Fallanalyse Gruppenprozesse
Einleitung
Die folgende Szenerie ereignete sich im Rahmen der Seminarwoche Gruppenprozesse begleiten in Renans. Ich nehme die Szene nun als Beispiel, und übertrage es im fiktivem Sinne auf meinen Unterricht. Das heisst, ich erläutere später, was ich in meinem Unterricht in diesem Falle, unternehmen würde.
Gruppe und Thema
Die Gruppe formierte sich aus 6 Teilnehmern. Das Thema der Gruppe war die Erarbeitung einer Grafisch dargestellten Wortspielerei.
Der erste Schritt der Arbeit war die Durchführung eines Brainstormings. Die Gruppe definierte im Vorfeld die Spielregeln, welche in diesem Brainstorming galten.
Situation
Die Gruppe begann sehr schnell produktiv zu arbeiten. Ein Wort ergab das andere.
Das Brainstorming war im Gange.
5 der 6 TN arbeiteten aktiv mit. 1 TN schaute gelangweilt und kommentarlos zu.
Einer der 5 anderen TN bemerkte die psychische Abwesenheit des einen und intervenierte resp. fragte den TN was mit ihm los sei, ob es ihm hier nicht gefalle.
Die Reaktion des TN war eindeutig. Ja, ich interessiere mich nicht für diese Arbeit, und ich bin froh für diese Gelegenheit um zu sagen, dass es mir hier nichts bringt. Ich gehe.
Die Gruppe arbeitete weiter. Trotzdem kam der "Arbeitsflow" ins stocken.
Auswertung und Reaktion
Während der Gruppenarbeit bemerkte ich die Abwesenheit des einen TN schon seit einiger Zeit. Ich überlegte mir, was wohl in der entsprechenden Person vor sich ging, fand aber eine Intervention meinerseits zu verfrüht.
Meine Fragen in bezug auf meinen Unterricht:
Vermutlich hat der TN, obwohl er die anderen TN bereits sehr gut kannte, trotzdem eine erste Phase des Gruppenprozesses erlebt. Orientierung im Thema, sehen was kommt, Zurückhaltung, sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
Nach der ersten Orientierungsphase kam für den TN vermutlich die Erkenntnis, nicht die richtige Wahl in bezug auf Gruppe und Thema getroffen zu haben.
Dies äusserte sich in seiner offensichtlichen Teilnahmslosigkeit.
Nebst der offensichtlichen Körperhaltung wie gelangweiltes Umschauen, physisch "kleiner" werden, durch versinken im Stuhl, abstützen des Kopfes, zum Fenster hinausschauen, oder sogar durch Ablenken der anderen TN kann ich mir keine genaueren Antworten geben.
Die unbewussten Sinne und Wahrnehmungen spielen hier eine Zentrale Rolle. Ich probiere schon bei der persönlichen Begrüssung der einzelnen TN einen Blick in die Seele zu erhalten, indem ich ihnen in die Augen schaue. In vielen Fällen erkenne ich schon hier, ob ein Feuer da ist, und ob sich der TN innerlich bereiterklärt hat mit mir auf die (Lern-) Reise zu gehen oder nicht.
Festgestellt habe ich, dass ich während des Unterrichtes latent die (Gruppen-)Temperatur fühle.
Ich spreche den TN an. Persönlich und nicht im Plenum.
Sicherlich frage ich ihn, was das Motiv seiner "Abwesenheit" ist, und das ich bemerkt habe, dass er nicht unbedingt interessiert ist.
Ich weise ihn auch darauf hin, dass ich mich in ihm täuschen kann und das vielleicht seine Art ist, wie er ist und er sich hier gibt. Ich versuche eine konstruktive und offene Kommunikationsplattform zu bieten, bei der jeder Transparent sein kann wenn er will, ohne das Gefühl zu haben, er werde ausgehorcht.
Ich versuche auch, an die Beweggründe anzuknüpfen, warum er diesen Kurs ausgewählt hat und besucht.
Musste er kommen? Geschäftlich? Arbeitlosenprogramm, also äussere Zwänge? Wenn nein, was ist das Motiv warum er hier ist?
Den Zeitpunkt wähle ich situativ. Ich suche das persönliche Gespräch entweder wenn jeder TN für sich beschäftigt ist, oder während der Pause.
Nach Abklärung der Situation würde ich den TN einladen, dass wir gemeinsam seine Ziele
In diesem Kurs ausfindig machen.
Ich würde ihn ermuntern, dass er sich das nehmen kann, was er will und brauchen kann.
Selbstverständlich kann er den Kurs und somit auch die Gruppe verlassen wenn er das möchte.
Aufgrund des Entscheides aus der vorhergehenden Besprechung mit dem TN und dem Einverständnis des TN werde ich die Gruppe entsprechend Informieren, um den Konflikt, resp. die Situation der Gruppe transparent zu machen. Eventuelle offene Fragen die sich in diesem Zusammenhang in der Gruppe gebildet haben, probiere ich so offenzulegen.
Hypothesen
Sollte dem TN nicht genügend Zeit zur Verfügung stehen in der Gruppe anzukommen, oder
durch zu verfrühter Intervention von Seiten des Kursleiters in seinem Integrationsprozess unterbrochen werden, besteht aus meiner Sicht die Gefahr, die bereits gesponnene Fäden des TN zu der Gruppe wieder zu zerstören. Dies könnte das Zusammenwachsen der Gruppe verhindern.
Das Resultat könnte einen "verfranzte" Gruppe sein, die nicht die Gelegenheit hatte, sich als Gruppe zu fühlen und als solche zu agieren. Oder der TN wird sich immer als Aussenseiter vorkommen.
Meiner Meinung nach ist das eine der wichtigsten Phasen, der ich gerne mehr Zeit gebe zu entstehen. Zu frühe Intervention empfinde ich als destruktiv.
Sollte ein Kursleiter offensichtliches Desinteresse eines TN ignorieren, könnte man ihn aus Sicht der Gruppe, als nicht Kompetent genug halten Kurse durchzuführen.
Das Desinteresse des TN könnte auch von den anderen TN festgestellt werden und zu Unmut und einer schlechten Stimmung im ganzen (Gruppen-) Umfeld führen. Gewisse Sensibilität von Seiten des Kursleiters empfinde ich als unabdingbar
Würde die Kursleitung nicht auf offensichtliche Teilnahmslosigkeit eines TN angemessen reagieren, könnte dies einen Konflikt in der Gruppe auslösen. Eine offensichtliche Störung würde hier übergangen und zu einem späteren Zeitpunkt erneut und vielleicht sogar in einer anderen Form zum Vorschein kommen.
Würde der TN vor der Gruppe auf die Störung angesprochen, könnte sich dieser unter Umständen angegriffen fühlen. Eine solche Reaktion von
Seiten der Kursleitung spricht meiner Meinung nach nicht gerade für diese.
Der Kursleiter könnte unter Verdacht geraten, die Gruppe als Druckmittel gegenüber dem einen TN zu benutzen. Der Kursleiter versteckt sich hinter der Gruppe. Der Teilnehmer fühlt sich vielleicht dadurch noch mehr als Aussenseiter, da dieses ja gerade durch das Verhalten der Kursleitung manifestiert wurde. Eine Integration in die Gruppe und somit ein Erfolgserlebnis für den TN würde hier zum vornherein vollends scheitern.