Wolfskind        zurück ]      [ Stichworte ]      [ Die Hyper-Bibliothek ]      [ Systemtheorie ]         [ Meine Bücher ]
 

Als Wolfskinder bezeichne ich Kinder, die isoliert von anderen Menschen aufwuchsen. Manche Wolfskinder sollen von Wölfen (oder anderen Tieren) adoptiert worden sein.

Ich unterscheide zwei Fälle ohne anzunehmen, dass sie empirische belegt werden könnten:

  • Eigentliche Wolfskinder, die zufällig isoliert aufgewachsen sind:

    H. Maturana erzählt einen solchen Fall (siehe unten)

    Das Dschungelbuch von R. Kipling erschien 1894. Die bekannteste Erzählung darin handelt von Mogli, sie wurde sehr oft verfilmt, u.a. im Zeichentrickfilm von Walt Disney, der mit der Geschichte aber wenig zu tun hat.

    Tarzan

  • Kaspar Hauser-Geschichten, in welchen Kinder aus "guten" Gründen isoliert wurden.
bild bild
Bildquelle: H. Maturana: Baum der Erkenntnis

 

"Daß dies alles in der Tat auch mit uns Menschen geschieht, zeigt der dramatische Fall von zwei indischen Mädchen, die 1922 in einem bengalischen Dorf im Norden Indiens aus dem Schoß einer Wolfsfamilie gerettet (bzw. herausgerissen) wurden. Sie waren völlig isoliert von jedem menschlichen Kontakt aufgem wachsen (Abb. 35; vgl. C. MacLean: The WolfChüdren, New York 1977). Die Mädchen waren etwa acht und fünf Jahre alt. Das jüngere Mädchen starb, kurz nachdem sie gefunden worden waren, während- das ältere noch etwa 10 Jahre zusammen mit anderen Waisenkindern lebte.
Als sie gefunden wurden, konnten die Mädchen nicht aufrecht auf zwei Beinen gehen, aber schnell auf vier Beinen laufen. Selbstverständlich sprachen sie nicht, und sie hatten ausdruckslose Gesichter. Sie wollten nur rohes Fleisch essen und wurden nachts aktiv, sie lehnten menschlichen Kontakt ab und zogen die Gesellschaft von Hunden und Wölfen vor. Bei ihrer «Rettung» waren die Mädchen vollkommen gesund, und es waren keine Symptome von Geistesschwäche oder Idiotie infolge von Unterernährung zu erkennen. Ihre Trennung vom Schoß der Wolfsfamilie führte bei ihnen zu einer tiefen Depression, die beide an den Rand des Todes, eines sogar in den Tod führte.
Das noch zehn Jahre weiterlebende benden Mädchen verändern wollten, da sie im menschlichen Kontext abweichend waren, waren völlig natürlich im Rahmen ihrer «wolfsmäßigen» Erziehung. In Wirklichkeit hätte Mowgli, dasvon Kipling erdachte Dschungelkind, nie aus Fleisch und Blut existieren können, da Mowgli sprechen konnte und sich bei der ersten Begegnung mit dem menschlichen Milieu sofort wie ein Mensch verhielt. Wir Menschen aus Fleisch und Blut sind in der Welt, in der wir existieren und die wir durch unser Leben hervorbringen, nicht fremd.
Abb. 35 Wolfslauf des bengalischen Mädchens einige Zeit nach seiner «Rettungs (a; b zum Vergleich). Das Wolfsmädchen (fr)ißt auf gelernte Weise (c), Auch nachdem es einige menschliche Verhaltensweisen gelernt hatte, wurde das Mädchen nie als wirklich «menschliche empfunden (d).

Diese Geschichte stammt aus H. Maturana: Baum der Erkenntnis (S.141ff)
Sie soll sich 1922 zugetragen haben, die Quelle von H. Maturana ist aber von 1997.

Hier geht es weniger darum, was der Fall war, als darum, wozu diese Geschichte erzählt wird.


 
[wp]

bild