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Gedächtnis ist ein -nis-Wort zu gedenken oder Andenken.
 

Als Gedächtnis bezeichne ich die Hypostasierung, dessen Referenzobjekt eine Art vorgestelltes Organ ist, mit welchem ich mich an Sachen erinnern kann, die ich früher erlebt oder erfahren habe.
 

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  Wiederpräsentation  
  erleben
  Erfahrung  
  Erinnerung  
  Gedächtnis  
 

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Das Gedächtnis erfüllt die Funktion Erfahrungen zu repräsentieren, ohne dass ich sie aufgeschrieben habe.

Beispiel:
Ich kann reproduzieren, was ich gestern gehört oder gelesen habe.
Ich kann mich daran erinnern - weil oder wozu ich ein Gedächtnis habe.

Beispiel:
Ich kann bei Systemen Verhalten erkennen, die ich nur damit erklären kann, dass sie etwas wissen, ohne aktuell darauf zugreifen zu können.
Ein Tier findet Futter, das es früher versteckt hat. (Dieser Fall ist interessant, weil er sich auch anders erklären lässt: Eichhörnchen)

R. Ashby problematisiert Gedächtnis als Beobachterkonstruktion, die sinnvoll ist, wenn der Beobachter nicht alle Variablen eines Systems beobachten kann.
Der Zustand einer Variablen X wird durch den Zustand von 2 anderen Variablen (A / B) bestimmt, die ihrerseits in einer Abhängigkeit stehen. Wenn man beide Variablen A und B sehen kann, kann man ohne Rückgriff auf früher sagen, was die Variable X macht. Wen man aber nur A sieht, muss man X via Gedächtnis rekonstruieren.
In seinem Beispiel, muss man wissen, ob B zuvor in einen bestimmten Zustand versetzt wurde. Das heisst, man muss etwas über das Vorher wissen, was als Gedächtnis bezeichnet wird, weil man im Augenblick nicht genug weiss. (R. Ashby 1974, S.172f)

Gedächtnis wird metaphorisch für Datenspeicher verwendet, was selbst eine Metapher ist. Automaten haben einen Speicher, wobei auch diese Redeweise metaphorisch ist), sie können sich nicht erinnern, aber ein deutender Beobachter kann das Verhalten einer Blackbox als Gedächtnisleistung interpretieren.

siehe auch: externes Gedächtnis


Literatur:

von Foerster, Heinz, der R. Asby angestellt hatte, hat eine Arbeit über Was ist Gedächtnis geschrieben.

".. ist demnach ein typisches Produkt von Gedächtnis: ein Vergessen des meisten, vor allem des Unwiederholbaren, und das Erinnern einiger Auffälligkeiten" (Luhmann, KdG:482)

Nach Hebb beruht das Kurzzeitgedächtnis auf kreisenden Hirnströmen '(reverberatin~ circuits), während das Langzeitgedächtnis durch strukturelle Anderungen der Nervennetze, z. B. durch Veränderungen an den Synapsen oder durch Entstehen neuer synaptischer Kontakte, gekennzeichnet ist (G. Roth: Neuronale Grundlagen des.Lernens und des Gedächtnisses, S.66)

.. Gedächtnis als Fähigkeit, Vergessen und Erinnern zu diskriminieren .. Luhmann, GdG, S. 122

"Das letzte Rätsel des Denkens oder des Sprechens ist das Gedächtnis. Wir lösen das Rätsel nicht, aber wir stellen die Rätselfrage doch bestimmter, als es bisher geschehen ist, wenn wir uns darauf besinnen, dass das Gedächtnis der verbalen Welt angehört. Wie die 'Seele'. Der substantivischen Welt gehört das Gedächtnis ganz gewiss nicht an; es gibt keinen Stoff, aber auch keine Kraft, es gibt KEIN BLEIBENDES, das etwa das AMT hätte, sich zu erinnern. Das Gedächtnis ist kein nomen agentis. Auch der adjektivischen Welt gehört das Gedächtnis nicht an, man wollte es denn eine Eigenschaft der psychischen Geschehnisse nennen, dass sie dauern, d. h. dass sie sich erhalten. Wie sich jeder Stoff und jede Kraft erhält. Wir sagen nur tautologisch von diesen dauernden Eindrücken, Wahrnehmungen, Wortfransen, dass sie sich erneuern; aber wir sind es nicht, die uns ihrer erinnern: SIE selbst (die Eindrücke usw.) erinnern UNS. Das Gedächtnis, das physiologische wie das psychologische - die Sonder! ung ist nicht natürlich, ist nur hoministisch -, ist eine Tätigkeit, ist ein Tun, ist eine Bewegung, ist immer auch mit Bewegungen verbunden, im Falle sogar des lautlosen Sprechens, des Denkens, mit nachweisbaren Bewegungen der Sprachorgane." (F. Mauthner, Die drei Bilder der Welt, in: Wittgenstein Studies 1/97)

Heinz von Foerster: "Was ist Gedächtnis, dass es Rückschau und Vorschau ermöglicht?" in "Gedächtnis" (stw), hrsg. V. S.J. Schmidt (1991), (aber auch in H.v. Foerster 1993 "Wissen und Gewissen")
Heinz von Foerster: "Gedächtnis ohne Aufzeichnung" in: Ders.(1985) "Sicht und Einsicht. Versuche zu einer operativen Erkenntnistheorie"


[ Raoul Schrott/Arthur Jacobs (2011): Gehirn und Gedicht ]
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