Persönliche Reflexion
– (Zusammenfassung meiner Lerntagebuchblätter, die ich während dem Seminar "Gruppenprozesse begleiten" geführt habe)
von Bernhard Hofmann
[ andere Tagebücher ]
Wann ?
von Montag 05.11. bis Freitag 09.11.2001
Wo ?
Time after Time Ranch, La Cibourg, Les Convers, Renan/BE
Wetter ?
Von bedeckt und kühl, über regnerisch und am Donnerstag Schneefall (am Freitag,
bei der Abreise liegt der Neuschnee ca. 15 cm hoch)
Stimmung ?
Gespannt, erwartend und doch nie wirklich hektisch
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Persönliche Höhepunkte der Seminarwoche ?
- Die intensive Arbeit in der Gruppe, die guten, inspirierenden Gespräche im Plenum, aber auch in den Pausen mit verschiedenen Teilnehmenden.
- Habe die Ruhe im Umfeld der Seminarwoche genossen.
- Nach 22 Jahren erstmals wieder ein kurzer, geführter Ritt auf einem Pferd (ohne Sattel).
- Die Essen, welche unter nicht sehr idealen Umständen von Nelly und Silvia zubereitet wurden (Auf diesem Weg noch einmal "Merci viu mau").
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Persönliche Tiefpunkte der Seminarwoche ?
- Die Kälte, die ich nach dem sehr warmen Oktober 2001 sehr unangenehm und unangewohnt empfunden habe.
- Das Gefühl, ganz am Ende, aufgrund des persönlichen Verhaltens "etwas Entscheidendes verpasst, nicht gepackt zu haben" - ohne (auch nach über einer Woche) genau zu wissen, um was es sich dabei handeln könnte!.
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Gewonnene Erkenntnisse bezüglich der Gruppenprozesse? (Zusammenfassungen der
Tageseinträge der ganzen Woche)
a) in Bezug auf diese Gruppe, aber auch auf Gruppen allgemein?
- Wenn Ziele nicht klar vorgegebenen, nicht rasch erkennbar sind, kann Chaos - auch kreatives - entstehen.
- Ein Gruppengefühl kann NICHT gefordert, gezüchtet werden!
- Gebotene Freiheiten in Bezug auf Anwesenheit werden, nach einer gewissen Eingewöhnungszeit, gerne angenommen und ausgelebt ("Man kann Nichts verpassen").
- Ganz grob umschrieben gibt es "Produzenten/Lieferanten" oder "Inputer" und "Konsumenten" oder "Outputer" - zu welcher Gruppe zähle ich?
b) in Bezug auf mich?
- Ich brauche eine gewisse "Anlaufzeit", muss mich zuerst an eine neue (Gruppen)-Umgebung gewöhnen können.
- Meine Bereitschaft, andere Meinungen, Verhalten zu akzeptieren nimmt zu, wenn ich die Hintergründe, die Motivation für das Verhalten kenne.
- Ich muss in Zukunft vermehrt den Mut aufbringen, auch unfertige Gedanken oder "Produkte" einzubringen - auch auf die Gefahr hin, dass das Eingebrachte nicht ankommt.
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Warum haben mich welche Sequenzen weitergebracht?
- Verschiedene Aussagen, die Rolf im Verlauf der Woche gemacht hat, die ich aufgeschrieben habe und die für mich erst nachträglich beim Durchlesen, beim Aufsetzen dieser persönlichen Reflexion einen Sinn ergeben haben (Bespiele dazu am Ende).
- Mir ist bewusst geworden, dass ich am besten lerne, ich einen Text, einen Abschnitt lese und idealerweise später noch eine kompetente weitergehende Erklärung dazu bekomme (Beispiel: TZI-Dreieck).
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Was ich umsetzen will - woran ich arbeiten will:
- Feedback ist nur dann ein Feedback, wenn es "etwas" nützt, dh den Feedbacknehmer weiterbringt
- Alltägliche Dinge, wie zB atmen, hören, sprechen aber auch zuhören wieder bewusster tun
- Wieder mehr auf mein Gefühl hören, tun was der "Bauch sagt"
- Die Anzahl der Möglichkeiten vergrössern, zB um bei der Entscheidfindung freier zu sein
- Definitionen: "Effizienz" = immer geradeaus, auch wenn’s am Ziel vorbeigeht
"Effektiv" = Zielgerichtet, uU auf Umwegen
- "Sportwielereien" haben ihren Reiz, warum nicht wieder häufiger damit spielen?
- "Theorien" als Spiegel meiner eigenen Vorstellungen nutzen
- Mehr Dinge tun, die "Spuren hinterlassen", die "Zeichen setzen"
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Fragen, die für mich noch unbeantwortet sind:
- Ist der Vorschlag des Referenten ein Thema in den Themenspeicher einzutragen wirklich "Schumelei" oder nicht? Wann "Ja" und wann "Nein"?
- Was ist Theorie genau und was nützt sie mir wirklich im Alltag?
- Was macht eine gute Zusammenarbeit aus, was braucht es dazu? Ist die Funktion oder die Rolle wichtiger?
Gesamtfazit der Seminarwoche
Die Zeit, andere Gruppenmitglieder und mich selbst besser kennenzulernen war sehr wertvoll, hat mich persönlich weitergegebracht.
Die Umgebung, der Seminarort - ungewöhnlich und ohne Luxus - gute Voraussetzungen für einen "freien Kopf" geschaffen.
Das Verhalten der Pferde in der Gruppe hat - aus meiner Sicht - für unser Seminarthema "Gruppenprozess begleiten" wenig gebracht, war aber trotzdem interessant.
Die unterschiedlichen Haltungen, die Einstellungen der Gruppenmitglieder sind für mich in dieser Seminarwoche deutlicher, klarer und erkennbarer geworden.
Zu Rolfs Gedanken und Ideen, am Anfang ziemlich "strange", habe ich von Tag zu Tag besser Zugang gefunden.
Es kommt auf mich selbst an, was ich aus dem mache, was ich während dieser Woche gelernt habe (der erwachsene Mensch lernt nur was er will).
Ich würde das Experiment auf jeden Fall und jederzeit wiederholen, wenn ich Gelegenheit dazu hätte!
Vielen Dank den Organisatoren, dir Sabine und Rolf, sowie Jean-Pierre und Michele mit Team
von der Time after Time-Ranch.
 
Lieber Bernhard
ich lese in Deinem Bericht unmittelbar nacheinander die Sätze: "Tiefpunkt:
Das Gefühl, ganz am Ende, aufgrund des persönlichen Verhaltens "etwas Entscheidendes verpasst, nicht gepackt zu haben" und "Gebotene Freiheiten in Bezug auf Anwesenheit werden .. gerne angenommen und ausgelebt ("Man kann Nichts verpassen"). Da Du auch die Redeweise "Kopf und Bauch" ins Spiel bringst, interessiert mich, welcher der beiden Sätze vom Kopf und welcher vom Bauch stammt.
Dann schreibst Du: "Mir ist bewusst geworden, dass ich am besten lerne, wenn ich einen Text, einen Abschnitt lese und idealerweise später noch eine kompetente weitergehende Erklärung dazu bekomme (Beispiel: TZI-Dreieck)". Wie wirst Du das in den Kursen, die Du gibst, umsetzen?
Dann hast Du Fragen (von denen ich glaube, dass Du sie im Seminar nicht deutlich genug gestellt hast, weil ich sie nicht gehört habe !):
- Ist der Vorschlag des Referenten ein Thema in den Themenspeicher einzutragen wirklich "Schumelei" oder nicht? Wann "Ja" und wann "Nein"?
Das weiss der Referent jeweils ganz genau. Und die andern müssen es nicht wissen.
- "Was ist Theorie genau und was nützt sie mir wirklich im Alltag?"
Ueber diese Frage staune ich sehr, weil genau das habe ich sehr ausführlich in einem mustergültigen Unterricht vorgetragen. Jetzt, nachdem auch Esther etwas abschätzig über meine Musterlektion gesprochen hat, fange ich an zu glauben, sie sei ein Muster ohne Wert.
herzliche Grüsse
Rolf
 
Guten-Freitag-Nachmittag Rolf
Besten Dank für deine Antwort(en) und deine Fragen, die ich dir hiermit versuche zu beantworten.
Deine Frage den Bauch oder Kopf betreffend, kann ich dir wie folgt beantworten: Erste Aussage = Bauch, zweite Aussage = Kopf.
Ich weiss nicht, wie ich bei Seminaren am besten umsetze, wie ich am besten lerne, zumal im Moment nicht
klar ist, WIE, WANN und WO ich dies in Kursen umsetzen kann.
Apropos Seminar... Das in der Fallanalyse beschriebene Seminar ist vorbei und sehr gut gelaufen, obwohl das
Wissens- und Erfahrensgefälle gross war und manchmal zu kippen drohte. Aber es war extrem interessant und manchmal
sogar "so richtig chribelig"!!
Deine Musterlektion ist und war "mustergültig" - no fear - was ich eigentlich sagen wollte, war, dass ich mir selbst
- und nur für mich - die Frage gestellt habe, "Was Theorie genau ist und was sie mir im Alltag wirklich nützt"
Auch 3 Wochen nach Ende des Seminars nehme ich die in dieser Woche erstellten Unterlagen regelmässig wieder hervor und versuche für jede Woche mind. 1 Ziel genauer anzuvisieren und umzusetzen. Ich bleibe damit... es war für mich eine sehr gute, lehrreiche Woche und ich danke dir auch dafür, dass du für mich so ganz fassbar bist, wie ich es mir sonst von Menschen gewohnt bin.
Liebe Grüsse und ein gutes Wochenende
Bernhard