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1998. Forum Wissenschaft. Kultur & Medien. Fischer-Tb. Allgemeine Reihe . (13389). Kartoniert, Graph. Darst. 312 g. 355 S. SFr. 23.00, ISBN 3-596-13389-0
Klappentext
Kommunikologie<, so nannte Vil‚m Flusser seine Theorie menschlicher Kommunikation, die im Mittelpunkt seines Werks steht. Der vorliegende Band enthält zwei grundlegende Texte Flussers zu diesem Problemgebiet: Texte, die zentrale Motive seines Denkens erschließen. Die menschliche Kommunikation ist für Flussers jener Prozeß, durch den Informationen gespeichert, verarbeitet und weitergegeben werden, aber auch stetig neue Information erzeugt wird. Die Kommunikologie beschäftigt sich dabei vor allem mit den Formen und Codes dieser Informationsvermittlung, deren Kommunikation in Computernetzen verfolgt: Mit seiner Kommunikologie hat Flusser nicht nur eine Theorie, sondern auch eine scharfsinnige Diagnose unserer Informations- und Kommunikationsgesellschaft ausgearbeitet.
"Kommunikologie" steht in Analogie zum Ausdruck Biologie für die Lehre über die Kommunikation.
Flusser bezeichnet die menschliche Kommunikation als künstlichen Vorgang, der auf der Erfindung von Werkzeugen, nämlich auf zu Codes geordneten Symbolen beruhe (Flusser 1998:9). Der Mensch ist ein Idiot (mangels der für Menschen konstitutiven Kunstfertigkeit), wenn er die Werkzeuge der Kommunikation nicht benutzen kann. (Natürliche Verhaltensweisen sind der Vogelgesang oder der Bienentanz (Geste), bei Menschen etwa Geschlechtsverkehr, also Verhaltensweisen, die nicht an Werkzeuge gebunden sind).
Kommunikation erzeugt die Kodifizierung, deren Sinn es ist, uns vergessen zu lassen, dass wir einsame Tiere sind, in für sich genommen völlig bedeutungsloser Natur in Einzelhaft zum Tode verurteilt (was ein Faktum der Naturwissenschaft ist).
Wir kommunizieren nicht, weil wir gesellige, sondern weil wir einsame Wesen sind, die es in der Einsamkeit nicht aushalten.
Man kann Kommunikation naturwissenschaftlich erklären (Informationstheorie, Informatik) oder geisteswissenschaftlich interpretieren (Kommunikologie).
Ein zweiter unnatürlicher Aspekt liegt in der negativen Entropie (Information und deren Anhäufung) Alle Naturprozesse sind entropisch (wenn man den Uebergang von der Eichel zur Eiche als Epizyklus betrachtet, in welchem die Eiche zur Asche wird, wobei Asche wahrscheinlicher ist als Eiche (Wärmetod).
Flusser ist extrem melancholisch. Interpretation versteht er als vergebliches Ankämpfen gegen den Wärmetod. In der spezifischen Natur des Menschen (gegenüber den Tieren) liegt zunächst das Ankämpfen (Bewusstsein) gegen den eigenen Tod. Das die Gattung, die ja im Erbmaterial lebt, auch ein Bewusstsein des Sterbens habe (eben den Wärmetod mit dem Verglühen der Sonne), und zwar im konkreten Menschen, darin liegt die Melancholie (und die damit verbundene politische Haltung)
Zur Wahrscheinlichkeit (Entropie): Kommunikation erhöht die Unwahrscheinlichkeit des Systems. Sie ist damit antinätürlich, weil die Natur die Wahrscheinlichkeit erhöht. Das Beispiel ist: Wenn ich mit Kreide schreibe, unterliegt der materielle Prozess (laut Flusser) der Entropie, während der "Kommunitationsprozess" an Ordnung gewinnt (253).
Das zentrale Problem der Kommunikologie ist die Konvention, weil sie die Grundlage der Kommunikation ist (253). In meiner Redeweise ist Konvention die Grundlage für Mitteilungen, nicht für Kommunkation.
Flusser sagt, kausale Erklärungen gehen an der Kommunikation vorbei, weil Kommunikation mit Absicht (negative Entropie) erfolgt (255). In meiner Redeweise gibt es nur kausale Erklärungen (Konstruktionen). Der Kommunikationsprozess ist kausal. Das menschliche Verhalten entzieht sich der Gesetze, es ist aber nicht gleichzusetzen mit Kommunikation.
Flusser sagt, da es sich bei der Kommunikation nicht um ein naturwissenschaftliches Phänomen handelt, gehe es nicht um Zufall und Notwendigkeit, sondern um Absicht. Deshalb müsse man nach dem Motiv fragen. Als Motiv gibt Flusser an: Kodifizierung als Urform des Ordnens. Wir versuchen Ordnung in das Chaos zu bringen, weil wir in der Ordnung Sinn sehen. Das ist eine Hyperkommunikation-kompatible Auffassung, wenn auch verdreht dargestellt. Es geht darum, dass der Einzelne konstruiert, Sinn und Chaos sind unerheblich. Kodifizieren ist Konstruieren. Der Einzelne tut es, indem er sich ausdrückt.