Dissipation ist ein Fremdwort für Verstreuung. Als Fachausdruck bezeichnet Dissipation einen Paradigmenwechsel in der Theorie der Physik, nach welchem die Mechanik durch die Thermodynamik aufgehobenn wurde. Als Dissipation bezeichne ich auch - in gewisserweise homonym - Prozesse, die nicht spontan auftreten, sondern zweckorientiert organisiert werden, wenn es dabei darum geht, eine Struktur aufrecht zu erhalten, indem fortlaufend verbrauchbare Energie umgeladen wird (siehe unten: Bildschirm).
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"dissipativ" heisst eine Struktur, die - im Unterschied zu konservativen Strukturer - nur durch Aufnahme von verbrauchbarer "Energie" erhalten bleibt.
Dissipative Strkturen sind in einem Fliessgleichgewicht.
Beispiel:
die Struktur einer Kerzenflamme
Die Kerzenflamme hat vier Zonen:
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Bildquelle: Wikipedia |
Die dissipative Strktur hat I. Prigogine eingeführt (I. Prigogine and G. Nicolis: On symmetry-breaking instabilities in dissipative systems. J. Chem. Phys. 46, 3542–3550 (1967). )
Basierend auf den Arbeiten A. Turings zeigte er, dass in offenen Systemen, in welchen autokatalytische chemische Reaktionen ablaufen, in der Nähe des thermodynamischen Gleichgewichts zunächst Inhomogenitäten auftreten, die durch Diffusion oder Strömungsprozesse aufrechterhalten werden können. Bei Erreichen eines Übergangspunkts fern vom Gleichgewicht kann das System Symmetriebrüche zeigen, indem es zur Ausbildung einer stationären, geordneten dissipativen Struktur kommt.
I. Prigogine hat für die dissipativen Strukturen 1977 den Nobelpreis für Chemie bekommen.
"Wir haben uns mit den grundlegenden konzeptionellen Problemen befasst, die sich aus den makroskopischen und mikroskopischen Aspekten des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik ergeben. Es wird gezeigt, dass das Nichtgleichgewicht zu einer Quelle der Ordnung werden kann und dass irreversible Prozesse zu einer neuen Art von dynamischen Zuständen der Materie führen können, die als "dissipative Strukturen" bezeichnet werden.
Vgl. Prigogine/Stengers, z.B. Termitenhügel, S. 179.
Ein Beispiel, das mich mehr interessiert, aber nicht der Selbstorganisation entspricht:
Dieser Text von R. Keil-Slawik verlangt mehr als meine eingeschränkte Verwendung des Wortes, er ist aber auch sehr umgangssprachlich geschrieben:
"Entscheidend ist, dass dissipative Strukturen neue Formen oder Gestalten ausprägen, die nicht aus den vorher vorhandenen Teilen und den zwischen ihnen bestehenden Wechselwirkungen kausal begründet werden können, sondern nur durch einen Austausch mit der Umgebung. 'Mit einer etwas antropomorphen Ausdrucksweise könnte man sagen, dass die Materie unter gleichgewichtsfernen Bedingungen beginnt, Unterschiede in der Aussenwelt (wie etwa schwache Gravitations- oder elektrische Felder) wahrzunehmen, die sie unter Gleichgewichtsbedinungen nicht spüren konnte.' (...) Dissipative Strukturen sind dynamische Ordnungszustände, die in Form räumlicher Muster mit stehenden Wellen verglichen werden können und die zu ihrer Aufrechterhaltung ständig Energie in Wärme umwandeln (dissipieren = zerstreuen)" (Keil-Slawik, 1985, 93).