst.
Als Beispiele nennt Wittgenstein den Begriff der Sprache, den des Spieles und den des Sprachspiels; es gebe keine allgemeinen Merkmale, die für alle Sprachen, Spiele und Sprachspiele gelten würden. Es gibt zwar einige Spiele mit gemeinsamen Merkmalen, die aber wieder mit anderen überhaupt keine Gemeinsamkeiten aufweisen: „Brettspiele, Kartenspiele, Ballspiele, Kampfspiele“ usw. lassen sich nicht taxonomisch klassifizieren, weil sie über so genannte Familienähnlichkeiten miteinander verwandt sind (I 66 f.). Spiele bilden daher eine Familie. In den Philosophischen Untersuchungen sprach Wittgenstein bildhaft davon, dass bei bestimmten Begriffen einzelne Fälle wie Fasern eines Fadens ineinandergreifen.
Wittgenstein illustriert mit seinen Beispielen die Grenzen der hierarchischen Systematik (vgl. auch Universalienproblem) und zeigt mit seinem Ansatz der Familienähnlichkeiten zugleich eine Alternative auf. Die Überlegungen Wittgensteins haben grundsätzliche Bedeutung für die Zurückweisung eines Exaktheitsideals, die notwendige und hinreichende Bedingungen für eine Definition erfordert. Begriffe können auch unscharf sein und auf paradigmatischen Anwendungsfällen beruhen, eine Analyse ist nicht notwendig, um sie beherrschen oder erklären zu können. Zur Familienähnlichkeit vergleichbare Konzepte wurden schon früher verwendet, so etwa von John Stuart Mill, Nietzsche u. a.
L. Wittgenstein kritisiert die Forderung nach Exaktheit natürlichsprachiger Begriffe. Für deren Unschärfe prägt er den Begriff „Familienähnlichkeiten“. Er erläutert sie in PU 66 am Beispiel des Wortes „Spiel“, bei welchem er keinen gemeinsamen Zug, der allen Spielen gemeinsam wäre, erkennen kann.
Natürlichsprachige Begriffe [ was es ja ein Beispiel für Familienähnlichkeit wäre ] funktionieren nur in gewöhnlichen Situationen verlässlich: "Nur in normalen Fällen ist der Gebrauch der Worte uns klar vorgezeichnet; wir wissen, haben keinen Zweifel, was wir in diesem oder jenem Fall zu sagen haben" (PU 142, siehe auch PU 80).
Anmerkung:
Ich spreche - im Unterschied zu L. Wittgenstein, der hier Wörter meint - von Begriffen, wenn ich eine Definition geben kann.
Die Ungenauigkeit macht aber unsere "Begriffe" keineswegs unbrauchbar: "Aber ist es überflüssig zu sagen: ‚Halte Dich ungefähr hier auf‘“ (PU 71). Im Gegenteil wäre gerade eine übertriebene Präzision unzweckmäßig: "Wenn ich nun jemandem sage: ‚Du solltest pünktlicher zum Essen kommen […]‘ ist hier von Genauigkeit eigentlich nicht die Rede, weil man sagen kann ‚Denk an die Zeitbestimmung im Laboratorium […], da siehst Du, was ‚Genauigkeit‘ bedeutet" (PU 88).
DieWahl dieser Beispiele ist exemparich.
"Je genauer wir die tatsächliche Sprache betrachten, desto stärker wird der Widerstreit zwischen ihr und unserer Forderung" (PU 107). Aus diesen Beobachtungen zieht Wittgenstein das Fazit: „Die Philosophie darf den tatsächlichen Gebrauch der Sprache in keiner Weise antasten, sie kann ihn am Ende also nur beschreiben“ (PU 124).
Das sind auch ziemlich seltsame Sätze, die den Stellenwert der PU gut zeigen.