Fachstelle für Weiterbildung der Uni Zürich: Wissensmanagement          [Inhalt ]

Ein Gespräch über Wissen


 
Rolf:

Lasst uns hier eine Art schriftliches Gespräch über Wissen führen. Mich würde interessieren, wie jede(r) von uns das Wort verwendet, also in welchen Zusammenhängen überhaupt von Wissen die Rede ist.
 

Hanspeter:

Wissen ist auf jeden Fall nicht sichtbar. Wissen ist in seiner Struktur nicht zugänglich, auch für uns selber nicht. Glasersfeld:"Ich weiss, dass ich weiss, aber ich weiss nicht, wie ich weiss, dass ich weiss." Wissen ist nur über Handlungen zu erkennen: über Sprechen und Schreiben. Ob ich die Basics von HTML und andere technische Zusammenhänge begriffen habe und somit weiss, lässt sich nur an meinem Tun erkennen. An diesem Beitrag zum Beispiel. Oder an meiner Überarbeitung der Sites "TeilnehmerInnen" und "Hanspeter Danusers Homepage". A propos Basics: Wenn Du den Quelltext öffnest, siehst Du, dass ich es nur mit mehreren Zeilenvorschüben fertig gebracht habe, die Texte der beiden Tabellenfelder auf gleiche Höhe zu bringen. Ich nehme an, dass man das man eleganter haben kann, aber wie?
 

Rolf:

Eigentlich wollen wir hier über Wissen dialogisieren, nicht über HTML. Wenn Du aber den Quelltext erneut anschaust, dann siehst Du, dass ich einen "valign" eingesetzt habe. Dadurch beginnen alle Felder oben.
Zurück zum Thema: wenn jemand Rad fahren kann, was weiss er dann in Deinen Augen, resp. in Deiner Redeweise?
 

Hanspeter:

Du hast mich aufs Glatteis geführt: Ja, was weiss einer, wenn er Rad fahren kann? Vielleicht ist das letzte Verb entscheidend: er kann. Wobei es keine greifbare Verbindung zwischen zweifellos vorhandenem, aber nicht sichtbarem Wissen und dem erkennbarem Können gibt, das sich im Handeln zeigt. Nur: Wenn er Radfahren kann, dann kann er auch darüber sprechen und damit noch einmal Wissen anzeigen. Aber auch hier gilt: Das Wissen an sich ist nur am Handeln erkennbar, hier am Tun an sich (=Velofahren) und am sprachlichen Handeln. Das bedeutet auch, dass Wissen und Können irgendwie zusammenhängen.
 

Daniela: Wissen und Können spielen sich auf 2 unterschiedlichen Ebenen ab. Wissen ist die abstrakte Form eines Raumes, indem es von Daten, Informationen und Prozessdefinitionen wimmelt. Wenn ich etwas "kann", dann denke ich an motorische Abläufe wie z.B. Skifahren oder Tanzen. Gerade beim Tanzen erkennt man die Abgrenzung zwischen: ich weiss, wie es aussehen sollte, aber mein Körper kann es nicht umsetzen.
 
Hanspeter: Mir fehlt vorderhand die präzise begriffliche Abgrenzung zwischen Können und Wissen. Jedenfalls: Ich kann etwas wissen und doch nicht können (siehe Danielas Beispiel vom Tanzen). Ich kann aber auch auch etwas können, aber nicht wissen, jedenfalls nicht so wissen, dass ich es mit Worten mündlich oder schriftlich beschreiben könnte (zum Beispiel Radfahren).
 
Rolf:

Ich finde das ganz wunderbar, wie schnell wir uns so bewusst machen, was wir über Wissen wissen. Daniela sagt, sie wisse, wie sie beim Tanzen - was für Tänze machst Du denn? - aussehen sollte. Also bitte ich darum, mir dieses Wissen mitzuteilen. Hanspeter sagt, da er Rad fahren könne, könne er auch darüber sprechen. Also bitte ich darum, etwas darüber zu hören.
 

Hanspeter:

Ich lese wohl nicht richtig. Du willst wirklich "hören"?. Ich weiss nicht, wie man Audios in Web Sites einbindet, vielleicht würde ich das bei Münz finden. Aber im Ernst: Ich muss beim Radfahren eine gewisse Minimalgeschwindigkeit beachten, um die Balance halten zu können. Im Stillstand kann ich mich nur durch Artistik halten, weil ja eine Ebene nicht durch zwei, sondern durch drei Punkte bestimmt wird. Das Tempo bestimme ich durch Umdrehung der Pedalen, je nach Geländeprofil kann ich verschiedene Übersetzungen wählen, damit das Vorankommen pro Umdrehung und den Kraftaufwand verändern. Richtungsänderung nehme ich mit der Lenkstange vor, wobei ich aufpassen muss, dass ich keine hastigen und nur sparsame Lenkbewegungen mache. Richtungsänderungen werden durch leichte Körperneigungen unterstützt.
Kommentar: Ich habe eine Spezialausbildung als Autor von Gebrauchsanleitungen. Dass Obiges keine brauchbare Anleitung ist, ist mir klar.
 

Rolf:

In der Tat sind bei Münz die Angaben zu finden, und es ist auch realtiv einfach, Ton und Video-Sequenzen in die Site einzusetzen.
Und zum Kommentar: Wäre es denn überhaupt - oder im Prinzip - möglich eine Gebrauchsanweisung für das Fahrrad fahren zu schreiben?
Meines Erachtens kann man relativ leicht eine Grbrauchsanweisung zu einem Fahrrad schreiben, also dazu, wie es zusammengebaut wird, wie man die Kette einsetzt oder spannt, dass man die Kette ölen muss usw. Wenn ich die Gebrauchsanweisung meines Kochherdes lese, steht dort ja auch nicht, wie man Teigwaren al dente macht. Das steht in einer anderen "Gebrauchsanweisung", nämlich in einem Rezept. Ein Rezept ist etwas ziemlich anderes, als eine Gebrauchsanweisung, oder? Und in der Bank gibt es ausserdem noch Weisungen, was wieder etwas anderes ist. Ich frage mich, welche dieser Texte was für Wissen verkörpern und wie sie im Wissensmanagement sinnvoll eingesetzt werden.
Die Idee, Gebrauchsanleitungen zu schreiben, finde ich sehr gut. Vielleicht schreibt Daniela eine Gebrauchsanweisung für das richtige Aussehen beim Tanzen. Oder Thomas sagt uns, was Viren sind. Oder Thomas oder Heiner sagt uns, wie wir die Drachen von Malik wahrnehmen können.
 

Heiner

Bevor ich mir über die Wahrnehmung von Drachen den Kopf zerbreche, möchte ich kurz zu erklären versuchen, was ich zurzeit unter Wissen verstehe. Für mich handelt es sich dabei in erster Linie um innere Bilder oder um ein Gefühl. Weiter glaube ich, dass bei mir der Zustand vom Nicht-Wissen zum Wissen vor allem auf einem persönlichen Entscheid beruht. Ich entscheide, ob ich etwas weiss oder nicht weiss - ob ich etwas kann oder nicht kann. Auch die Anhaltspunkte oder Methoden, die ich benutze, um mein Wissen oder Nicht-Wissen zu überprüfen, bestimme ich persönlich. Ich habe früher viele Dinge gewusst, über die ich heute nicht mehr sicher bin. Gleichzeitig habe ich viele Dinge nicht gekonnt, die ich aus heutiger Sicht damals perfekt beherrschte.
 

Rolf

Ich finde, Heiner bringt zwei spannende Aspekte in den Dialog: den der Entscheidung und den des Irrtums. Wenn ich etwas weiss, dann ist das für mich Wissen, auch wenn es für andere (oder für mich selbst in einem späteren Zeitpunkt) falsch erscheint. Aber natürlich wollen wir in diesem Sinne nicht jedes Wissen, sondern nur die Wissen, die sich später nicht als Irrtum herausstellen. Und wenn Heiner sagt, dass er entscheidet, wie er sein Wissen prüft, dann spricht er von seinem Wissen. Wenn wir Wissen teilen, dann entscheiden wir gemeinsam, wie wir unser Wissen prüfen.
In unserem Wissensmanagement geht es eigentlich genau um diesen Prozess. Jeder von uns schaut allen andern beim Wissen zu und prüft, ob die Wissensbestandteile für ihn auch funktional sind.
Wir haben über das Internet schon so gesprochen: Im Internet steht alles, aber es steht nie dabei, was stimmt und was nicht stimmt. In einem Intranet steht dagen meistens nicht viel, aber dafür scheint es verlässlicher, weil man weiss, wer mitgeschrieben hat.
 

Thomas

Für mich ist Wissen etwas sehr individuelles. Will sagen für mich ist Wissen direkt an das Subjekt gebunden und ohne dieses nicht vorstellbar. Ob etwas nun "können" oder "wissen" ist, ist für mich irrelevant, weil es - je nach Subjekt - vom Einen als "Wissen" bezeichnet" wird und vom Anderen als "können".
Was ein Virus ist, ist abhänig von der Definition, die wir gebrauchen. Wissen ist also auch hier abhängig vom Subjekt, welches selektioniert, welche Definition zur Anwendung kommt und welche nicht. Diese Definitionen sind nur z.T. "fix" sie können sich in der Zeit verändern (Man denke da nur an das Aufkommen des HI-Virus, welches ein Dogma der Molekularbiologie erschütterte. (Eine gängige Definition für "Virus" lautet etwa: "Viren sind Nucleoproteine (aus Nucleinsäure und Proteinen bestehend), welche nicht die typischen Merkmale einer Zelle haben und so gebaut sind, dass sie zu ihrer Vermehrung auf eine lebende Zelle angewiesen sind. Ihre Organisation ist so einfach, dass sie zur Energiegewinnung und andere Lebensäusserungen nicht fähig sind."
Es ist mir bewusst, dass an dieser Definition eineiges diskutiert werden kann....
Beim Surfen bin ich über eine interesssante Homepage gestolpert (Surfen und stolpern, na ja, es gibt wohl bessere Metaphern..).
Ich fand unter Think Tools einige interessante Aussagen, wie in der Wirtschaft Wissensmanagement resp. "Wissen" verstanden wird. Erfreulicherweise wurde dabei nicht nur der Management- und "IT"-Aspekt in den Vordergrund gerückt... Was sagt Rolf als "Profi-Knowledge-Worker" zu dieser "Sicht von Wissen"?
 

Rolf

Thomas schlägt vor, nicht zwischen können und wissen zu unterscheiden. Ich sage aber normalerweise, dass ich Fahrradfahren kann, nicht dass ich Fahrradfahren weiss. Ich nehem an, jede(r) von uns kann Fahrradfahren, aber wie steht es um das Wissen über das Fahrradfahren?
Hanspeter schrieb, dass er beim Radfahren eine gewisse Minimalgeschwindigkeit beachten muss, um die Balance halten zu können. Im Stillstand könne er sich nur durch Artistik halten, weil ja eine Ebene nicht durch zwei, sondern durch drei Punkte bestimmt wird. Ich frage mich, wie er oder ich die Balance beim Fahren halten. Wenn wir fahren haben wir ja auch nur zwei Punkte am Boden, oder?

Thomas sagt, was Viren seien, sei von unserer Definition abhängig. Mich interessiert, wer von uns welche Definition verwendet. Wissensmanagement verstehe ich (auch) so, dass man implizite Definitionen explizit macht.

Dann fragt Thomas noch, was "Rolf als Profi-Knowledge-Worker" zur "Sicht von Wissen" unter Think Tools sagt. Dazu sage ich erstens, ich bin kein Profi und Knowledge-Worker sind wir alle. Zweitens sage, ich "uff", weil ich nicht weiss, wozu ich etwas sagen soll, weil unter dieser Adresse so viele Dinge zu finden sind. Ich bin aber dankbar für solche Hinweise, wenn ich die Site etwas genauer gesehen habe, werde ich über meinen Eindruck gerne berichten.