LiteraturSoziologische Phantasie und exemplarisches Lernen
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Oskar Negt (* 1934) ist Sozialphilosoph. Sein Studium der Soziologie beendete er in Frankfurt/M, wo er 1962 bei Theodor W. Adorno mit der Arbeit über den Gegensatz zwischen positivistischen und dialektischen Denkweisen am Beispiel von Hegel und Comte promovierte.
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Soziologische Phantasie und exemplarisches Lernen
Oskar Negts Arbeit, die er Mitte der 60er Jahre als Diskussionsfassung vorlegte, ging davon aus, dass eine Form der Arbeiterbildung als gewerkschaftliche Arbeit zu entwickeln sei, in der die Arbeiter und Arbeiterinnen Subjekte der Lernarbeit seien. Aus inhatlichen Problemen, klassenspezifischen Sprachsturkturen, Vorstellungen und Gesellschaftsbildern, den historischen Zielen der Arbeiterbewegung und der objektiven Möglichkeit der bestehenden Gesellschaft sollten Prinzipien einer Erziehungsmethode entwickelt werden, die zunächst nur für Arbeiter und Arbeiterinnen gelte.
Als erster Schritt sollte sich in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit eine soziologisch und politisch vermittelte Elementarbildung durchsetzen, dies jedoch nicht als proletarische Imitation einer bürgerlichen Halbbildung. Die Unterbewertung der Bildung in den Gewerkschaften habe dazu geführt, das durch das Anwachsen der Schicht der Angestellten mitbedingten und durch das Schulsystem immer aufs neue reproduzierte kleinbürgerliche und mittelständische Ideologien, in denen sich autoritäres Bewusstseinspotential entfalte ohne wirksame Gegenkräfte in die gewerkschaftliche Bildungsarbeit eindringen könne.
Es bestehe die Gefahr, dass hierdurch die Gewerkschaften als Ordnungsmacht gegenüber die Arbeiter auftreten.
Gewerkschaftliche Bildungsarbeit müsse daher ihrem Inhalt und ihrer Methode nach eine autonome Position gegenüber den bürgerlichen Bildungseinrichtungen beziehen. Es müsse daher ein Ansatz entwickelt werden, welcher unmittelbar an den Erfahrungen der Arbeiter ansetze und bei der exemplarischen Behandlung der soziale Konflikte im Betrieb und Alltag auf die klassenspezifisch präformierten Gefühls-, Denk- und Sprachstrukturen einzugehen habe. Diese seien mit den geschichtlichen Ereignissen zu verknüpfen.
Es gehe hier also nicht um Wissensvermittlung, sondern um die Anwendung soziologischer Phantasiefähigkeit von Arbeitern und Arbeiterinnen innerhalb ihrer ausserwissenschaftliche Sprach- und Denkformen, mit denen sie zu einer Verarbeitung von Praxis gelangen.
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