ADA 2: Gruppenprozesse begleiten, 5. – 9.11.2001

Modulauswertung von Thomas Kirsch

Für mich war das eine spannende und abwechslungsreiche Woche. Viele Kontakte, Gespräche (tiefgehende und oberflächliche). Manchmal war ich offen für Neues, manchmal musste ich "zumachen", weil das Neue drohte, zuviel zu werden. Einmal mehr erlebte ich auf verschiedenen Ebenen meine Grenzen.

Mit welchen Erwartungen kam ich in diese Woche? Ich sagte in diesem Zusammenhang einmal etwas von "Horizonterweiterung". Diesbezüglich bin ich voll auf die Rechnung gekommen. Nur schon durch die Gespräche zwischendurch; nur schon wenn ich etwas mitbekam von Lebensstil und Denkart von anderen Kursteilnehmern und –Teilnehmerinnen. Oft fehlt im Alltag die Kraft, mich wirklich mit andern "Weltanschauungen" auseinanderzusetzen. Ich denke aber neu, dass es sich trotzdem lohnt, weil ich dadurch nur lernen kann – und sei es auch nur, dass ich nachher weiss, dass mir gerade diese Denkart oder jener Lebensstil eben gerade nicht passt. Horizonterweiterung aber natürlich auch durch die Art wie die Woche, aus meiner Sicht vor allem von Rolf, geprägt war.

Die Art der Gesprächsführung (eine Aussage "in die Mitte legen") war mir anfänglich fremd. Erst nach und nach merkte ich, dass es gerade das war, das ich schon lange suchte. Ja, dass ich es, ohne es so zu formulieren, wohl selber schon oft angewandt hatte! Bleibt nur die Frage, wie mein Gegenüber damit umgeht, wenn es diese "Technik" nicht kennt. Das bleibt noch auszutesten.

Zusammenfassend folgendes: Bei mir hat sich die Bereitschaft im Unterricht zu experimentieren stark erhöht, und zwar von der Sitzordnung bis zur spontanen Programmumstellung. Ich fühle mich sicherer im Unterricht, gerade auch in schwierigen Situationen, z.B. wenn ein TN mich verbal angreift und eigentlich die Institution meint. Früher war es mir ein wichtiges Anliegen, möglichst alle TN zur Mitarbeit zu motivieren. Heute arbeite ich mit denen, die lernen wollen – weil ich davon ausgehe, dass die, die es nicht wollen, auch nicht wirklich lernen. Diese Einstellung verhilft mir zu einem viel lockeren Umgang mit der Klasse. Ob vielleicht gerade das ein "Rezept" ist, eben gerade auch die "Nicht-Wollenden" zur Mitarbeit zu überzeugen...?

 

Der Prozess geht also weiter. Viele Fragen sind geblieben, neue sind dazugekommen. Das ist das Spannende an der Sache!

 

Olten, 1.1.02 Thomas Kirsch


Lieber Thomas

ich lese zwei Fragen:
- Wie geht mein Gegenüber damit um, wenn es die "Technik" nicht kennt.
Ich sehe das "in die Mitte geben", also den Dialog nicht als Technik, sondern als Haltung. Du selbst sagst, dass Du es schon angewandt hast, bevor Du nun eine Formulierung dazu kennengelenrt hast. Was das Gegenüber tut, haben wir alle eine Woche lang untersucht. Für viele war der Dialog eine vielleicht unbekannte oder vielleicht - wie bei Dir - eine unbewusste Sache. Und wie sind wir damit umgegangen?
Einige aeusserten die Vermutung, dass wir besser vorwärts gekommen wären, wenn ich zuerst alles erklärt hätte. Dann hätten meine Gegenüber die "Technik" gekannt. Allerdings hätten sie dann wirklich eine "Technik" gekannt, statt einer Haltung.
Wir wissen nicht, was gewesen wäre, wir wissen nur, was war.

- die zweite Frage ist, ob es eventuell ein Rezept sei, wenn man mit den Wollenden arbeite, um die Nicht-Wollenden zur Mitarbeit zu Ueberzeugen. Das finde ich eine sehr spannende Frage, ich selbst spreche dabei lieber von paradoxer Intervention (ist halt ein Fremd-, resp. ein Kunstwort) als von Rezept, weil Rezepte ja immer und immer gleich funktionieren.
Mir scheint, auch dazu haben wir im Laufe der Woche einige Beobachtungen machen können.


herzliche Grüsse
Rolf