"Vernetztes Wissen" hat durch die Internet-Technologie neue Konkretisierungen erhalten. Während früher vor allem die Vernetzung von Wissensgebieten (Interdisziplinarität) und systemisches Denken (Ganzheitlichkeitsansprüche) im Vordergrund des "vernetzten Wissens und Denkens" standen, akzentuiert die Internet-Technologie nun vermehrt Organisation und Management von Wissen. "Vernetzung" bezieht sich dabei nicht auf die Wissensinhalte, sondern auf die Organisationsformen, in welcher Wissen erzeugt und verwaltet wird. Am Anfang jeder Wissenskultur steht die Enzyklopädie. Speusippos Enzyklopädie (um 408 v. Chr) bei den Griechen, Diderots und d'Alemberts "Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers" (35 Bde., 1751-80) für die aufgeklärten Wissenschaften, ...
Die Textteile auf Netzwerken wie Internet lassen sich als Elemente einer virtuellen Enzyklopädie auffassen, weil sie durch Suchfunktionen (Indexe, Suchmaschinen) zugänglich und durch gegenseitige Verweise miteinander verbunden sind. Als Enzyklopädie ist das Internet in dem Sinne ein funktionales System (N. Luhmann), als es seine Lexikonfunktion quasi selbst geschaffen hat. Das Internet-Lexikon hat keinen allwissenden, zentralistischen Herausgeber, der wie Diderot entscheiden müsste, was ins Lexikon gehört und was nicht, das Internet-Lexikon organisiert sich selbst, es ist eine selbstorganisierte Enzyklopädie.
Mit dem Schlagwort Wissensmanagement wird normalerweise auf eine Menge von sehr heterogenen Managementstrategien verwiesen, in deren Zentrum die Organisation einer Datenbank steht. Je nach Strategie werden andere Konzepte und Navigationen auf Datenbanken implementiert. Der Ausdruck "Wissen" verweist in diesem Zusammenhang auf eine Modernität, in welcher gerade von Wissen anstelle von Daten oder Informationen die Rede ist. Viele Beiträge zum Wissensmanagement machen explizit, dass sie nicht an einer Klärung des Wissensbegriffes interessiert sind, sondern an profitablen Verfahren für Unternehmungen, die grosse Datenbestände verwalten müssen.
Zugespitzere Formulierungen postulieren, dass man Wissen - insbesondere auch das Wissen, wie man mit grossen Datenbeständen umgeht - nicht in Form von Daten vom Wissens-Träger, also dem konkreten Menschen ablösen kann. Wissensmanagement erscheint dann als managen von Wissensträgern. In dieser Art Wissensmanagement wird versucht, die wissen-tragenden Mitarbeiter dazu zu veranlassen, ihr Wissen aufzuschreiben und die Dokumente in der Datenbank allen zugänglich zu machen. Dazu gibt es in der einschlägigen Literatur einige Schlagworte wie "best practise", "team roon", "lessons learned" usw.
Wenn man Wissensträger managen muss, will man etwas von ihnen, was sie ohne Management nicht tun würden. Managen heisst dem Wortsinn nach Durch-die-Manege-führen. In der Manege werden Pferde geführt, im Management werden Menschen geführt. Vordergründig - etwa im Zirkus - geht es in der Manege darum, zu zeigen, dass sich Lebewesen mit ganz anderen Interessen in einen fremdbestimmten, geordneten Sinnzusammenhang einspannen lassen, wenn man Zucker und Peitsche nur richtig einsetzen kann. Hintergründig geht es natürlich - auch im Zirkus - nicht ums Zeigen der Ordnungen, sondern darum, mit diesen Ordnungen den Gewinn des Managers zu optimieren.
Natürlich kann man den Ausdruck "Wissensmanagement" auch für die anweisende Beschreibung der eigenen Tätigkeit verwenden. Man "managt" dann sich selbst - was natürlich nur Münchhausen's können, weil man in der Manege nur auf einer Seite der Peitsche oder Führungsleine stehen kann.
Und dafür, dass man das Wissen als solches managen könnte, müsste Wissen etwas sein, was wie ein Wissensträger auf Zuckerbrot und Peitsche reagieren kann.
Der Ausdruck Wissen wird für sehr verschiedene Dinge verwendet. Ich verwende den Ausdruck Wissen gemäss einer Vorstellung, die im Wissensmanagement unter dem Label "tacit knowledge" angesprochen wird. "tacit knowledge" heisst unausgesprochenes Wissen. Das impliziert, das Wissen - im Prinzip - ausgesprochen werden kann. Den Erfindern des Labels "tacit knowledge" (u.a. Nonaka/Takeuchi 1995) geht es meiner Einschätzung nach darum, die Mitarbeitenden dazu zu bringen, ihr unausgesprochenes Wissen explizit zu machen. Eigentliches Wissen erscheint als ausgesprochenes Wissen. Als noch unausgesprochenes Wissen ist Wissen die Grundlage aller Handlungen, oder genauer Teil der Erklärungen, die man für Handlungen konstruiert.
Menschen handeln. Eine Teilmenge der Handlungen sind sprachliche Handlungen. Sprachliche Handlungen beruhen wie andere Handlungen auf intentionalen Bewegungen der Muskulatur. Ich kann einen Tisch herstellen oder von einem Tisch sprechen. In beiden Fällen muss ich mich bewegen oder verhalten. Wenn ich spreche, muss ich meinen Mund bewegen; wenn ich schreibe, muss ich meine Hand bewegen. Als sprachliche Handlungen im weiteren Sinne fasse ich die Handlungen auf, in welchen ich die Intention erkenne, als Symbole auf etwas zu verweisen. Wenn jemand mit dem Zeigefinger auf einen Tisch zeigt, dann kann ich den Zeigefinger oder den Tisch anschauen. Nebenbei bemerkt, Hunde tun immer nur ersteres, was es mir schwierig macht, ihnen etwas zu zeigen. Wenn ich auf den Zeigefinger schaue, nehme ich die Handlung des Zeigens wahr. Wenn ich auf den Tisch schaue, nehme ich die sprachliche Handlung des Verweisens auf etwas, wahr. Der Beobachtende bestimmt, was er wahrnimmt.
Handeln verlangt Können. Wenn ich jemanden mit einem Fahrrad fahren sehe, impliziere ich eine Kompetenz oder eben ein Können, das zum Fahrrad fahren befähigt. Das Können selbst ist nicht sichtbar, ich sage, jemand kann etwas, wenn er eine erfolgreiche Handlung zeigt. Sprachliche Handlungen verlangen ein spezifisches Können, man muss sprechen oder schreiben können.
Wenn ich Fahrrad fahren kann, dann habe ich "tacit knowledge" über das Fahrrad fahren. Wenn ich beschreibe, wie man Fahrrad fährt, dann zeige ich explizites Wissen über das Fahrrad fahren. Ueber das Fahrrad fahren sprechen, kann man nur, wenn man weiss, was Fahrradfahren ist.
Können zeigt sich in allen Handlungen, Wissen zeigt sich in sprachlichen Handlungen. Wissen selbst ist nicht sicht- oder zeigbar, es zeigt sich in gelungenen Beschreibungen, wie sich Können in gelungenen Handlungen zeigt.
Können und Wissen sind in diesem Sinne Handlungszusammenhänge, in welchen Handlungen auf etwas zurückgeführt werden. Wissen ist der Handlungszusammenhang, in welchem sprachliche Handlungen als Ausdruck von Wissen verstanden werden, so wie ein handwerklich produzierter Gegenstand als Kunst(werk) aufgefasst wird, wenn er im Handlungszusammenhang "Kunst" gesehen wird. Der deutende Beobachter sieht durch Handlungszusammenhänge. Ob etwas Kunst oder Wissen ist, wird durch den Handlungszusammenhang, in welchem es gesehen wird, bestimmt. Wenn ich eine mit Oelfarben bedeckte Leinwand im Museum sehe, sehe ich Kunst, wenn ich sie im Abfall eines Malergeschäftes sehe, sehe ich Abfall.
Natürlich ist die vorgeschlagene Unterscheidung zwischen Können und Wissen in vielen Hinsichten subtil. Sie bricht etwa, wo die traditionelle Unterscheidung zwischen Bildung, die zu Wissen führt, und Ausbildung, die zu Können führt, aufgegeben wird, wenn Ingenieursdisziplinen wie Informatik naturwissenschaftliche Disziplinen aus der humboldtschen Schulstube verdrängen. Schule wollte der Bildung dienen, nicht der Ausbildung. Programmieren muss man aber können, nicht wissen. Noch viel subtiler habe ich diese Unterscheidung im Buch "Technische Intelligenz" (1992) entfaltet.
"tacit knowledge" kann auf zwei Arten verstanden werden. Einerseits als Geheimniskrämerei, wenn Mitarbeiter nicht sagen wollen, was sie sagen könnten. Andererseits kann man "tacit knowledge" als Können verstehen, das noch keinen sprachlichen Ausdruck gefunden hat. Wer etwa, der Fahrradfahren kann, kann sagen, was er dabei genau tut?
Technologie lässt sich in diesem Sinne als explizites Wissen über Technik begreifen. Der Dorfschmied musste schmieden können, er musste aber nicht über seine Tätigkeit sprechen können. Sein Schüler lernte vom Meister durch Nachahmung, nicht durch Erklärungen.
Erst auf der Stufe entwickelterer Werkzeuge als Hammer und Sichel ergeben sich Vorteile, wenn man die Herstellungsverfahren beschreiben kann. Maschinen werden in Konstruktionszeichnungen abgebildet. Die Konstruktionszeichnung ist explizites Wissen über die Maschine. Es sind zwei verschiedene Handlungen, eine Maschine herzustellen oder eine Konstruktionszeichnung herzustellen, obwohl man bei beiden "tacit knowledge" sowohl über die eigene Handlung als auch über die herzustellende Maschine braucht.
Genau gesprochen ist die Konstruktionszeichnung natürlich ein Datem, also weder Information noch Wissen. Aber das Herstellen der Zeichnung ist eine verweisende, symbolerzeugende Handlung, der ich Wissen unterstelle. Und wenn ich die Zeichnung anschaue, erzeuge ich in mir Wissen über die Maschine. Ich kann dann über die Maschine sprechen, was keinesfalls bedeutet, dass ich sie auch herstellen kann. Wissen und Können ist nicht dasselbe.
Explizites Wissen ist also nicht eigentliches Wissen, aber es ist das, was wir im Wissensmanagment organisieren. In diesem Sinne teile ich die im Knowledge Management übliche Vorstellung, dass man Wissen nicht von seinem menschlichen Träger ablösen kann. Und ich vertrete die dort weniger übliche Vorstellung, dass Wissensmanagement im wesentlichen Datenbankmanagement ist, wobei in der industriellen Praxis ein überaus grosser Teil dieses Managements darauf verwendet wird, dass die Datenbanken von den Mitarbeitern wirksam bedient werden. Eine einschlägige Faustregel sagt, dass im Wissensmanagement zehnmal mehr in die Mitarbeiter investiert werden muss, als in die Datenbank-Software. Ein unglückliches Verhältnis, weil im Industrieprozess viel lieber in Maschinen als in Menschen investiert wird.
Wir machen nicht jedes unausgesprochene Wissen explizit. Und viele Aussagen oder Texte nehmen wir nicht im Handlungszusammenhang Wissen wahr. Wenn uns jemand auf die Frage nach der Uhrzeit korrekt mit 14.00 Uhr antwortet, dann fassen wir das üblicherweise nicht als Explikation von Wissen auf, obwohl diese Antwort natürlich auf unglaublich viel "tacit knowledge" beruht. Kinder üben ziemlich lange, bis sie die Uhr lesen können. Und was sie dabei genau tun, ist auch den meisten Erwachsenen ganz unbewusst. Dagegen halten wir auch Antworten auf ganz einfache Fragen, wie etwa, was die Hauptstadt von Frankreich sei, für Belege von Wissen. Diese nicht näher reflektierte Praxis hängt damit zusammen, dass man explizites Wissen in einem Lexikon unterbringen kann, die Hauptstadt von Frankreich steht im Lexikon, die Uhrzeit aber nicht.
Das konkrete Lexikon ist aber nur eine vordergründige Instanz, weil wir auch nicht alles in Lexika schreiben, was wir als Wissen auffassen. Relativ viele Aussagen oder Texte betreffen nur wenige Leute, oder befassen sich mit einmaligen Ereignissen. Diese Texte stehen allenfalls in persönlichen Nachschlagewerken, etwa in meinem Zettelkasten, wenn ich sie nicht gar - wie etwa meinen Namen - im Kopf behalten kann. Schul- und Sachbücher enthalten auch Wissen, wir betrachten sie nicht als Lexika, weil dort je eine thematische Auswahl von Wissen in serieller Anordnung erscheint (vgl. Todesco 1997). Das konkrete Lexikon ist eine pragmatisch ausgewählte Teilmenge aller lexikalischen Beschreibungen. Und letztere machen das explizite Wissen aus. Wissen steht in diesem Sinne für alles, was jemand nachschlagen möchte.
Wissen in seiner entwickelsten Form beschreibt Verfahren in Form von bedingten Operationen. Wenn ich einen Prozess organisiere, etwa ein Industrieunternehmen, dann kann ich - wenn ich das auch kann - beschreiben, was dazu zu machen ist. Das heisst, ich kann - im entwickelsten Fall - einen Konstruktionsplan schaffen, dessen Befolgung zu der beschriebenen Unternehmung führt. Für Unternehmen habe ich so einen Plan bisher noch nie gesehen, nicht einmal für einzelne Abteilungen von Unternehmen, aber für einfachere Systeme wie Maschinen sind solche Pläne sehr verbreitet.
Ueblicherweise verwende ich um Verfahren zu beschreiben mehr oder weniger bewusst eine Systemtheorie, weil die Systemtheorien das entsprechende Prozessvokabular zur Verfügung stellen. Systeme sind Konstruktionen im engeren Sinne der Ingenieurswissenschaften. Dort, wo wir Artefakte wie Maschinen beschreiben, wissen wir in einem ausgezeichneten Sinn, was wir beschreiben, denn wir beschreiben etwas, was wir selbst hergestellt haben.
Die Beschreibungen von Systemen dienen uns - neben dem produktiven Sinn der Konstruktionszeichnungen - auch als Erklärungen für die Phänomene, die wir mittels dieser Systeme erzeugen können. Wenn wir uns fragen, wie man ein bestimmtes Phänomen erzeugen kann, dann ist die Beschreibung von Mechanismen, die dieses Phänomen ermöglichen, die beste Antwort. Wenn ich mich etwa frage, wie es möglich ist, dass in diesem Raum immer annähernd dieselbe Temeratur herrscht, ist das Erläutern der Funktionsweise der Klimaanlage eine solch systemische Antwort. Vollständiges Wissen zeigt sich in Beschreibungen von "erklärenden" Systemen. In systematischen Beschreibungen von Nicht-Artefakten - etwa in den sogenannten Naturwissenschaften - verwenden wir allerdings oft Funktionseinheiten oder Blackboxes, die wir konstruktiv nicht verstehen, also (noch) nicht herstellen könnten.
Vom entwickelsten Fall des expliziten Wissens kann man quasi rückblickend die primitiveren Formen des Wissen sortieren und qualifizieren. Die Beschreibung eines Systems enthält neben den systemischen Aspekten der Regelung auch die Relationen der Maschinenteile und die Eigenschaften der Konstruktionselemente. In dem Sinne sind alle Eigenschaftszuweisungen explizites Wissen. Und umgekehrt lässt sich jedes explizite Wissen als Eigenschaftszuweisung verstehen. Alles was wir sprachlich wissen können, sind Eigenschaften von Entitäten. In der objektorientierten Informatik spricht man von Methoden von Objekten.
Der Radikale Konstruktivismus (von Glasersfeld 1997) macht Ernst mit der Vorstellung, dass Wissen ausschliesslich im Menschen ist. Explizites Wissen in Form von Texten ist also kein Wissen, sondern Ausdruck von Wissen. Text ist auch keine Repräsentation im Sinne einer Abbildung von Wissen. Im Text ist das Wissen nicht festgelegt, der Leser entscheidet durch seine Interpretation, was er weiss, nachdem er einen Text gelesen hat. Und wie ein Leser einen Text liest, hängt in einem kausalzirkulären Verhältnis vom Wissen des Lesers ab.
Im konstruktiven Wissensmanagement, dessen Methoden ich weiter unten beschreibe, dienen Texte im dialogischen Sinne dazu, sich des eigenen Wissens bewusst zu werden. Texte werden als Artefakte wahrgenommen, die als externe Gedächtnisse fungieren, die man kollaborativ bearbeiten kann. Im konstruktiven Wissensmanagement geht es um die Entwicklung des je eigenen Wissen durch die Kollaboration mit andern am gemeinsamen Text.
Die entwickelste Form von Wissen zeigt sich in systemischen Erklärungen. Als wissenschaftliche Grundlagen jedes Managements hat Taylor, der Begründer der wissenschaftlichen Betriebsführung, eine Operationalisierung der Tätigkeiten deklariert. Jede Tätigkeit muss in Operationen zerlegt und in Form von Anweisungen dargestellt werden. Wissen über Wissensmanagement zeigt sich in Form von Handlungsanweisungen, die Operationen beschreiben.
Das Auflisten von Funktionen wie Wissensidentifikation, Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissensteilung, Wissensnutzung, Wissensbewahrung, Wissensziele und Wissensbewertung beschreibt Aufgabenteilungen zwischen Institutionen, die sich mit "Wissen" beschäftigen. Wer solche Arbeitsteilungen nachvollziehen kann und sinnvoll findet, könnte als Wissensmanager jeder dieser Institutionen konkrete Operationen vorschlagen. Die Einteilungen und Benennungen der Funktionen selbst tragen weder etwas zum Wissensmanagement noch zu den Sozialwissenschaften bei, sondern sind geschwätziger common sense, wie er in der Managementliteratur häufig zu finden ist. Sozialwissenschaft muss die Institutionen ausweisen und zeigen, wie sie funktionieren; Management muss Operationen vorschlagen.
Im Management sind "Anweisungen" häufig nur funktional beschrieben, so dass die Operationalisierung vollständig dem Ausführenden überlassen ist. Genau hier setzte Taylor mit seiner wissenschaftlichen Betriebsführung an. Während Taylor den Arbeitenden immerhin noch Anweisungen zur Verbesserung der Effizienz geben wollte, versucht der modern Taylorimus im Wissensmanagement, die Arbeitenden dazu zu bringen, ihre operativen Kenntnisse - oder ihr tacit knowledge - herzugeben. Diese Art von Taylorismus hat sich noch nirgends bewährt.
Operationen sind eigentliche Operationen, wenn sie von Maschinen ausgeführt werden. Genau dann ist die Bestimmung einer Operation hinreichend erklärt. Ein typisches Beispiel dafür ist etwa die Funktionsweise einer Maschine, mit welcher man addieren kann. Wenn man Funktionsweise der Maschine imitiert, kann man addieren. Natürlich kann man für jede Funktion verschiedene Maschinen bauen, jede einzelne Maschine repräsentiert dann eine Methode.
Die Beschreibung von Operationen ist - wie die Beschreibung jedes Prozesses - eine Beschreibung einer Folge von Systemzuständen. Prozesse zeigen sich als Veränderungen im Prozessträger. Operationen verändern einen Gegenstand und ihre Wirkungen sind bestimmt, wenn die Gegenstandsänderung bestimmt sind.
Anweisungen in Computerprogrammen beschreiben die jeweiligen Operationen vollständig. Beschreibungen von (menschlichen) Tätigkeiten sind immer unvollständig bestimmt. Meistens - auch bei ganz einfachen Handlungen wie etwa Radfahren - kann ich auch gar nicht genau sagen, was im einzelnen zu tun ist, weil ich bezüglich vieler Aspekte nur über "tacit knowledge" verfüge. Das, was beispielsweise ein Skilehrer über das Skifahren sagen kann, setzt einen Schüler voraus, der auch ohne Skilehrer skifahren lernen könnte. Der Skilehrer produziert nur Bedingungen, unter welchen der sich selbstorganisierende Lernprozess besser verläuft. Das tacit knowledge etwa, den Körper überhaupt aufrecht halten zu können und zu spüren, wann der Körper aufrecht ist, bringt jeder Schüler in den Skiunterricht mit. Die Beiträge des Skilehrers sind immer Beschreibungen von nicht maschinen-genau spezifizierten Operationen.
Im Wissensmanagement lassen sich einige Operationen beschreiben, die die Organisation des expliziten Wissens betreffen. Die entwickelsten Textwerkzeuge sind Computer und die entwickelste Form von Text ist Hypertext, der auch beliebige Indexe umfasst. Wo mehre Menschen im Wissensmanagement zusammenarbeiten, braucht es Software, die allen Beteiligten die Möglichkeit bietet, jederzeit mitschreiben zu können. Wo das Wissensmanagement mit Software betrieben wird, muss man natürlich die entsprechende Software benutzen können. Zur Zeit gibt es verschiedenste Software-Konzepte, das verbreiteste dürfte die Intranet-Browser-Technik sein.
Wissensmanagement muss Operationen auf der jeweiligen Umgebung beschreiben. Dabei sind zwei sich ergänzende Formen möglich. Die eine besteht im Entwerfen von solchen Umgebungen. Wenn man für bestimme Funktionen Software herstellt, bestimmt man die Operationen der Anwender durch die Möglichkeiten, die das Werkzeug gibt. Die andere Form besteht darin, dass man in einer offenen Umgebung Regeln festlegt, an welche sich die Anwender halten.
Im konstruktiven Wissensmanagement geht es nicht darum, dass Wissen irgendwie von einigen, die es haben, an andere, die es wollen, vermittelt oder übertragen wird, sondern darum, dass das Wissen von den Beteiligten in kollaborativer Textproduktion erarbeitet und geteilt wird. Etwas wissen bedeutet hier immer etwas sagen oder schreiben können, nicht etwas lesen oder in einer Datenbank finden können. Ich kann beispielsweise einen Stadtplan nicht nur lesen und so eine Bibliothek in der Stadt finden, sondern ich kann vor allem sagen oder schreiben, was - oder welche Operationen - ich mache, wenn ich den Stadtplan lese. Das konstruktive Wissensmanagement befasst sich primär mit der Produktion und der Organisation von Text, nicht mit der Rezeption und dem Wiederfinden von Text.
Natürlich ist Lesen im Schreiben enthalten, und Suchen und Finden sind im bewussten Ablegen aufgehoben. Von Eichhörnchen sagt man, dass sie sich bei Ablegen ihrer Wintervorräte an eine bestimmte Vernunft halten, und dass sie im Winter, wenn sie ihre Vorräte brauchen, sich nicht zu erinnern versuchen, wo sie sie abgelegt haben, sondern dort schauen, wo sie die Vorräte zu diesem Zeitpunkt ablegen würden. Das heisst, sie sind sich ihrer Ablege-Logik "bewusst". Sie legen die Vorräte für sich ab, nicht für andere. Wo sie aber in Verbänden leben, rechnen sie damit, dass die andern in einer Logik leben, die bezüglich der Vorräte mit der eigenen Logik kompatibel ist. Wenn ich mir meiner Logik bewusst bin, dann kann ich nicht nur mein explizites Wissen verwalten, sondern auch sagen, wie ich es tue. Ich kann es aufschreiben und damit den andern zusätzlich Einsicht ermöglichen.
Wissensmanagement lässt sich auch selbstreferentiell begreifen. Zum Wissen auf dieser Ebene gehört - neben dem Wissen, was Wissen ist - auch das Wissen, wie man explizites Wissen organisiert, oder eben, wie man Wissensmanagement managt. Und natürlich gilt auch auf dieser Ebene, dass sich Wissen in Handlungsanweisungen zeigt. Ich beschreibe im folgenden zuerst den Gegenstand auf den sich die Operationen beziehen und später einige Operationen, die zu diesem Gegenstand führen. Dabei lässt sich eine gewisse Redundanz nicht vermeiden, denn das Produkt und der Prozess sind wie zwei Seiten einer Medallie.
Am Anfang jeder Wissenskultur steht die Enzyklopädie. Speusippos Enzyklopädie (um 408 v. Chr) bei den Griechen und Diderots und d'Alemberts "Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers" (35 Bde., 1751-80) für die aufgeklärten Wissenschaften sind nur namhafte Exemplare. Seit die Menschen schreiben, verwalten sie, was sie geschrieben haben. Mit dem Ausdruck Kultur verbinden sogar viele Menschen so eindeutig kunstvoll ausgedrücktes Wissen über unser Handeln, dass der Ausdruck Wissenskultur fast tautologisch erscheint.
Ich begreife Kultur etwas weiter, nämlich komplementär zu Natur. Als biologisch gesehene natürliche Wesen entwickeln sich die Menschen in ihren eigenen Augen nicht. Wir haben seit es Menschen gibt sehr stabile Gen-Konfigurationen, sogar mit anderen höher entwickelten Tieren sind wir diesbezüglich eng verwandt. Im von Menschen überblickbaren Zeiträumen steht die viel zitierte Evolution der Arten praktisch still. Bisher hat weder jemand mit eigenen Augen gesehen, wie eine neue Art entstanden ist, noch dass sich die biologische Art des Menschen wesentlich verändert hätte. Die menschliche Entwicklung liegt in der Entwicklung derer Werkzeuge. Und die Entwicklung der Werkzeuge unterliegt einem kausalzirkulären Prozess, in welchem die Werkzeuge immer mehr Wissen über die Werkzeuge ermöglichen und dieses Wissen immer bessere Werkzeuge.
Enzyklopädie heisst die Lehre der mittelalterlichen Universität, die das Wissen der sieben Künste umfasste, das sich die Studierenden enzyklisch - in sich wiederholenden Zyklen - erworben haben. Die eigentliche Enzyklopädie umfasst das ganze Wissensmanagement, also insbesondere auch das Schaffen, das Erwerben und das Teilen von Wissen. Ort der Enzyklopädie ist die Bibliothek, aber nicht die Bibliothek, in welcher die Bücher in den Gestellen stehen, sondern die Bibliothek, in welcher die tätige Auseinandersetzung mit der Enzyklopädie erfolgte - wie in unserer Discothek auch nicht einfach Disks gestappelt werden. Darauf werde ich später im Zusammenhang mit der Hyperbibliothek zurückkommen.
Das, was wir gemeinhin verkürzt als Enzyklopädie auffassen, ist der materielle, artefaktische Niederschlag der Enzyklopädie, das Lexikon. Im Lexikon sind die Lexe, die Wörter, aufgelistet und in verschiedene Relationen gebracht. Im Bilderwörterbuch stehen neben den Wörtern Bilder, im Diktionär stehen Wörter einer anderen Sprache, in spezifischen Nachschlagewerken, wie dem Fremdwörter- oder dem Herkunftswörterbuch stehen Wörter der gleichen Sprache, aber aus verschiedenen Kontexten, usw.
Die Kon- oder Um-Texte der Wörter stehen in Büchern, die Bücher stehen in Bibliotheks-Gestellen und die Bibliotheken stehen in den Zentren der Städte, so das jeder jedes Wort finden kann. Und daran hat sich, seit es Schrift als Ausdruck von Wissen gibt, nichts mehr geändert. Die Bibliothek hat zwar durch die Entwicklung der Werkzeuge vom Federkiel zum Internet und vom Papyrus zum Laserdisk erhebliche Umbauten erlebt, aber die Organisation des expliziten Wissens ist dieselbe geblieben.
Auf der entwickelsten Produktivkraftstufe basiert die Organisation des expliziten Wissens auf sogenannten Computer-Datenbanken, die softwaretechnisch sehr unterschiedlich gemacht sind. Gleichgültig was an Artefaktischem hinter den Datenbanken steht, alle wiederspiegeln das Prinzip der Bibliotheken, in welchem die einzelnen Texte auf bezeichneten Plätzen abgelegt werden und in Registern aufgeschrieben wird, welcher Text wo zu finden ist.
Das Wissensmanagement befasst sich weitgehend mit der Organisation der Register. Die globale Funktion der Register besteht darin, verschiedene Ordnungen über den Dokumenten darzustellen, dass diese unter verschiedenen Gesichtspunkten effizient und effektiv gefunden werden können.
Die einfachste Form des Registers ist eine implizite, nämlich die alphabetische Ablage der Dokumente. Dabei muss man bei gegebenem Alphabet - die Umlaute machen dieses Problem deutlich - nur festlegen, welches Wort des Dokumentes als Schlüsselwort für die Registrierung verwendet wird. Im Telefonbuch sucht man beispielsweise nach Angaben über einen Meier und findet diese Angaben unter dem Stichwort Meier, weil das Schlüsselwort ein Teil der Angaben ausmacht. Man kann diesen Fall als nichtausdifferenzierten Index verstehen. In einem solch impliziten Register kann man die Stellen, wo der alphabetisch nächste Wörterbereich beginnt, beispielsweise mit plastifizierten Zwischenbättern - die wir auch Register nennen - oder ähnlichem deutlich machen.
Ein explizites Register ist eine gegenüber den eigentlichen Texten eigenständige Liste. Auf solchen Listen kann man beliebig viele Relationen definieren. In der Bibliothek verweist beispielsweise je ein Eintrag aus der Autorenkartei, aus der Buchtitelkartei und aus der Sachgebietkartei auf dasselbe Buch.
Explizite Register verweisen auf ein Ur-Register, das den Ort der eigentliche Texte repräsentiert, quasi den Wohnort eines Buches im Gestell. Die Art der Verweise auf dieses Ur-Register richtet sich nach dem Zweck oder der Funktion der Verweise. Ich unterscheide zwei grundsätzliche Fälle, die ich auf der Ebene des Wissensmanagements als Metatext und Links bezeichne. Beide Fälle sind in den Büchern realisiert, die Stichwortregister oder Inhaltsverzeichnisse und Literaturangaben oder Fussnoten haben. Stichwortregister und Inhaltsverzeichnisse sind aus dem Text ausgelagerte Verweise, die in den Text hinein zeigen, Literaturangaben und Fussnoten sind Verweise, die aus dem Text hinaus zeigen. Im ersten Fall sind die Verweise als Stichworte in einer Liste, die Verzeichnis oder Index heisst. Im zweiten Fall sind die Verweise über den Text verteilt, also kein eigenes Dokument. Seit der Verbreitung des Internets nennen wir solche Verweise häufig (Hyper-)Links. Indexe führen zu einer bestimmten Stelle im Text. Links öffnen den Text in einen umfassenderen Kon-Text.
Mit Link meine ich hier zunächst die in den eigentlichen Text eingebunden Verweise, wie wir sie aus dem Lexikon kennen, wo in jedem Text durch Pfeile markierte Wörter auf andere Texte verweisen. In Hypertext-Applikationen wie das World Wide Web auf dem Internet wird der Ausdruck Link genereller verwendet. Er steht dort für "anklickbare" Wörter oder Bilder, auch wenn die Wörter Teile eines Indexes oder Verzeichnisses sind, oder wie beispielsweise wie "rückwärts"-Buttons der Navigation dienen.
Während Links Bestandteile des eigentlichen Textes sind, sind die Stichwörter in den Registern im einfachsten Fall dupliziert. Im Inhaltsverzeichnis eines Buches stehen normalerweise duplizierte Titel von Kapiteln und die Seitenzahl, wo dieser duplizierte Textteil nochmals zu finden ist. Im Namensregister am Ende eines Buches stehen etwa alle Seiten auf denen die Buchstabenkette Meier auch zu finden ist. Das eigentliche Register zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht wie ein Inhaltsverzeichnis durch die Titel der Kapitel der Erzähllogik des Buches unterworfen ist. Die Schlüsselwörter in den Registern folgen Ordnungen, die vom Buch weitgehend unabhängig sind. Es handelt sich um Ordnungen, die quasi quer zur Ordnung des Buches stehen. Ich kann im Register ganz unabhängig vom Inhalt des Buches schauen, wie oft Marx zitiert wurde, oder wie oft von der Evolutionstheorie gesprochen wird. In diesem Sinne kriege ich durch die Register zusätzliche Sichtweisen auf ein Buch, die ich später unter "aktives Lesen" nochmals aufgreifen werde.
Mittels Register kann ich über Stichworte Textstellen wiederfinden, die ich mit bestimmten Stichworten in Verbindung bringe. Wenn ich etwas über Darwin wissen will, dann kann ich unter Evolution schauen und umgekehrt. Und wenn ich mich erinnere, dass in einem bestimmten Buch im Zusammenhang mit der Evolution von Erdbeeren oder Elefanten die Rede war, kann ich auch unter diesen Stichworten suchen. So verwende ich in Registern den Index im engeren Sinne des Wortes, indem ich ein Wort als Zeichen für das Vorhandensein anderer Wörter lese: Wo Rauch ist, ist Feuer.
Metatext nenne ich eigenständige Texte, die - wie Indexe in Büchern - Aussagen über andere Texte machen, die also quasi hinter den andern Texte stehen. Der einfachste Fall ist die Beschriftung eines Ordners oder der Name eines Directory im Computer. Wenn ich dafür beispielsweise den Text "Privat" schreibe, dann charakterisiere ich alle Dokumente, die in diesem Ordner oder Directory liegen, als privat. Ich mache die Meta-Aussage, dass diese Dokumente privat sind, obwohl in den Dokumenten das Wort privat nicht vorkommt.
Mit Metatext kann man beliebige Sortier-Ordnungen beschreiben, welchen man die Dokumente frei zuordnen kann. Im Wissensmanagement werden solche textexterne Strukturen häufig Ontologien genannt. Ontologie heisst Seins-Lehre und suggeriert, dass den Textklassifikationen Ordnungen zugrunde liegen, die man in der Wirklichkeit auch realisiert findet. Ontologien heissen diese Ordnungen, weil in ihnen eigentlich die Welt beschrieben wird, die in der Dokumentablage nur wiederspiegelt wird. Die Metatexte folgen nicht aus den Texten, sondern werden den Texten - als Verzeichnisse - zugefügt. Die Inhalte der Metatexte beschreiben nicht die Texte, sondern die Welt.
Wenn Ontologien kleine Ausschnitte aus der Welt, beispielsweise die Buchhaltung einer kleinen Firma, beschreiben, dann sind sie leicht nachvollziehbar, weil man abgegrenzte kleine Welten gut beschreiben kann. In einer Buchhaltung ist relativ klar, was für Dokumente vorkommen, weil man das bereits entschieden hat, als man die Buchhaltung abgrenzte. In einer grösseren Unternehmung ist aber häufig schon nicht mehr so klar, ob ein Dokument in der Buchhaltung oder in einer anderen Abteilung abzulegen oder zu suchen ist. In diesen Fällen helfen wir uns mit relationalen Datenbanken, in welchen mittels Register jedem Dokument mehrere Findorte zugeordnet werden können, also eben mit komplizierteren Ontologien, durch welche mehrere Sichten möglich werden.
Je grösser aber die Ausschnitte der Welt werden, die wir betrachten, umso komplexer werden die Ontologien. Und selbst wenn die Ontologien das wirkliche Sein der Welt abbilden würden, würde mir das nicht helfen, innerhalb der Ontologie die richtigen Zuweisungen zu einem Dokument zu finden, da ich beim Ablegen des Dokumentes noch nicht abschätzen kann, unter welchen Gesichtspunkten ich das Dokument später suchen werde.
Zwar ist absolut erstaunlich, wieviel Ordnung und Wiederfindbarkeit wir mit Ontologien schaffen, aber die Kosten-Nutzen-Grenze sinkt mit zunehmendem Umfang der Daten - der Anzahl Dokumente und der Anzahl Eigenschaften in der Ontologie - sehr rasch. Die ihrer eigenen Einschätzung nach intelligenteste Organisation der Welt, die amerikanische Central Intelligence Agency, die 1947 gegründet wurde, um Ordnung in das Wissen der amerikanischen Militärs zu bringen, entdeckte sehr rasch, dass sie alles weiss, was man wissen kann, aber nicht weiss, wo sie ihr Wissen abgelegt hat und wie die Teile des Wissens systemisch zusammenhängen. Mit dieser Einsicht hat die CIA das Problem des Wissensmanagement prägnant formuliert - und auch eine neue Lösung vorgeschlagen:
Vannevar Bush hat 1945 den amerikanischen Geheimdiensten ein Archivsystem mit Links auf Mikrofilmen vorgeschlagen. Er nannte es Memex für Memory Extender und sah darin, eine Umsetzung seines Denkens. In seinem Artikel "As we may think" schrieb Bush, dass der menschliche Geist nicht mit Ontologien arbeite, sondern mit Assoziationen, und dass diese mit Links repräsentiert werden sollen. Sein Memex wurde nie gebaut, geschweige denn verwendet.
Der Computer-Maus-Erfinder Douglas Engelbart hat 1963 ein Konzept für eine Hypertextmaschine vorgestellt, das er NLS (oN Line System) nannte und das die Link-Technologie auf Computer explizit machte. Sein Erfolg blieb akademisch. Ted Nelson veröffentlichte 1965 in Anlehnung an Bush und Engelbart die Grundlagen für ein Literatur-Archivierungssystem auf dem Computer unter dem Namen Xanadu. Er prägte dabei den Ausdruck "Hypertext", obwohl seine Vorstellung, wie die von Engelbart stark maschinenorientiert war, was in seinen Bezeichnungen "network storage engine" und "file-server programm for linked compound documents" deutlich wird. Xanadu wurde nie auf ein brauchbares Niveau entwickelt.
Der Ausdruck Hypertext wurde durch die Software Hypercard der Computerfirma Apple bekannt. Die Software selbst erwies sich aber - aller Bemühungen von Appel zum trotz - als Flop. Niemand wollte Hypertexte schreiben. Apple selbst hat - sehr einsichtig - vorgeschlagen, man könne mit Hypercard Adressverwaltungen programmieren. Dazu brauchte niemand Hypertext.
Erfolgreich eingesetzt wurde die Hypertextsoftware nur für Lexika, die eben immer schon eine Hyperstruktur aufwiesen. Die den Nachschlagewerken nachempfundenen "Hilfesysteme" von Computerapplikationen, die das Konzept Hypertext auch massenhaft bekannt machten, obwohl dort der Ausdruck selbst kaum verwendet wird, funktionieren alle viel mehr schlecht als recht. Wer in solchen Systemen etwas sucht, arbeitet anfänglich immer mit den Indexen und nur in Not mit den Links, die in der Not dann meistens auch nichts helfen.
Hypertext erweist sich sehr hartnäckig als nicht brauchbar, wenn man Mitteilungen in dem Sinne machen will, dass ein Autor vorhersieht, was die Leser wissen wollen. Ich werde dazu später im Kapitel Hyperkommunikation mehr sagen.
Ein absolut durchschlagender Erfolg wurde Hypertext in einer "World-Wide-Web" genannten Dienstleistung auf dem Internet. Diese Dienstleistung - die neben der e-mail-Dienstleistung das Internet quasi ausmacht - besteht in der Unterstützung eines "http" genannten Protokolls, dass es jedermann erlaubt, jedes auf einem Internet-Server in einem bestimmte Format, vor allem "html", abgelegten Dokument auf den eigenen Rechner zu kopieren. Man verwendet für diesen Kopiervorgang ein "Browser" genanntes Programm, in welchem die Internet-Adressen der html-Dateien als sogenannte Links interpretiert werden. Links können durch anklicken aktiviert werden, wodurch ein Kopiervorgang ausgelöst wird. In jedem Dokument kann man beliebig viele solche anklickbaren Link-(Anker) mit Internet-Adressen von andern Dokumenten schreiben. Diese Verwendung des Internets hat Berner-Lee am Cern propagiert und sie hat sich sehr rasch etabliert.
Das WWW dient - in seiner längst unterlaufenen Ursprungsform - nicht einer gerichteten Mitteilung, dazu existierte bereits e-mail, im WWW wird nichts verschickt oder gesendet. Es entspricht einer Enzyklopädie, in welcher Daten mit gegenseitigen Verweisen zur Verfügung gestellt werden. Im Unterschied zu eigentlichen Lexika hat das WWW keinen allwissenden, zentralistischen Herausgeber, der wie Diderot entscheiden müsste, was ins Lexikon gehört und was nicht, so dass auch alle Herausgeber-Intentionen, die meistens noch autorenhafter sind, als jene der Autoren, entfallen. Das WWW hat in diesem Sinne keinen Zweck und keine Funktion, weil es nicht von jemandem mit Absicht hergestellt wurde. Als Enzyklopädie ist das Internet in dem Sinne ein funktionales System, als es seine Lexikonfunktion quasi selbst geschaffen hat, es ist eine durch Selbstorganisation entstandene Enzyklopädie.
Das WWW wird oft als lebendiges oder als autopoietisches System deklariert. Mit Selbstorganisation ist hier aber nichts derartiges gemeint, sondern eine Analogie zu einem Effekt, den Physiker vorschlagen, wenn sich eine Ordnung einstellt, die sie nicht begründen, aber reproduzieren können. Der Laserstrahl stellt sich her, wenn man Licht in wohlgeformte Spiegelkonstellationen leitet. Das Phänomen der Bündelung verstehen wir nicht, aber wir verstehen, was man machen muss, dass dieses sich selbst organisierende Phänomen auftritt. Das WWW hat sich in genau diesem Sinne selbstorganisiert, mit der Autopoiese von Lebewesen, die sich selbst erzeugen, hat das nichts zu tun.
Anfänglich war das WWW als reiner Hypertext im Sinne von Nelsen vorgeschlagen worden. Das Konzept der URL ist ein richtiges Hypertext-Konzept, darin treten nur Dokumente auf, keine Computer und keine Indexe. Aber sehr bald wurden Indexe und Suchmaschinen eingerichtet, die den Hypertextcharakter spezifisch unterlaufen. Hypertext scheint nur funktional, wo keine Mitteilungen gemacht werden. Nachdem das WWW als Enzyklopädie aber sehr erfolgreich geworden ist, haben die alten Mitteilungsinstitutionen den Hypertext überschrieben und angefangen das WWW als Massenmedium zu bewirtschaften. Das tut dem WWW keinen Abbruch, im Gegenteil, es ist noch viel populärer geworden. Verwischt wird nur der Ort, wo Hypertext funktioniert, indem die primitivsten Datenrelationen wie Börsenkurse und Fahrpläne als Hypertexte gedeutet werden, weil sie von Geldmachern ins WWW gestellt werden.
Hypertexte sind ihrem Wesen nach dezentral organisiert. Wenn jemand ein Interesse ausserhalb des Textes verfolgt, zentralisiert er den Text mit Ordnungen, die seinen ontologischen Interessen entspringen.
Nachdem die Suchmaschinen als virtuelle Metatexte fungieren, kann man das WWW als voll entwickelte Enzyklopädie auffassen, in welchem - wie in entwickelten Büchern - Metatext und Links zum Zuge kommen. Dem entsprechend gibt es auch zwei unterscheidbare Strategien. Man kann die Texte mittels inhaltlich gedachter Links verknüpfen, dann bewegt man sich im Hypertext, und man kann die Dokumente mittles Metatext verknüpfen, die im nicht sichtbar gemachten Kopfteil der html-Dokumente stehen - und dort auch explizit Metatext genannt werden.
Damit, wie ich "in meinem Kopf" denke, haben beide Text-Verfahren nichts zu tun. Beide Verfahren sind artefaktisch begründete Prozesse, die ich mit hergestellten Werkzeugen, mit Computern unterhalte. Beide Verfahren sind Ausdruck von Können, nämlich von Verwaltungs- oder Organisationskönnen, und wenn ich darüber spreche, ist das Ausdruck von Wissen über die Organisation von explizitem Wissen.
Als Hyper-Bibliothek bezeichne ich einen Hypertext aus verschieden hoch integrierten Texten. Die Hyper-Bibliothek besteht wie jede Bibliothek aus Texten und Register. Die Texte nenne ich "Hyper-Büchern" und eines der Register erscheint als Hyper-Lexikon mit Begriffs-Vereinbarungen, die in allen Hyper-Büchern der Hyper-Bibliothek verwendet werden. Die Einträge im Hyperlexikon lese ich als Text-Ersetzungen, wobei ich die Er-Satz-Texte als Worterläuterungen (Definitionen) lese, also als Tautologien jenseits aller Refenten. Die Hyper-Bücher lese ich als Argumentationen, also als Beschreibungen von (kausalen) Verhältnissen.
Die Argumentationen in den Hyper-Büchern enthalten wenig Redundanz, weil alle Vereinbarungen, meistens in Form von Definitionen im Begriffslexikon ausgelagert sind. Damit hat diese Hyper-Bibliothek die Struktur eines Computer-Programmes, in welchem alle Funktionen, die mehrmals verwendet weden, ausgelagert weren. Der praktische Nutzen dieser Hyper-Bibliothek besteht darin, dass die Hyper-Bücher kurz und untereinander konsitent sind. Der Leser muss Vereinbarungen, die er bereits kennt, nicht lesen. |
Das Hyper-Lexikon ist - wie das Wort mit seinem Vorspann sagt (!) - ein spezifisches Lexikon, es hat eine spezifische Funktion. Häufig werden Lexika pragmatisch interpretiert, also so, dass sie Wissen über die Welt abbilden. Unter "Paris" steht dann, was es im wirklichen Paris zu sehen gibt, unter "Liebe" steht dann, was dieses Wort wirklich "bedeutet", usw. Im Hyper-Lexikon stehen dagagen Wort-Ersetzungen, die in der Hyper-Bibliothek einsetzbar sind. Das Hyper-Lexikon entwickelt sich in einem dynamischen Prozess, in welchem es definitiver wird, also schliesslich nur noch Definitionen enthält. Wo Definitionen noch nicht ent-wickelt sind, stehen provisorische Umschreibungen. Diesen Prozess interpretieren ich als Wissensmanagement, ich werde inhn später operationell beschreiben.
Hyper-Bücher sind - wie das Wort mit seinem Vorspann sagt (!) - keine Bücher; sie sind nicht aus gebundenem oder broschierten Papier, sondern Hypertext(-teil)e, die wie Bücher gelesen werden können, weil sie Argumentationen enthalten. Hyper-Bücher bestehen aus anderen Hyper-Bücher oder sie sind elementar, also eigenständige Argumente in der Hyper-Bibliothek. Jede Argumentation kann in verschiedenen Hyper-Bücher verwendet werden, einige Hyper-Bücher sind Teilmengen von andern.
Als Argument bezeichne ich Aussagen, die zur Begründung von anderen Aussagen vorgebracht werden. Eine Argumentation ist eine Aussage, die Feststellungen, Vereinbarungen und Argumente enthält. Argumentationen erkennt man an begründenden Konjunktionen wie "weil" und "damit". Mit solchen Konjunktionen wird der Leser durch die Logik der Aussage (des Textes) geführt. Argumente braucht man, wenn man beweisen oder überzeugen will.
Eine Hyper-Bibliothek lässt sich als Produkt eines Hyper-Sprachspieles auffassen, in welchem Argumentationen als empirisches Material verwenden. Weil Argumentationen mit Intentionen geschrieben und dabei die Wörter relativ bewusst gewählt werden, eignen sie sich als Ausgangsmaterial für die lexikalische Arbeit und auch zur Ueberprüfung, ob die Wort-Ersetzungen aus dem Hyper-Lexikon funktionieren.
In einer Hyper-Bibliothek ist die Konsistenz der Hypertext-Teile ist kein teleologisches, sondern ein kybernetische Ziel. Das kypbernetische Ziel ist nicht - wie das teleologische - ein Ziel, das in der Zukunft liegt, es hat keinen Sinn, es ist die Folge der Operationen, oder anders gesagt ein Eigenwert des kybernetischen Mechanismus. Eine thermostatengesteuerte Heizung verfolgt kein teleologisches Ziel, sie will nicht ein angenehme Raumtemperatur erreichen, sondern heizt, wenn die Ist-Soll-Wert-Differenz negativ ist. Ueber den Soll-Wert macht sie sich keine Gedanken. In der Hyperbibliothek geht also nicht darum, am Ende konsistente Begriffe zu haben, sondern darum, sich der Verwendung der Begriffe bewusst zu werden. Das Ziel ist in den durch Ist-Soll-Zustandsdifferenzen ausgelösten Verhalten gegeben. Immer wenn jemand einen Textersetzung liest, die nicht passt, greift er in das Spiel ein, welches so "am Leben" bleibt. Abweichungen in der Konsistenz motivieren das Spiel.