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Suche ein Beispiel dafür, wie Unterscheidungen die Wahrnehmung und das Handeln beeinflussen! |
Ein typische Anwendung ist die Kofliktlösung, bei welcher beide Parteien die "Brille" der andern Partei aufsetzen. Brille steht für Kategorien oder eben Unterscheidungen. |
Die Mutter rennt hin und hält das Kind zurück, vielleicht weil sie ein gesundes und ein verletztes Kind unterscheidet. Als Beobachter kann ich sagen, die Mutter habe das für das Kind getan, denn das Kind hätte vielleicht Schaden genommen. Ich kann aber auch sagen, sie habe das für sich selbst getan, denn sie hätte gelitten, wenn das Kind zu Schaden gekommen wäre. Als Beobachter kann die Interessen von Mutter und Kind unterscheiden. Wenn ich die Interessen unterscheide, kann ich die Mutter mit einer Frage vor eine peinliche Entscheidung stellen (Anmerkung 1). Ich kann die Unterscheidung aber auch aufheben. Wenn ich die Interessen von Mutter und Kind nicht unterscheide, kann ich nicht sinnvoll fragen, in wessen Interesse sie eingegriffen hat. Unterscheidungen bestimmen mein Für-Wahrnehmen und mein Handeln. Die Unterscheidungen sind nicht in der Sache, ich mache sie. |
Ich glaube, die dieem Beispiel zugrunde liegende Geschichte ist - mindestens in den Sozialwssenschaften - ziemlich bekannt. Sie passt mir hier auch historisch gut, weil sie im Kontext der Erfindung der (behavioristischen) Blackbox steht, die für die Systemtheorie 2. Ordnung von grosser Bedeutung ist.
Bei der klassischen Konditionierung werden eine zwei Reize so verknüpft, dass sie in einem behavioristischen System dieselbe Reaktion auslösen, weil der eine Reiz quasi als unbewusstes Symbol für den andern verwendet wird. I. Pawlow hat in seinem Experiment einem Hund Fleisch angeboten, was für den Hund einen unbedingten Reiz darstellt, und der Hund hat darauf mit Speichelfluss, also mit einer spezifischen Reaktion geantwortet. Während der Fütterung hat I. Pawlow dem Hund ein zweiten neutralen Reiz, also einen Reiz, der bisher keine spezifische Reaktion hervorrief, präsentiert. Er läutete mit einer Glocke. Nachdem er die beiden Reize, also Futter und Glocke oft genug gemeinsam präsentiert hatte, funktioniert der ehemals neutrale Reiz alleine, der Hund begann auch ohne Fleischangebot zu speicheln, wenn er die Glocke hörte. I. Pawlow folgerte, dass der Hund die beiden Reize in einem Lernprozess assoziiert habe. Die Erklärung von I. Pawlow ist funktional. Als Behaviorist sagt I. Pawlow, dass wir nicht wissen müssen, wie der Hund konstruiert ist, respektive, wie er intern operiert. Wir können funktional verstehen, was in der Blackbox "Hund" passiert, indem wir zeigen, wie die Blackbox zu einem bestimmten Verhalten manipuliert werden kann. Die Behavioristen haben die Blackbox erfunden, erst später, in der sogenannten kognitiven Wende wurde das Innenleben der Blackbox als interessant entdeckt. I. Pawlow gibt also eine operative Beschreibung, aber keine konstruktive. Er sagt, was man tun muss, wenn man den Hund dressieren will, aber nicht, wie der Hund funktioniert. Man kann dieses Experiment variieren. Jerzy Konorski machte folgenden Versuch: Er wiederholte alles genau nach den Anordnungen von I. Pawlow. Aber im entscheidenden Moment liess er seinen Assistenten, ohne dessen Wissen, mit einer Glocke ohne Klöppel "läuten". Die Glocke blieb stumm, der Hund sekretierte trotzdem. Daraus schloss J. Konorski: Das Läuten der Glocke war ein konditionierter Reiz für I. Pawlow, aber nicht für den Hund. Der Hund mag schon etwas gelernt haben, aber wir wissen nicht was. I. Pawlow dagegen hätte durch seine Forschung lernen können, dass der Hund speichelt, wenn der Forscher in Anwesenheit des Hundes die Glocke hört (Anmerkung 2). I. Pawlow hat als Forscher einen Zusammenhang - unter strengen Regeln des Experimentes - untersucht. Er machte Hypothesen über die Konditionierung und hat sie experimentell überprüft und verifiziert. Dann hat er einen wissenschaftlichen Bericht darüber geschrieben, in welchem er die Methode und die Befunde darstellte, so dass sie von der wissenschaftlichen Gemeinschaft nachvollzogen und überprüft werden können. Ich sehe darin einen typischen Fall von Wissenschaft, wie sie etwa von K. Popper beschrieben wurde. Wir können das Experiment von I. Pawlow genau nachmachen und werden zu demselben Resultat kommen. Es ist ein wesentlicher Aspekt der Wissenschaft, dass Resultate reproduzierbar sind. J. Konorski hat nicht das Experiment von I. Pawlow wiederholt, sondern ein anderes Experiment gemacht, das auch zu einem Resultat führte. Das Experiment von J. Konorski ist auch wiederholbar. Es macht aber auf den Hund bezogen keinen richtigen Sinn, weil J. Konorski ja prüft, ob ein spezifisch gelehrter Hund auch etwas kann, was gar nicht bewusst gelehrt wurde. Sinn macht das Experiment von J. Konorski nur als Kritik an I. Pawlow. Die Kritik beruht aber nicht darauf, dass er zeigt, dass das Experiment von I. Pawlow nicht wiederholbar ist oder andere Resultate zeigt. Es ist also - zumindest im Sinne von K. Popper - keine wissenschaftliche Kritik. Bei K. Popper - und im gesunden Alltagsverstand - heisst es explizit, dass die Wahl der Hypothesen wissenschaftlich gesehen beliebig ist. Hypothesen müssen nur falsifizierbar sein und natürlich eine praktische Relevanz haben. Genau das hat I. Pawlow hervorragend geleistet. Seine Theorie wurde und wird in der Dressur von Tieren überall verwendet und bestätigt. Sie hat also grosse Relevanz und ist von beliebig vielen Menschen wiederholbar. Das Resultat von J. Konorski widerlegt das Resultat von I. Pawlow nicht, sondern zeigt einfach, dass es auch andere Tat-Sachen gibt, die auch ziemlich interessant sind. Die Kritik bezieht sich auf die Unterscheidung, die I. Pawlow seinem Experiment zugrunde legte. I. Pawlow beobachtet seinen Hund. Viele seiner Schüler beobachten auch den Hund. J. Konorski beobachtet I. Pawlow - oder genauer gesagt, die Unterscheidung, die man verwenden muss, wenn man sehen will, was I. Pawlow sah (Anmerkung 3). I. Pawlow hat - wenn ich mit einer andern Unterscheidung hinschaue - einen Hund gelehrt. Man kann auch sagen ausgebildet, unterrichtet, trainiert oder dressiert. I. Pawlow hatte dabei ein Lehrziel, der Hund musste eine Prüfung ablegen. Der Hund bestand die Prüfung, obwohl wir nicht wissen, welche Aufgabe der Hund eigentlich gelöst hatte (er hat ja vielleicht nicht auf das Läuten der Glocke geachtet). I. Pawlow hat aber sein Lehr-Ziel erreicht, weil sich der Hund wie prognostiziert verhalten hat. Wäre ich an der Stelle des Hundes gewesen, hätte das Lehrziel für mich keine Relevanz gehabt. Ich hätte allenfalls gelernt, wie ich zu meinen Belohnungen oder rasch wieder aus dem Experimentierkäfig rauskomme. Mein Lernziel wäre ein ganz anderes gewesen, als I. Pawlows Lehrziel. Gelernt hätte ich aber vielleicht trotzdem, auf die Glocke zu achten.
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