Blog: Der blinde Fleck, Theorieprojekt (Vorwort) Der blinde Fleck steht für ein biologisches Phänomen und als Metapher dafür, dass ich - ohne Trick - nicht sehe, dass ich etwas nicht sehe. |
Als blinden Fleck bezeichne ich die Stelle des Gesichtsfelds, auf die die Austrittsstelle des Sehnervs in der Retina im Aussenraum projiziert wird.
Die Entdeckung des blinden Flecks wird E. Mariotte zugerechnet, der auch Tieraugen untersucht hat. Er präsentierte seine Entdeckung am französischen Königshof, indem er mit einem Versuch – ähnlich den oben genannten Tests – eine kleine Münze scheinbar magisch zum „Verschwinden“ brachte. Publiziert hatte er seine Entdeckung in Nouvelle découverte touchant la vue (Paris 1668).
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Als Metapher verweist der blinde Fleck nicht auf nicht sehen, sondern das Sichtbarmachen des Nichtsehen.
Ich kann meine Augen nicht sehen, aber im Spiegel kann ich sie sehen. Sie sind in einem blinden Fleck, den ich mir bewusst machen kann.
Die Metapher wurde durch C. Peirce bekannt gemacht, und von H. von Foerster in den "Kostruktivismus" gebracht. Der Aufsatz von H. von Foerster heisst Über das Konstruieren von Wirklichkeiten, S. 26ff (Original:"On Constructing a Reality", 1973, 35-46.)
H. Maturana, der die Metapher ausführlich verwendet, verweist nicht auf H. von Foerster, sondern auf E. Mariotte. Er scheint C. Peirce nicht zu kennen.
Im "paradoxen" Bild Bildgallerie von C. Escher wird der blinde Fleck als weisse Stelle in der Bildmitte explizit benutzt. Das erstaunliche am blinden Fleck ist aber eben gerade, dass wir ihn NICHT sehen, sondern ihn uns durch eine spezififische Wahrnehmungssituation bewusst machen müssen. In der bildlichen Metapher kann ich mir als Beobachter nicht in die Augen schauen, was ich durch Reflexion mittels eines Spiegels sehen kann. In einer speziellen Metapher wird der blinde Fleck auf den "Beobachter 2. Ordnung"" bezogen, der in der Systemtheorie 2. Ordnung thematisiert wird: Beim Beobachten - im Sinne der systemtheoretischen Terminologie - kann ich die Unterscheidung, die ich mache, nicht beobachten, ich brauche dazu eine Beobachtung 2. Ordnung.
Die Beobachtung der Beobachtung zeigt, was im blinden Fleck war. Kritische Anmerkung:
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Literatur
"Wie immer benötigt eine Unterscheidung, die dem Beobachten dient, einen blinden Fleck. Er findet sich dort, wo die Grenze gezogen werden muss, die die beiden Seiten der Unterscheidung trennt. Der Trennstrich muss als unbeobachtbar gezogen werden, weil der Beobachter an die eine oder die andere Seite der Unterscheidung anschliessen muss." (Luhmann, Gesellschaft, S. 426 )
Luhmann, Kunst der Gesellschaft, S. 136f )
Wirth, U.: Konjektur als blinder Fleck
„jede ungelöste Verdrängung beim Arzt entspricht nach einem treffenden Worte von W. Stekel einem ‚blinden Fleck‘ in seiner analytischen Wahrnehmung.“ (S. Freud: Ratschläge für den Arzt).