Das konstruktive Wissensmanagement als Protokoll

Das konstruktive Wissensmanagement beruht im wesentlichen auf einem Protokoll, in welchem geregelt ist, wie die Beteilligten kollaborieren. Das kybernetische Ziel des konstruktiven Wissensmanagement ist die Explikation dieses Protokolls. Es geht also nicht darum Wissen überhaupt zu "managen", sondern darum, sich der eigenen Wissensprozesse bewusst zu werden, indem diese kollaborativ protokolliert werden.

Ein kollaborativ entwickeltes Protokoll kann als Hypertext in einem offenen Computernetz geschrieben werden, so dass alle Beteiligten jederzeit Schreib- und Lesezugriff haben. Der allgemeinste Fall solcher Computernetze ist das Internet mit einem FTP-Server, aber natürlich kann man als Plattform beliebige andere Formen wählen, die vorstukturierter sind, wie etwas das WebCT.

Wissensmanagement verlangt eine Vereinbarung darüber, wo und wie das Wissen protokolliert wird.


Ebenen des Protokolls

Signale

Wenn wir in Form eines gemeinsamen Hypertextes im Internet kommunizieren, verwenden wir natürlich das Internet-Protokoll und mithin die darunterliegenden technischen Protokolle. Wir verwenden elektrische Signale, die wir über das Telfon-Internet-System zum Internetserver und zurück senden. Dabei verwenden wir das Prototokoll, das vorschreibt, wie die Telefonstecker verdrahtet sind. Wer ein "falsches" Modemkabel (also kein Nullmodemkabel) hat, kann nicht mitmachen, weil das Anmeldesignal zwischen den beiden Steckern einmal verdreht wird. Das haben die Kabelhersteller so vereinbart, vor allem aber sind die Kabel so konstruiert. Dann ist klar, dass wir Computersignale senden. Wer gesprochene Wörter auf die Telefonleitung schickt, wird vom Modem nicht "verstanden". Es ist dann für das Modem so, wie es für uns ist, wenn jemand einen Fax auf unsere Telefonnummer schickt: nur Geräusche oder technischer, nur Rauschen. Dann verwenden wir das TCP/IP-Prototokoll, welches dafür sorgt, dass die Signale einerseits zum richtigen Computer kommen und von diesem als Internetsignale interpretiert werden. Und schliesslich unterstellen wir uns dem HTTP und dem HTML.

Diese technischen Protokolle können wir im Rahmen des konstruktivenn Wissensmanagement unter anderen auswählen, aber kaum beeinflussen. Die Funktionsweise des gewählten technischen Systems ist uns auf dieser Ebene gegeben. Unterhalb des technischen Systems herrschen die Protokolle, die wir biologisch beschreiben. Die Signale, die ich im Internet umhersende, steuere ich mit Signalen meines Körpers, und ich steure damit Signale in meinem Körper. Die Zeichen am Bildschirm, die ich geschrieben habe, beeinflussen meine Retina und mithin die Signale in meinem als "neuronalem Netzwerk" gedachten Nervensystem.

Die biologischen Signale verstehe ich in einem mechanisch-konstruktiven Sinn wie die Signale im Internet. Im Rahmen des konstruktiven Wissensmanagement kann ich diese Protokolle nicht nur nicht beeinflussen, ich kann sie nicht einmal auswählen. Alles was ich im Sinne des Wissensmanagement weiss, muss ich mit meinem Organismus wissen.

Vor allem aber habe ich keinerlei Einsicht in den autopoietischen Prozess, in welchem ich aus Signalen imn meinem Nervensystem oder im Internet Wissen im Sinne von Bedeutungen oder Inhalten erzeuge.


Zeichenkörper: Texte und Bilder

Auf der Ebene des Wissensmanagment kümmere ich mich nicht mehr um Signale, sondern um materielle Zeichenkörper, also um Texte und Bilder, mit welchen ich Signale erzeuge. Texte und Bilder unterstehen je einer Grammatik, die als Protokoll regelt, wie Texte und Bilder aussehen.

Die Texte gehören zu einer gewählten Sprache und eventuell zur einer gewählten Terminologie. Sprache und Terminologie sind einerseits wie die Technik und unser Organismus gegeben, sie sind aber veränder- und erweiterbar. Auch im Raum der Bilder gibt es viele Konventionen, die man einhalten kann, wenn man will. Welche Textsorten und welche Abbildungsarten im kollaborativen Hypertext zugelassen sind, muss die Wissensgemeinschaft festlegen. Sind Gedichte oder Bilder von Piccaso Ausdruck von Wissen? Sind sie es in einer Form, die im Wissensmanagement Platz hat?


Dokumente und Links

Texte und Bildern (und Technobilder) müssen verwaltet werden. Wenn man die Browsertechnologie im Internet verwendet, sind Texte und Bilder Dokumente, die mit Links verbunden sind. Jedes Dokumente hat eine eindeutige Adresse (URL). Auch dieses Protokoll ist nicht veränderbar gegeben. Man kann aber die Adressstruktur und die Namen der Dokumente regeln.

Dokumente können verändert werden. Man kann den Dokumenten Versionen zuordnen und die Versionenfolge dokumentieren. Man kann bestimmte Methoden der Dokumentbearbeitung festlegen. Diese Aspekte des Protokolls kann man in Form von Regeln vereinbaren, man kann sie aber auch automatiseren.

Dokumente können zu einem Autoren gehören oder von allen bearbeitet werden.


Dokumentation

Es gibt verschieden Möglichkeiten der Dokumentation. Man kann - manuell oder automatisch - ein Log-Buch führen. Man kann die Dokumente mit Merkmalen oder Eigenschaften versehen, so das sie Suchverfahren und Rekonstruktionen ihrer Produktion unterstützen.


Aenderungen des Protokolls

Man kann das Protokoll implizit oder explizit wechseln. Abweichungen kann man als Fehler betrachten oder als Ausdruck einer impliziten Aenderung. Und natürlich kann man Aenderungen des Protokolls protokollieren.

Auf dieser Stufe ist die Stringenz der Protokollierung nicht mehr gegeben, weil des Protokoll selbstreferentiell wird, was zu Paradoxien führt. Man kann etwa - bei geltender Protokollierungspflicht - beschliessen, dass Aenderungen des Protokolls nicht mehr protokolliert werden, dann ist nicht entscheidbar ob dies Aenderung noch protokolliert werden muss oder nicht.

Hinreichend komplexe Spiele sind immer unterbestimmt.


Meta-Protokoll

Das konstruktive Wissensmanagement hat kein Abbruchkriterium. Es ist eine endlose Geschichte ...