(nicht) triviale Maschine        zurück ]      [ Stichworte ]      [ Die Hyper-Bibliothek ]      [ Systemtheorie ]         [ Meine Bücher ]
 
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Die triviale Maschine kommt in zwei verschiedenen Kontexten vor:

  • Henry Gordon Rice hat diese Unterscheidung 1953 in bezug auf die Turing-"Maschine" eingeführt. Sein Satz besagt, dass es unmöglich ist, irgendeinen nichttrivialen Aspekt des funktionalen Verhaltens einer Turingmaschine algorithmisch zu entscheiden.
  • H. von Foerster verwendet die triviale Maschine (und vor allem den Ausdruck "nicht triviale Maschine"), um seinen Begriff Komplexität zu erläutern. Nichttriviale Maschinen (bei H. von Förster etwa Menschen oder autopoietische Maschinen) erscheinen dem Beobachter komplex, weil er ihr Verhalten nicht erklären oder voraussehen kann, sie scheinen sich dem mechanischen Denken zu entziehen.

In einem Fall geht es um einen mathematischen Beweis bezüglicher der Berechenbarkeit und im anderen Fall um ein Wahrnehmungsphänomen. In beiden Fällen wird eine diffuse Maschinenmetapher verwendet, die ich zuerst erläutere:

die Input-Output-Maschinen-Metapher

In gewisser Hinsicht repräsentieren "Maschinen" Input-Output-Relation - das ist die bei der nicht-trivialen-Maschine verwendete Metaphorik. Ein Teil der Maschinen reagiert auf den gleichen Input trivialerweise immer mit dem gleichen Output. Es gibt aber auch "Maschinen", die auf einen bestimmten Input jedes Mal anders reagieren. Letzteres ist der Fall, wenn der Input nicht nur den Output, sondern auch die Steuerung der Maschine beeinflusst.

Wenn die Input-Output-Relation als eigentliche Maschinen konstruiert ist, spreche ich von einer Whitebox, weil ich sehen kann, wie die Maschine funktioniert. Wenn ich nur die Input-Output-Relation kenne, spreche ich von einer Blackbox.

triviale "Maschinen" (Whitebox)

Ich unterscheide eigentliche Maschinen und Automaten. Eigentliche Maschinen repräsentieren eine einfache Input-Output-Relation, das heisst, sie reagieren auf den gleichen Input immer mit dem gleichen Output. Automaten dagegen haben eine konstruierte Steuerung (Prozessor) und reagieren deshalb auf einen bestimmten Input nicht immer gleich. Bei Automaten kommt es darauf an in welchem Zustand die Steuerung gerade ist. Bei einem PC etwa kommt es beispielsweise darauf an, welches Programm gerade geladen ist.

Die beiden nebenstehende Schemata veranschaulichen den Unterschied. Die eigentliche Maschine verändert ihre Funktion (A) nicht. Sie macht immer das gleiche (x + 2).

Funktionen:

A: x + 2

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Input- Output-Werte

x = 2,   y = 4
x = 3,   y = 5
x = 4,   y = 6

Wenn der Input auch die Steuerung (B, C) verändert, reagiert die Maschine auf jeden nächsten Input anders.

Funktionen:

A: x + e
B: x + e
C: u + 3

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Werte (nach Reset von B und C auf NULL und x konstant 2)

(1:) x = 2, u =   2 e=   5 y =   7
(2:) x = 2, u =   7 e= 10 y = 12
(3:) x = 2, u = 12 e= 15 y = 17
(3:) x = 2, u = 17 e= 20 y = 22

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Werte (nach Reset von B und C auf NULL und x variiert

(1:) x = 2, u =   2 e=   5 y =   7
(2:) x = 3, u =   8 e= 11 y = 13
(3:) x = 3, u = 14 e= 17 y = 19
(3:) x = 4, u = 21 e= 24 y = 26
(4:) x = 2, u = 26 e= 29 y = 31
(5:) x = 3, u = 32 e= 35 y = 37

Im Beispiel produziert der Input x nicht nur den Output y, sondern verändert auch die internen Werte u und e, die beim nächsten Input x zu neuen Werten führen.

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Quelle: Wissen und Gewissen:357ff)

In dieser Whitebox-Perspektive sind beide Maschinen "trivial", weil ihre Input-Output-Funktion genau bestimmt werden kann.

Nicht triviale Maschinen

Als nicht triviale Maschine erscheint mir eine "Maschine", wenn sie als Blackbox ein Verhalten zeigt, das ich in dem Sinne nicht "rekonstruieren" kann, als ich aufgrund der beobachtbaren Input-Output-Relationen keine Verhaltensregel (keine Funktion) bestimmen kann. Das Verhalten der Blackbox scheint mir dann komplex oder eben als Verhalten einer nichttrivialen Maschine.

Die sogenannt "nicht trivialen Maschine" ist natürlich in dem Sinne trivial, als sie - wie die "triviale Maschine" - eine Maschine ist, also einer genau festgelegten Regel folgt. Ein Beobachter, der den Mechanismus aber nicht kennt, also eine Blackbox vor sich hat, hat sehr geringe Chancen etwa durch Experimentieren die Logik einer "nicht trivialen Maschine" zu finden (von Foerster: Wissen und Gewissen:163). H. von Förster errechnet für die oben dargestellte Konfiguration 10155 Varianten.

Die nicht triviale Maschinen als Explikation des kybernetischen Systems

Die nicht triviale Maschine ist eine Explikation des kybernetischen Systems, das als Erklärung für ein Phänomen immer eine Feedback-Maschine darstellt.

Anmerkungen:

Das Konzept der "nicht trivialen Maschine" wird oft auch als Kritik am Behaviorismus vorgetragen. Mit dem Behaviorismus teilt das Konzept, dass Blackboxes komplex erscheinen können, gegen den naiv verstandenen Behaviorismus wird argumentiert, dass sich das Verhalten von Blackboxes nicht voraussagen und steuern lasse. Behaviorismus macht aber natürlich statistische Aussagen über Erwartungen, die wir jenseits von Wahrscheinlichkeiten haben.

Literaturstellen:

In "Konstruktion der Wirklichkeit" (Einführung in den Konstruktivismus:60) und in "Mit den Augen des andern" (Wissen und Gewissen:357ff) verwendet H. von Foerster explizit die Turing-"Maschine" zur Erläuterung der trivialen Maschine. Er übernimmt damit die begriffliche Konfusion, die A. Turing mit dem Ausdruck Maschine statt Steuerung gestiftet hat. Eine Maschine "ist" für ihn offenbar eine Beziehung, ein System "ist" für ihn offenbar eine Maschine, also auch eine Beziehung, und eine Beziehung ist für ihn offenbar eine mathematische Funktion. Offenbar heisst hier, dass ich das in den folgenden Textauszügen so lese (jeder liest eben, was er liest. Schreiben Sie mir bitte, wenn Sie das anders lesen können):

"Der Ausdruck Maschine bezieht sich in diesem Zusammenhang auf wohldefinierte funktionale Eigenschaften einer abstrakten Grösse, und nicht in erster Linie auf ein System von Zahnrädern, Knöpfen und Hebeln, obwohl solche Systeme jene abstrakten funktionalen Grössen verwirklichen können." (von Foerster: Zukunft der Wahrnehmung: Wahrnehmung der Zukunft. in: Wissen und Gewissen:357).

"Eine triviale Maschine ist durch eine eindeutige Beziehung zwischen ihrem 'Input' (Stimulus, Ursache) und ihrem 'Output' (Reaktion, Wirkung) charakterisiert. Diese invariante Beziehung ist 'die Maschine'. Da diese Beziehung ein für allemal festgelegt ist, handelt es sich hier um ein deterministisches System; und da ein einmal beobachteter Output für einen bestimmten Input für den gleichen Input zu späterer Zeit ebenfalls gleich sein wird, handelt es sich dabei auch um ein vorhersagbares System" (von Foerster: Zukunft der Wahrnehmung: Wahrnehmung der Zukunft. in: Wissen und Gewissen:357).

"Alle Maschinen, die wir konstruieren oder kaufen, sind hoffentlich triviale Maschinen. Ein Toaster sollte toasten, eine Waschmaschine waschen, ein Auto sollte in vorhersagbarer Weise auf die Handlungen seines Fahrerrs reagieren. Und in der Tat zielen alle unsere Bemühungen nur darauf, triviale Maschinen zu erzeugen oder dann, wenn wir auf nicht-triviale Maschinen treffen, diese in triviale Maschinen zu verwandeln." (von Foerster: Zukunft der Wahrnehmung: Wahrnehmung der Zukunft. in: Wissen und Gewissen:206f).

"Triviale Maschinen werden nicht nur durch ihre Synthese bestimmt, ebenso gut sind sie durch Analyse bestimmbar. Da ihre Operationsregeln unverändert bleiben, d.h. von ihrer Vergangenheit unabhängig sind, sind sie ausserdem voraussagbar!" (von Foerster: Lethologie. In: KybernEthik:138)


 

Klaus Kusanowsky: Das neue Element, das der Computer in den Diskurs um die Medien eingebracht hat, ist nicht die Digitalisierung des medialen Materials sondern vielmehr die flexiblen, algorithmischen Transformationen des Materials verbunden mit den Möglichkeiten zu programmierten direkten Reaktionen auf menschliche Aktionen. Interaktion und Algorithmik ermöglichen eine neue Qualität medialer Erfahrungen, bei denen eine nicht-triviale Maschine als Gegenüber in einem Kommunikationsprozess auftritt. Mediale Materialien wie Texte, Videos, Klänge und ganze virtuelle Welten werden flexibel repräsentiert, kombiniert und können ein Eigenleben entfalten, das zu einer aktiven Auseinandersetzung mit den medialen Wirklichkeiten einlädt.Dazu ausfürhlicher Taube, Wolfang: Interaktion als mediale Aneignungsform. In: Selke, Stefan; Dittler, Ullrich (Hg.) : Postmediale Wirklichkeiten. Hannover 2009.

Systeme werden in Erklärungen beschrieben. Normalerweise beschreiben Erklärungen Mechanismen, mittels deren Operationen sich das zu erklärende Phänomen erzeugen lässt. Die konstante Körpertemperatur etwa wird in diesem Sinn durch eine thermostaten geregelte Heizung erklärt. Es gibt aber eine eigendümmliche Inversion, die durch Heinz von Foerster erfunden wurde: die nichttriviale Maschine. Die nichttriviale Maschine erklärt im Sinne eines re-entrys, dass sich ein bestimmtes Phänomen nicht erklären lässt: Die Erklärung des Nichterklärbaren wird mit einer Maschine geleistet, die nicht funktioniert.


 
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