Mit diametral unterschiedlichen Leistungen im Kommunikationsbereich - «Halifax» und Finanzdesaster - bietet die SAir-Gruppe ein lehrreiches Beispiel dafür, dass der inflatorisch verwendete Begriff Kommunikation etwas weit Umfassenderes ist als Information. Es zeigt auch Grenzen der persönlichen Kompetenz der konkreten Akteure.
fre. Wenn man der früheren «Information und Presse» des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements telefoniert, wird man seit letztem Herbst mit der Meldung «Kommunikationsdienst EVD» begrüsst. Einzelnen geht das Wort allerdings erst stockend über die Zunge. Aber offenbar hat man in diesem Departement, dessen Chef sonst recht immun gegen Geschmäcklertum und Hochstapelei ist, Gefallen daran gefunden, das Wort Information, dessen Inhalt klar ist, durch das so viel besser tönende, aber in diesem Zusammenhang manieristische Wort Kommunikation zu ersetzen. Doch was ist der Unterschied von Information und Kommunikation? Einen solchen sollte es ja geben, wenn die Sprache überhaupt noch eine Ökonomie hat, das heisst, mit verschiedenen Worten auch Unterschiedliches bezeichnet.
Es gibt vor allem zwei Unterschiede. 1 Zum einen ist Information das, was der Absender einer Botschaft dem Empfänger mitteilen will. Kommunikation hingegen ist das, was beim Empfänger auch insgesamt verstanden wird. Die klassische Illustration dieses Unterschieds ist das alte Pfadfinderspiel, bei dem jeder seinem Nachbarn zur Rechten das ins Ohr flüstert, was ihm der Nachbar zur Linken gesagt hat. Das Resultat am Ende der Kette weicht in aller Regel vom Ursprünglichen stark ab und ist das, was wirklich kommuniziert wurde.
Der andere Unterschied von Information und Kommunikation ist der, dass beim Ersten allein das Verbale eine Rolle spielt, beim Zweiten hingegen die Gesamtheit des Verhaltens. Wer mit zittriger Stimme Worte der Tapferkeit spricht, dementiert sich selber. Oder, um ein Beispiel aus dem obgenannten Departement zu nehmen, wenn Bundesrat Pascal Couchepin der Expo 01 vor zwei Jahren öffentlich Unterstützung und Sympathie ausdrückte, illustrierten Mimik und Intonation, dass er beides nicht sehr intensiv meinte. Das zeigt aber auch, wieso Kommunikation viel mehr mit Führung zu tun hat als Information. Und gerade das erklärt wieder, wieso Informationschefs so viel lieber Kommunikationschefs wären. Es wäre gut, mögen sie meinen, für das Selbstwertgefühl.
Beispiele der Unterschiede gäbe es zuhauf. Aktuell sind in diesem Zusammenhang das Geschehen der letzten Wochen rund um die Turbulenzen bei der Swissair und der Vergleich mit dem Verhalten der Fluggesellschaft beim Flugzeugabsturz von Halifax. Halifax begründete den Ruf von Beatrice Tschanz, der Leiterin Corporate Communications (englisch tönt's eben gerade noch eine weitere Stufe besser) der SAir-Gruppe. Das Finanzdesaster hat den Ruf auf die Dimension der wahren Kompetenz zurückgeführt.
Halifax war eine «human interest story» und damit im Nachhinein gesehen auf das Profil der ehemaligen «Blick»-Journalistin und deren wohltuend gesunden Menschenverstand zugeschnitten. Die Kommunikationsleistung war eine gemeinsame der Konzernführung und ihrer Sprecherin. Die Konzernführung verfolgte, sicher nicht ohne Tschanzens Mitwirkung, eine einfühlsame und damit das Publikum sympathisch ansprechende Politik in der Sache. Das war die Kommunikation. Die Sprecherin - aber nicht nur sie - hat diese Botschaft glaubwürdig vertreten und wurde damit zur Identifikationsfigur für das Publikum.
Ganz anders jetzt beim Finanzdesaster. Die Konzernleitung verlor so sichtbar die Orientierung, dass jede «kommunikative» Schönrederei das manifeste Versagen nicht hätte korrigieren können. Ein Beispiel war der Entscheid, gleichzeitig die weitere Finanzierung der Sabena mit rund 230 Millionen Franken und die Streichung von 5 Millionen Franken bei der Expo 02 bekannt zu geben (Letzteres paradoxerweise in den eine Welle der Solidarisierung auslösenden Auswirkungen eher ein Glücksfall für die Landesausstellung). Man weiss, dass der warnenden Tschanz hier intern das Wort entzogen worden war. Aber gerade dieses letztere Detail zeigt, wieso interne Kommunikationsberatung, wenn nicht ein sehr enges Vertrauensverhältnis zum obersten Chef besteht, ebenso wie intern organisierte Prozessvertretung in heiklen Fällen problematisch ist. Selten wurde so klar wie gerade beim finanziellen Absturz der SAir-Gruppe deutlich, dass das Verhalten der verschiedenen Rollenträger die Kommunikation war. Das mindestens gegenüber aussen ebenso hilflose Auftreten der Corporate Communications spielte da für das Bild des Unternehmens überhaupt keine Rolle mehr.
Die Swissair-Führung schlingerte, und Tschanz schlingerte noch zusätzlich. Denn nun setzte das ein, was ein Kommunikationsberater unter allen Umständen - es sei denn als bewusstes und dafür gut honoriertes Bauernopfer in Ausnahmefällen - vermeiden muss: sich selber zum Thema zu machen. Der Zustand des Nervensystems von Frau Tschanz, ihre momentane Befindlichkeit wurde zum Medienthema, vor allem und bezeichnenderweise in der Ringier-Presse. Das Ganze kulminierte in einem pathetischen Abschiedsauftritt an einer Pressekonferenz, deren Thema nicht Tschanz war. Ob und wie weit aus der Boulevard-Fussnote ein Schaden entstand, kann im Moment noch nicht beurteilt werden. Im Gesamtrahmen dürfte er nebensächlich sein. «Blick»-Betrachtern fällt jedenfalls auf, wie jetzt zwischen der guten Beatrice Tschanz und dem «Dr. Corti» 2 unterschieden wird. (Entgegen dem in der «Blick»-Wochenkampagne Suggerierten gibt es bei der Swissair keine Weisung, Corti, der das auch nicht nötig haben sollte, mit seinem akademischen Titel anzusprechen. Es gibt aber, im Unterschied zu vielen anderen Firmen, auch keine Anordnung, das nicht zu tun.)
An der kommunikativen Front eine eher unglückliche Figur machte der interimistische Chef Eric Honegger. Mit seiner ehrlichen, aber keine Akzente setzenden Art wirkte er defensiv, in eine Festung verschanzt. Cortis Start war besser. Er markierte gleich seinen Führungsanspruch und setzte mit der Ankündigung, zum Namen Swissair zurückkehren zu wollen, einen symbolischen Akt der kommunikativen Art, von dem man gerne wissen möchte, ob er wirklich bewusst war (bei Nestlé hatte Cortis Problemanalyse gerade etwa im Zusammenhang mit der eingangs erwähnten Expo den Schreibenden nicht überzeugt). Mindestens auf das Publikum der Nichtbörsenanleger strahlte die Anknüpfung an die alte Erfolgsmarke Swissair Sicherheit aus. Klug war auch die klare Ankündigung Cortis in der Samstagsrundschau von Radio DRS, wann während der nächsten Monate mit Medienauftritten zu rechnen sei und, vor allem, wann wieso nicht.
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Was in den letzten Monaten in und um Swissair, Sulzer, Vontobel und so weiter geschehen ist, könnte sich im Rückblick als im Sinne des englischen Philosophen Adam Smith heilsame Reaktion des «Marktes» auf eine zunehmende Entfremdung einiger Führungsexponenten der Schweizer Grossfirmen sowohl von der Realität wie auch von den tatsächlichen Interessen ihrer Unternehmen (zu unterscheiden von den persönlichen des Managements) und vom Arbeitsethos früherer Wirtschaftskapitäne erweisen. Wenn dabei auch der Sinn dafür wieder geschärft würde, dass Kommunikation nicht einfach eine Spielwiese zum Gardinenputzen sein kann, wäre das nur von Gutem. Kommunikation ist der nach aussen sichtbare Teil der Führung.
1 Man kann natürlich auch sagen, das Wort Kommunikation betone den Dialogcharakter der Tätigkeit. Das stimmt, ist aber doch eher ein nebensächlicher, technischer Aspekt dort, wo die Information von jemandem bewusst abgeholt wird.
2 Neckischerweise von einer Redaktion zum Thema hochstilisiert, zu der gemäss Auskunft nicht ein Inhaber eines solchen Titels gehört und die sich so dem Verdacht aussetzt, «Doktorats-Verweigerer» hätten ihren Ressentiments Luft gemacht. Ob 0 von 200 stimmt oder ob man sich beim «Blick» bei der Stellensuche vorsichtshalber nicht als Dr. XY «outet», bleibe offen.
Neue Zürcher Zeitung, Ressort Inland, 6. April 2001, Nr.81, Seite 15