... gegenwärtige Zukunft ....
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soziale systeme (s. 515) Zeit - gegenwärtige Zukunft
Zeit ist ein Multiplikator von Widersprüchen. Sie wirkt zugleich aber auch besänftigend und löst Widersprüche auf. Einerseits geraten mehr Vorhaben zueinander in Widerspruch, wenn man weitere Zeithorizonte in Betracht zieht. Andererseits kann vieles nacheinander geschehen, was nicht gleichzeitig geschehen könnte. Zeit hat also offenbar ein widersprüchliches Verhältnis zu Widersprüchen36: sie vermehrt und vermindert sie. Durch Variation der Zeithorizonte kann man deshalb regulieren, was als Widerspruch auftaucht und was verschwindet. Sieht man genauer zu, so vermehren sich die Widersprüche, wenn man in der Gegenwart die Zukunft in Betracht zieht: Man müßte eigentlich sparen, um für Eventualitäten oder für große Ziele Reserven zu bilden; im Widerspruch dazu stehen die Wünsche, die man gegenwärtig schon befriedigen möchte. Die gegenwärtige Zukunft ist der Widerspruchsmultiplikator. Die künftigen Gegenwarten eröffnen dagegen die Möglichkeit, etwas zu vertagen und später zu erledigen. Die eine Zeitperspektive setzt unter Druck, die andere erlöst oder lockert zumindest die Spannung. Auch scheint die gegenwärtige Zukunft zu suprateleologischen Maximen zu verführen, die hohes Widerspruchspotential anbieten, wie zum Beispiel: mémento mori, keine Sünde ungebeichtet stehenlassen, Sparen, immer Fleißigsein (Industrialität) und neuerdings: Angst vor Katastrophen. Die künftigen Gegenwarten stimulieren eher zur zweckorientierten Planung, nämlich zum Arrangieren von Sequenzen unter möglichst hohem Wertbefriedigungspotential. Im einen Fall orientiert man sich an positiven bzw. negativen Utopien, im anderen Falle ist die Orientierung eher technologisch3 7 . Diese beiden Möglichkeiten reflexiver temporaler Modalisierung sind nicht als Alternativen gegeben, die je für sich gewählt werden könnten. Sie implizieren sich wechselseitig in der Einheit der Zeit. Die rein technologische Perspektive auf künftige Gegenwarten und