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von Glasersfeld, Ernst Die Unterscheidung des Beobachters: Ein Versuch, Maturana zu interpretieren. In: V. Riegas & C. Vetter (eds.) Zur Biologie der Kognition. Frankfurt, Deutschland: Suhrkamp, 281-295, 1990. (http://vonglasersfeld.com/125.2)

Volltext

Alle sprachliche Tätigkeit (oder Sprecherei, wie ich das eingangs nannte) findet laut Maturana “in der Praxis des Lebens statt: wir menschliche Wesen finden uns als lebende Systeme in Sprache getaucht.”[5] Sprechen heisst bei Maturana aber nicht Neuigkeiten oder irgendwelche “Information” übermitteln, sondern bezieht sich auf ein durch gegenseitige Anpassung abgestimmtes koordiniertes Handeln. Ohne eine derartige Koordination des Handelns gäbe es keine Möglichkeit des Beschreibens und somit keine Möglichkeit, sich der Unterscheidungen, die man als Handelnder macht, bewusst zu werden. Sich der Unterscheidungen bewusst werden, heisst beobachten. Sich selbst als Unterscheidender beobachten, ist darum nicht mehr und nicht weniger als sich seiner selbst bewusst werden. Maturana hat das jüngst sehr genau beschrieben:

Wenn wir, wie es die moderne Physik tut, die Prämisse annehmen, dass das, was wir unterscheiden, von unserem Handeln abhängt, dann operieren wir aufgrund der impliziten Voraussetzung, dass wir als Beobachter mit Rationalität begabt sind and dass dies nicht erklärt werden braucht oder kann. Denken wir jedoch reflektiv über unser Erleben als Beobachter, so entdecken wir, dass alles, was wir als Beobachter tun, uns einfach widerfährt. Anders ausgedrückt, wir entdecken, dass unser Erleben (als Beobachter) darin besteht, dass wir uns als Beobachtende, Sprechende und Handelnde vorfinden und dass alle Erklärungen und Beschreibungen unseres Tuns erst auf das Erlebnis folgen, das darin besteht, dass wir uns selbst in den von uns ausgeübten Handlungen finden.