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Ein Hypertext ist ein Konglomerat von spezifisch verbundenen Text-Teilen, die sich der Leser als Schriftumsteller zu einem dissipativ-sequentiellen Text zusammenfügt. Als Hyperbuch bezeichne ich die Konservierung (konservative Struktur) eines solchen Textes, also die Festlegung einer Reihenfolge der Hypertextelemente im Sinne von Buchseiten, durch die man vorwärts und rückwärts blättern kann. (Im Hyperbuch kann der Leser wie im eigentlichen Buch von der Ordnung der fortlaufenden Seiten abweichen: da durch Anklicken eines Links, dort durch beliebiges Aufschlagen (beispielsweise der letzten Seite eines Krimis).
Das Verlinken eines Hyperbuches ist zunächst eine beliebige Sache, so wie ein Hyperleser eben beliebig liest. Dann kann man aber auch eine Logik erfinden. Ich experimentiere hier mit solchen Logiken, die ich in der Einführung zur Hyperbibliothek beschreibe.
Natürlich gibt es den sich aufzwingenden Fall, der in der Hypertextliteratur ausführlich diskutiert wird: Man nimmt einen Text, zerschneidet ihn, und verlinkt die Teile in ihrer ursprünglichen Reihenfolge. Nach diesem Muster werden sehr viel Hypermedia-Werke gestaltet, die einfach hyper-modern sein wollen. Die begleitende Forschungsfrage lautet, wie man aus einem Text einen Hypertext macht. Hier interessiert das Gegenteil: Wie wird aus einem Hypertext ein Text gemacht, als das, was jeder Hyperleser zwangsläufig macht (nicht das, was Verlage machen, um modern zu sein).
Zur Zeit experimentiere ich mit zwei Formen:
Stack nenne ich ein formales Verfahren, in welchem immer der erste Link auf der Seite als nächste "vorwärts-Seite" verwendet wird. Wenn dabei eine bereits besuchte Seite gewählt würde, wird der zweite Link der Seite verwendet. Wenn alle Links der Seite bereits besuchte Seiten referenzieren, werden die Links der vorangehenden Seite abgearbeitet.
Dieses rekursive Verfahren wird in der Programmierung verwendet. Es ist effektiv bezüglich der Vollständigkeit und für viele Probleme effizient. In einem Hyperbuch ergibt sich damit fast sicher eine Reihenfolge, die man intuitiv, respektive aufgrund der Inhalte nicht wählen würde. Nun kann man seine Intuition verwerfen und sich von einer neuen Logik führen lassen - oder man kann die einzelnen Hypertextteile so umformulieren, dass das Verfahren zu eine "intuitiven" Reihenfolge führt. Letztere lässt sich mit klassischer Lyrik vergleichen, bei welcher man das Gesagte in einem Versmass formulieren muss.
Eine alternative Ordnung ergibt sich durch ein Drama, in welchem die Figuren den Gegenstand erörtern. Galilei hat dieses Verfahren - das als sokratischer Dialog bezeichnet wird - bei seinen Diskursen angewendet. Durch das Einführen von Erzählfiguren vermittelt der Schreibende mehrere Perspektiven und Hintergründe. Natürlich ist das Drama eine bewusst gewählte Reihenfolge, aber (vielleicht) eine andere, als ein Sachbuchautor sie wählen würde.
"Natürlich" vergleiche ich die Resultate der Experimente intuitiv mit Resultaten aus einem "natürlichen" Vorgehen. Die Anordnungen im Stack sind zwar steuerbar, aber die Logik der Steuerung verliert sich nach wenigen Schritten, das heisst, ich falle in eine intutive oder "natürliche" Reihenfolge oder kann meiner eigenen "Stack-Logik" nicht folgen.
Beim Drama spielen ähnlich Effekte. Die Figuren spielen ein Beziehungsdrama, dessen Logik von der Reihenfolge der Argumente entkoppelt ist.
Zum bewussteren Vergleich schreibe ich auch eine "natürliche" Reihenfolge, die sich am konventionellen Text orientiert.