Zur Konstruktion eines Dialoges
Kommentar:
Es gibt eine Menge von e-mails, aus welchen ich - im Rahmen meiner Forschung im KnowPort-Projekt - einen fiktiven Dialog konstruiere. Die e-mails entstammen einem Kontext, sie haben eine Vorgeschichte aus vielen Gesprächen und früheren e-mails. In den e-mails wird - wie üblich mit Klammern gekennzeichnet, was von den vorhergehenden Mails zitiert wird.
Lieber Ernst,
gestern habe ich den Text über "Wissen zweckmässiger verstehen" etwas umgestellt, mit Literaturangaben ergänzt und als Entwurf für einen Artikel vorbereitet.
In der englischen Übersetzung möchte ich es auch (leicht angepasst) an das Workshop über 'Experience Management' in Berlin einreichen.
Herzlich,
Marco.
Lieber Ernst, lieber Rolf, lieber Robert,
es sind nur wenige E-Mails hin- und hergegangen aber ich habe meine Orientierung bereits verloren (diese Schwäche ist wahrscheinlich der Grund, weshalb ich die Idee lancierte eine Software wie MailTack für das individuelle Wissensmanagement zu entwickeln).
MailTack ist aber auf meinem Arbeits-Computer wegen Probleme mit der zugekauften Grafik-Software nicht lauffähig.
Könnt ihr mir also anstelle von MailTack helfen, mich wieder zu orientieren ?
Hier wo ich stehe:
1. Am 30. Oktober bedankte ich mich bei Ernst für die Kopie eines Briefes von Walter Freeman an ihn. Dabei legte ich meinerseits eine Kopie eines Briefes von Freeman und eines Briefes von Ernst an mich aus dem jahre 1985.
2. Der Brief von Ernst an mich ist datiert 24. Mai 1985 und ist auf italienisch
=> zu finden via http://www.fhbb.ch/weknow/marco/work_1980_1986.html
3. Darin kommentiert Ernst ein 'Report #1' das ich ihm im selben Monat zugestellt hatte (das war das erste Mal, dass wir in Kontakt kamen). In diesem Brief gibt es auch jene Stelle (die ich unterstrichen hatte) über die "the selection of signals":
Original EvG:
[...Uno dei più grandi problemi mi sembra quello della selezione fra i segnali che sorgono dai recettori ...e allora sorge la questione: chi sceglie, e come? ...]
Übersetzung MCB:
//... einer der grössten Probleme scheint mir jenes der Auswahl aus den Signalen die in den Rezeptoren entstehen ... dann stellt sich die Frage: wer wählt, und wie? ...//
4. Am 2. November bedankte sich Ernst bei mir für die Zustellung jener alten Briefen und machte die Bemerkung über "the selection of signals" sowie über die Lösung des Problems dank "assimilation and accomodation".
5. Daraufhin stellte Rolf am selben Tag Fragen zu "the selection of signals" sowie zu "assimilation and accomodation" und Ernst antwortete postwendend ebenfalls am 2. November.
6. Am 5. November präzisierte Rolf seine Fragen und rief mich auf den Plan mit der Bemerkung:
> Am besten wird Marco etwas dazu sagen können, weil er ja
> auch ein richtiger Erfinder seiner ingeniösen Maschinen ist.
Ich würde gerne etwas 'dazu' sagen, aber Rolf müsste mir helfen und kurz umschreiben worauf sich dieses 'dazu' bezieht.
7. Am 6. November schrieb Ernst über den Unterschied 'Assimilation im Bereich der Wahrnehmung' und 'Interpretation von Sprache' und gab auch den Hinweis auf seinen Artikel über den "learning paradox" in dem die früher erwähnte Lösung des Problems der "selection of signals" dank "assimilation and accomodation" entwickelt wird.
Wie geht es weiter? Diskutieren wir jetzt den Artikel von Ernst als Fortsetzung der Diskussion oder gibt es andere dringendere offene Punkte ?
Herzliche Grüsse,
Marco.
Lieber Ernst,
gestern habe ich den Text über "Wissen zweckmässiger verstehen" etwas umgestellt, mit Literaturangaben ergänzt und als Entwurf für einen Artikel vorbereitet.
In der englischen Übersetzung möchte ich es auch (leicht angepasst) an das Workshop über 'Experience Management' in Berlin einreichen.
Herzlich,
Marco.
Lieber Ernst,
> In Deinem Lexikon kannst Du mich zitieren wann immer Du willst.
besten Dank, das war aber nicht der Punkt. Wenn ich aus Deinen Büchern
zitiere, muss ich die prägnante Formulierung suchen und / oder selbst
zusammenfassen. Wenn Du aber solch kurze, klare Texte schreibst,
kann ich sie einfach ins Lexikon kopieren.
> Mit meinem
> Lexikon bin ich nicht weitergekommen in den letzten Monaten, weil ich
zuviel
> andere Sachen zu machen hatte. Weiss Gott ob und wann etwas daraus wird?
Gott und wir warten geduldig
> Assimilation im Bereich der Wahrnehmung - also im Bezug auf die Auswahl
von
> Signalen im Sensorium - ist fuer mich nicht das gleiche wie Interpretation
> von Sprache. Ich "verstehe" was einer sagt oder schreibt, wenn es mir
> gelingt, aus seinen Woertern einen Sinn zu konstruioeren, der mir
kohaerent
> erscheint, und das heisst keineswegs, dass dieser Sinn mit meinem Weltbild
> und meinen Absichten uebereistimmen muss. In der Wahrnehmung hingegen,
> assimiliere ich auf Grund meines Weltbilds, meiner Absichten und meiner
> Handlungsweisen.
Da habe ich auch etwas anderes gemeint: Ich meinte den Unterschied
zwischen der Wahrnehmung einer autopoietischen Maschine und einer
eigentlichen Maschine, wie sie der Konstrukteur Marco herstellt
Als autopoietische Maschine kann ich die Signale im Sensorium "verarbeiten",
indem ich sie assimilierend selektiere. Aber eine Computer-Kamera-Maschine
macht das bislang noch nicht. Daraus folgere ich, dass wir konstruktiv
noch nicht verstanden haben, was wir tun.
Wenn wir die Maschine bauen können, haben wir die Operationen festgelegt
oder festgestellt. Dann könnten wir sagen, dass wir als autopoietische
Maschinen
dieselben Operationen "mental" vollziehen.
Ich will nicht keine "mentalen Operationen", sondern solche, die ich auch
nicht mental
in einer eigentlichen Mschine machen kann.
Mit dem, was Du geschrieben hast, bin ich völlig einverstanden, das heisst,
ich kann
es kohärent assimilieren.
> Meinen Artikel ueber den "learning paradox" kannst Du von der Website
unseres
> Instituts abladen (download); Adresse:
Besten Dank, ich werde den Artikel nächst Woche anschauen, jetzt bin ich
gerade ausser Haus und kann nicht lange ans Netz.
Herzliche Gruesse,
Rolf
Lieber Rolf,
Ich dachte die Formulierungen in einer meiner letzten E-mail Nachrichten in
Punkto Assimilation und Akkommodation haetten Dir gefallen und meinte nur,
dass Du sie ohne weiteres in Dein Lexikon uebernehmen kannst.
Du schreibst:
<< Als autopoietische Maschine kann ich die Signale im Sensorium
"verarbeiten",
indem ich sie assimilierend selektiere. Aber eine Computer-Kamera-Maschine
macht das bislang noch nicht. Daraus folgere ich, dass wir konstruktiv
noch nicht verstanden haben, was wir tun. >>
Von meinem Gesichtspunkt aus wird eine "Computer-Kanera-Maschine" diese Art
der "Verarbeitung" erst dann zu machen anfangen, wenn sie ihre eigenen
Absichten generieren kann. Der Homeostat arbeitet zielstrebig nur insofern
jemand ihm eine Zieltemperatur gesetzt hat. Ebenso die zielstrebige Rakete -
sie funktioniert nur insofern man ihr vorgeschrieben hat, welches Muster in
ihrem Sensorium das Ziel darstellt.
Bei autopoietischen "Maschinen" wie Du und ich ist die Schwierigkeit, dass
wir unsere Ziele selber waehlen und selber (oft nur sehr ungenuegend)
charakterisieren. Deswegen leiden wir auch mitunter an Zweifeln, Depression
und Unzufriedenheit - alles Anwandlungen, die eine "Computer-Kanera-Maschine"
nicht kennt.
In meiner Welt gibt es eben eine ganze Reihe von Operationen, die ich
"mental" ausfuehren kann ohne die geringste Vorstellung zu haben, wie sie in
einer Maschine nicht-mental reproduziert werden koennten. Wenn ich glaube,
Fieber zu haben, nehme ich einen Thermometer und stecke ihn irgendwo in mich
hinein. Der Thermometer hat keine Ahnung, ob ich Fieber habe oder nicht.
Selbst wenn ich ihn so "verbessere", dass ein rotes Licht blinkt wenn das
Quecksilber ueber den 37-Grad Strich steigt und eine elektronische Stimme
sagt: "Sie haben Fieber!", hat der Thermometer keine Ahnung was das bedeuted.
Ich weiss nicht, was fuer Maschinen Marco konstruiert, aber ich nehme an, er
erfindet "Verbesserungen" im Symbolisieren von "Wissen", so dass die
Symbolwirtschaft zugaenglicher wird. Ich glaube nicht, dass er hofft, seinen
Konstrukten das Wissen beizubringen..
Auf Wiedersehen naechsten Mai in Basel!
Ernst
Lieber Ernst, lieber Marco, lieber Robert,
vor ein paar Tagen hat Marco nach Ordnung in unseren Mails
gefragt und selbst umfassende Ordnung geliefert (so erlebe
ich Marco fast immer).
Unter anderem schrieb Marco:
> 6. Am 5. November präzisierte Rolf seine Fragen und rief mich auf den
> Plan mit der Bemerkung:
> Am besten wird Marco etwas dazu sagen können, weil er ja
> auch ein richtiger Erfinder seiner ingeniösen Maschinen ist.
> Ich würde gerne etwas 'dazu' sagen, aber Rolf müsste mir helfen und
> kurz umschreiben worauf sich dieses 'dazu' bezieht.
Mir geht es um den Unterschied zwischen Maschinen und autopoietischen
Maschinen. In meinem Verständnis beschreibt der Radikale Konstruktivismus
von Ernst autopoietische Maschinen, die mentale Operationen machen.
Das ingenieuse Forschungsprogramm "Künstliche Intelligenz" beschreibt
eigentliche, hergestellte Maschinen, die eigentliche Operationen ausführen.
Die beiden Arten von Maschinen und Operationen kann man auf sehr
verschiedene Weisen aufeinander beziehen. Mir kommt es so vor, dass
wir alle uns darin unterscheiden, wie wir diese Beziehung betrachten.
Am Beispiel "the selection of signals" ist mir wieder aufgeschienen, dass
Marco ein Problem bei den hergestellten Maschinen meint, während Ernst
die Problemlösung für autopoietische Maschinen gibt.
Je nachdem, wie man die Beziehung sieht, ist das mehr oder weniger sinnvoll.
Umgekehrt zeigt sich darin auch, wie wir die Beziehungen sehen.
PS: Das ist die Ordnung in meinem Kopf, die nichts von den alten Briefen
Eurer langen Zusammenarbeit wusste. Ich bin sehr glücklich darüber, dass
ich Teile davon erfahren darf
Herzliche Grüsse
Rolf
Lieber Ernst
> Ich dachte die Formulierungen in einer meiner letzten E-mail Nachrichten
> in Punkto Assimilation und Akkommodation haetten Dir gefallen und
> meinte nur, > dass Du sie ohne weiteres in Dein Lexikon uebernehmen
> kannst.
Deine Formulierungen haben mir in der Tat gefallen. "Mein" Lexikon -
ich meine damit meine Verständnis davon, was ein Hyperlexikon ist - ist
dynamisch und kollektiv, so dass die Einträge nicht von einem Autor
stammen, weil jeder immer alles verändern kann, darf, soll.
In diesem Sinn ist es eben schwierig, Formulierungen, die mir gefallen, ins
Lexikon zu stellen, weil das immer eine Freigabe der Autorenschaft
impliziert.
> In meiner Welt gibt es eben eine ganze Reihe von Operationen, die ich
> "mental" ausfuehren kann ohne die geringste Vorstellung zu haben, wie sie
> in einer Maschine nicht-mental reproduziert werden koennten.
So, jetzt fühle ich mich von Dir gut verstanden. Genauso meine ich es, wenn
ich sage, dass ich "mentale Operationen" nicht verstehe. Mit verstehen
meine ich eben genau, ich kann eine entsprechende Maschine bauen.
> Ich weiss nicht, was fuer Maschinen Marco konstruiert, aber ich nehme an,
> er erfindet "Verbesserungen" im Symbolisieren von "Wissen", so dass die
> Symbolwirtschaft zugaenglicher wird. Ich glaube nicht, dass er hofft,
> seinen Konstrukten das Wissen beizubringen..
genau an diesem Punkt habe ich gemeint, sollte Marco etwas dazu sagen ..
Auf Wiedersehen naechsten Mai in Basel!
Rolf
Liebe Alle
in meinem Wortgebrauch sind Abbildungen Artefakte und deshalb
Konstruktionen. Das stille Wissen ist irgendwie eine "mentale Konstruktion",
die ich mir genau über die Abbildung erst als Konstruktion vorstellen kann.
Deshalb passt (to fit) das Schema von Marco nicht zu mir. Ich kann es so
nicht assimilieren. Und für eine Akkomodation habe ich noch zu wenig Information.
Herzlich
Rolf
Lieber Rolf,
Vielen Dank für Deine Bemerkungen, die mir helfen, meine Gedanken besser zu ordnen.
Das von Dir erwähnte Schema "Zustände des Wissens" ist am abend vor dem Vortrag entstanden: ich hatte keine Zeit auch den Text entsprechend anzupassen. Für Deine misslungene Assimilation oder Akkomodation ist also wahrscheinlich auch dieser 'mismatch' zwischen Bild und Text verantwortlich.
Beim Thema "Zustände des Wissens" sage ich im Vortrag, dass die Unterscheidung "still/explizit" wichtig sei weil wir:
- bei der täglichen Arbeit (unbemerkt) ständig Transformationsprozesse vom stillen zum expliziten Wissen (abbilden) und umgekehrt (konstruieren, interpretieren) ablaufen lassen.
Als ich den Vortrag am Tag vor dem Anlass probte kam mir das Gefühl, der Hinweis auf die Prozesse sei sehr wichtig und müsste auch grafisch veranschaulicht werden, um die Aufmerksamkeit der Zuhörer vermehrt darauf zu lenken. Das Schema ist also als Veranschaulichung der genannten Prozesse entstanden. "Transformation" ist ein Ausdruck den ich im Vortrag zur Vereinfachung verwendet habe. Unter Fachleute würde ich aber von "Veröffentlichung" und von "Konstitution" von Bedeutung sprechen.
Beim Gestalten des Schemas kam mir dann die Idee, dass die Transformation vom stillen in den expliziten Zustand ("Veröffentlichung") auch sehr treffend "Abbilden" genannt werden kann (sogar in der Mathematik findet man eine ähnliche Verwendung).
Diese Idee gefiel mir sehr, weil sie irgendwie erklärt, warum viele Menschen die Auffassung von Wissen als Abbild der Realität so gerne haben: weil "Abbilden" etwas ist, was sie ständig tun. Sie meinen (Illusion), sie würden die Realität abbilden, aber was sie tun ist Erlebnisse abzubilden (beim Reden, Schreiben, usw.).
Das passt auch sehr gut zu dem was Kant "eine notwendige und unvermeidliche Illusion" nennt, aber das würde uns zu weit weg führen.
"Konstruieren" beschränkt sich also im Schema auf die "Transformation" (konstituieren, interpretieren) explizit==>still - dargestellt mit dem grossen blauen Pfeil von oben nach unten - und auf die "Transformation" (konstituieren, hervorbringen, produzieren) still==>still, dargestellt mit den zwei kleineren blauen Pfeilen in kreisförmiger Anordnung.
Diese "Transformation" ist also ein "Konstruieren mentaler Mechanismen" (dynamisch, organisch).
Auch die Transformation still==>explizit kann als Konstruktion betrachtet werden: aber die Ergebnisse dieser konstruktiven Tätigkeit unterscheiden sich von den Ergebnissen der anderen zwei bezüglich des Merkmals "Zustand". Im stillen Zustand ist das Wissen als 'mentales' Mechanismus (dynamisch) implementiert, im expliziten Zustand ist hingegen das Wissen als physische Anordnung von Dingen implementiert.
Diese "Transformation" ist also ein "Konstruieren physischer Anordnungen" (statisch, mechanisch).
Diese Konstruktions-Tätigkeit kann auch als Tätigkeit des Zuordnens aufgefasst werden, in der den mentalen Mechanismen passende Anordnungen von Dingen zugeordnet werden. In diesem Sinne habe ich hier den Ausdruck "Abbilden" benutzt. Ceccato beschreibt diese Zuordnungstätigkeit in "Il Punto" sehr ausführlich.
Habe ich wieder 'umfassende Ordnung' geliefert ?
Herzlich,
Marco.
----- Original Message -----
From: Rolf Todesco To: Marco Bettoni ; Ernst von Glasersfeld Cc: Kurt Zwimpfer ; Robert Ottiger Sent: Tuesday, November 13, 2001 2:20 PM Subject: Re: Wissen zweckmässiger verstehen
Liebe Alle
in meinem Wortgebrauch sind Abbildungen Artefakte und deshalb
Konstruktionen. Das stille Wissen ist irgendwie eine "mentale Konstruktion",
die ich mir genau über die Abbildung erst als Konstruktion vorstellen kann.
Deshalb passt (to fit) das Schema von Marco nicht zu mir. Ich kann es so
nicht assimilieren. Und für eine Akkomodation habe ich noch zu wenig Information.
Herzlich
Rolf
Lieber Marco, lieber Rolf
Ich bin ein stiller Geniesser Eurer Dialoge.
Ich schätze die Kopien Eurer Mails sehr, auch wenn ich mich kaum dazu
äussere.
Die letzen Mails von Ernst und Rolf waren für mich insofern besonders,
als explizit zum Ausdruck kam, dass wir uns vor allem bezüglich der Art
und Weise unterscheiden, wie wir uns über Natur (Erzeugnisse) und Kultur
(hergestellte Gegenstände) äussern.
Diesen Unterschied sehe ich auch im jüngsten Dialog zwischen Marco und Rolf.
Ich lese den Vorschlag von Rolf so:
- explizites Wissen = hergestellter Gegenstand (Artefakt) = eigentliche
Konstruktion = Kultur
- stilles Wissen = erzeugter Gegenstand (Erzeugnis) = mentale Konstruktion
= Natur
Die Transformationen, für die sich Marco interessiert, lassen sich aufgrund
dieses Vorschlages wie folgt äussern:
- stilles Wissen -> explizites Wissen: mentale Konstruktion -> eigentliche
Konstruktion (ich zeichne eine Katze, die ich mir vorstelle)
- explizites Wissen -> stilles Wissen: eigentliche Konstruktion -> mentale
Konstruktion (die gezeichnete Katze beginnt in der Vorsellung zu lachen)
- stilles Wissen -> stilles Wissen: mentale Konstruktion -> mentale
Konstruktion (der vorgestellte Tiger wird in der Vorstellung zur schwarzen
Katze)
Die Pfeile stehen für Unverstandenes.
Ich kann leider keine umfassende Ordnung liefern.
Herzlich
Röbi
Lieber Röbi, lieber Marco
> Ich bin ein stiller Geniesser Eurer Dialoge.
> Ich schätze die Kopien Eurer Mails sehr, auch wenn ich mich kaum dazu
> äussere.
und ich geniesse es, wenn unser Dialog genossen wird
> Ich lese den Vorschlag von Rolf so:
> - explizites Wissen = hergestellter Gegenstand (Artefakt) = eigentliche
> Konstruktion = Kultur
> - stilles Wissen = erzeugter Gegenstand (Erzeugnis) = mentale Konstruktion
> = Natur
so werde ich gerne gelesen.
> Die Transformationen, für die sich Marco interessiert, lassen sich
aufgrund
> dieses Vorschlages wie folgt äussern:
> - stilles Wissen -> explizites Wissen: mentale Konstruktion -> eigentliche
> Konstruktion (ich zeichne eine Katze, die ich mir vorstelle)
> - explizites Wissen -> stilles Wissen: eigentliche Konstruktion -> mentale
> Konstruktion (die gezeichnete Katze beginnt in der Vorsellung zu lachen)
> - stilles Wissen -> stilles Wissen: mentale Konstruktion -> mentale
> Konstruktion (der vorgestellte Tiger wird in der Vorstellung zur
schwarzen
> Katze)
> Die Pfeile stehen für Unverstandenes.
Die Pfeile verstehe ich auch nicht, sie haben etwas alchemistisches, wie
Marcos Transformationen. Ich weiss nicht was transformiert oder gepfeilt
wird.
Wie kann man eine atze in eine "mentale" Katze transformieren.
> Ich kann leider keine umfassende Ordnung liefern.
wirklich sehr schade ;- )
PS: Ernst ist nicht im Verteiler dieserm mail. Ist das Absicht?
Herzlich
Rolf
Lieber Rolf,
Deine Diskussionsbeiträge sind immer wie Brennstoff-Zugabe in meinem sonst auf Sparflamme betriebenen Forschungs-Brenner: ich muss aber das Ventil bald wieder zurückdrehen und den Ingenieur-Brenner wieder hochfahren.
> Das heisst, ich konstruiere beim Abbilden und beim Interpretieren.
Einverstanden, aber wie unterscheidest Du die zwei Konstruktions-Verfahren und Konstruktions-Ergebnisse ?
Zum Konstruktions-Verfahren schreibst Du:
> Das eine Mal "wirklich" und das andere Mal "mental".
Das würde ich gerne genauer untersuchen: Nach welchem Kriterium unterscheidest Du "wirklich"/"mental" ? Dazu schreibst Du:
> Als ich früher sagte, Marco sei ein Konstrukteur, meinte ich, dass Du Maschinen
herstellst, als AUCH wirklich konstruierst. Dabei magst Du einen Plan im Kopf
machen, also eine mentale Konstruktion, dann aber machst Du eine Abbildung,
einen Plan auf Papier, eine wirkliche Konstruktion. <
"Wirklich" verstehe ich hier wie "wahrnehmbar".
"Mental" verstehe ich hier wie "vorgestellt".
Das Kriterium sind hier also die kognitiven Funktionen.
Es ist mir noch unklar ob man auch "wahrgenommen" statt "wahrnehmbar" und "vorstellbar" statt "vorgestellt" sagen könnte.
Meine Unterscheidung zwischen ein "Konstruieren physischer Anordnungen" (statisch, mechanisch) und ein "Konstruieren mentaler Mechanismen" (dynamisch, organisch) ist gemeint als Unterscheidung "wahrnehmbar"/"vorgestellt".
> Das passt (to fit) zu mir - auch wenn ich Deine Klammern nicht recht verstehe
Die Ausdrücke in den Klammern bezeichnen zwei Unterscheidungen die ich wie folgt verstehe:
a) "Statisch" und "dynamisch" beziehen sich auf das Ergebnis des Konstruierens.
b) "mechanisch" und "organisch" beziehen sich auf den Vorgang des Konstruierens.
Ein Plan auf dem Papier verstehe ich als "statisch" in dem Sinne, dass in den Punkten, Linien und Flächen des Plans sich kaum etwas verändert, keine (für den Zweck relevante) Vorgänge ablaufen.
Einen Plan im Kopf verstehe ich als "dynamisch" im Sinne meines autopoietischen Modell des Wissens: der Plan als Vorstellung muss aus Mechanismen bestehen, denn nur so kann es zum Funktions-Element des Systems werden, der ihn erzeugt hat.
Das Konstruieren des Plans auf dem Papier verstehe ich als "mechanisch" in dem Sinne, dass dabei zwischen Operatoren und Operanden "maschinelle" Beziehung besteht: der Operand ist klar von dem ihn erzeugenden Operator getrennt.
Das Konstruieren des Plans im Kopf verstehe ich als "organisch" in dem Sinne, dass dabei zwischen Operatoren und Operanden eine "autopoietische" Beziehung besteht: der Operand wird Teil des ihn erzeugenden Operators und erweiter funktionell sein Operations-Spektrum.
Zur Anpassung meines Schemas sagst Du:
> Mein Vorschlag wäre: Unten und oben gibt es je eine Konstruktion: oben heisst sie Abbildung und unten heisst sie "Deutung" oder "Interpretation".<
Einverstanden, mit der Ergänzung, dass auch die Kreis-Pfeile für "still==>still" noch eine Bezeichnung bräuchten. Welche würdest Du vorschlagen ?
Herzlich,
Marco.
----- Original Message -----
From: Rolf Todesco To: Marco Bettoni ; Ernst von Glasersfeld Cc: Kurt Zwimpfer ; Robert Ottiger Sent: Wednesday, November 14, 2001 4:54 PM Subject: Re: Zustände des Wissens - Wissen zweckmässiger verstehen
Lieber Marco
> Beim Thema "Zustände des Wissens" sage ich im Vortrag, dass
> die Unterscheidung "still/explizit" wichtig sei weil wir:
> - bei der täglichen Arbeit (unbemerkt) ständig Transformationsprozesse
> vom stillen zum expliziten Wissen (abbilden) und umgekehrt
> (konstruieren, interpretieren) ablaufen lassen.
Ich will die Sache nocheinmal in meinen Worten sagen. Natürlich will ich
Dir nicht meinen Wortgebrauch aufzwängen, ich will ihn mir bewusst machen
und Dich einladen, Deinen Wortgebrauch als dazu unterschiedlich zu sehen.
Ich sage, eine Abbildung ist ein Artefakt und wird deshalb konstruiert, wenn die
Abbildung hergestellt wird. Wenn ich die Abbildung anschaue, dann mache ich
eine Interpretation, die ich als mentale Konstruktion auffassen kann.
Das heisst, ich konstruiere beim Abbilden und beim Interpretieren. Das eine Mal
"wirklich" und das andere Mal "mental".
Als ich früher sagte, Marco sei ein Konstrukteur, meinte ich, dass Du Maschinen
herstellst, als AUCH wirklich konstruierst. Dabei magst Du einen Plan im Kopf
machen, also eine mentale Konstruktion, dann aber machst Du eine Abbildung,
einen Plan auf Papier, eine wirkliche Konstruktion. Wenn jemand die Maschine
baut, die Du gezeichnet hast, macht er eine Interpretation Deiner Zeichnung, also
eine mentale Konstruktion in seinem Kopf, und dann macht er die wirkliche
Maschine, also eine wirkliche Konstruktion aus Metall.
Du unterscheidest ein "Konstruieren physischer Anordnungen" (statisch, mechanisch)
und ein "Konstruieren mentaler Mechanismen" (dynamisch, organisch).
Das passt (to fit) zu mir - auch wenn ich Deine Klammern nicht recht verstehe: ein
Mechanismus ist doch mechanisch und viele Maschinen sind sehr dynamisch.
In Deiner Unterscheidung lese ich, dass ich wirklich und mental konstruiere, und
dass das zwei verschiedene Dinge sind.
Die Abbildung ist eine wirkliche Konstruktion, weil sie physisch angeordnet wird,
die Interpretation der Bedeutung ist eine mentale Konstruktion, weil sie
irgendwie im Kopf geschieht.
Weil ich das Abbilden als physische Tätigkeit verstehe (zB das Herstellen eines
Oelgemäldes oder einer Konstruktionszeichnung), habe ich reklamiert, dass mir
die Assimilation Deines Schemas nicht gelingt. Jetzt scheint mir, die Differenz
zwischen uns mehr eine sprachliche als eine sachlich zu sein.
Um das genauer zu klären, müsstest Du aber Dein Schema entsprechend Deiner
Argumentation verändern und ich müsste dann einen neuen Assimilationsversuch
unternehmen. Ich glaube, Schemas sind ein guter Weg der Kommunikation,
aber sie müssen wie die Sprache sehr gepflegt werden, wenn sie keine Miss-
verständnisse erzeugen sollen. Mein Vorschlag wäre:
Unten und oben gibt es je eine Konstruktion: oben heisst sie Abbildung
und unten heisst sie "Deutung" oder "Interpretation".
> Habe ich wieder 'umfassende Ordnung' geliefert ?
im Vergleich zu meinem Focus auf jeden Fall, schau nur, wie viele Deiner
Wörter ich einfach weggelassen habe (sogar Kant, still und Transformation)
Herzlich,
Rolf
Lieber Marco,
> Deine Diskussionsbeiträge sind immer wie Brennstoff-Zugabe
> in meinem sonst auf Sparflamme betriebenen Forschungs-Brenner
nimm den Brennstoff in den Tank, dann kannst Du ihn verbrennen, wenn
es Dir Spass macht.
>> Das heisst, ich konstruiere beim Abbilden und beim Interpretieren.
> Einverstanden, aber wie unterscheidest Du die zwei Konstruktions-
> Verfahren und Konstruktions-Ergebnisse ?
In dieser Hinsicht (auf Dein Schema) bwollte ich gerade nicht unterscheiden,
deshalb bin ich unglücklich damit, dass bei Dir oben Abbilden und unten
Konstruieren steht.
> Das würde ich gerne genauer untersuchen: Nach welchem Kriterium
> unterscheidest Du "wirklich"/"mental" ?
Deine Unterscheidung "wahrgenommen"/"vorgestellt" passt für mich gut,
aber ich sehe sie hier als Synonym, das die Frage nur verschiebt.
Als Maschinenzeichner (zB ich) oder als Ingenieur (zB Du) unterscheide ich
den Konstruktionsplan von der damit abgebildeten Maschine. Beides sind
Artefakte, das eine ist eine Abbildung des andern.
Wenn ich beide "vor mir habe", also wahrnehme, dann mache ich in beiden
Fällen eine (kognitive) Wahrnehmungs-Operation, oder eine mentale Operation,
die zu den entsprechenden Vorstellungen führt.
Jetzt habe ich 4 Felder:
die Zeichnung vor meinen Augen | die Maschine vor meinen Augen
---------------------------------------------------------------------------------------
die Zeichnung in meinem Kopf | die Maschine in meinem Kopf
Natürlich sind alle vier Fälle nicht in einer objektiven Realität, sondern
in meiner Erfahrung. Aber ich erlebe die vier Erfahrungen als sehr
verschieden und als sehr leicht aufeinander beziehbar.
Ich könnte also sagen, alle 4 Fälle beruhen auf mentalen Operationen.
Ich sage, alle 4 Fälle sind meine Erzeugungen (im Sinne von Maturanas
Hervorbringungen).
Dann aber unterscheide ich die oberen beiden Fälle als "wirkliche"
von den unteren beiden Fällen als "mentale". Hier passen Deine
Wörter "sinnlich wahrnehmbar" versus "vorgestellt"
Ich bezeichne die beiden oberen Fälle als "hergestellt", resp. als
"Artefakte" (obwohl sie natürlich Bestandteile meiner Erfahrung sind).
Die beiden unteren Fälle "habe ich nur im Kopf", also in der Vorstellung,
aber auch dort ist das eine eine Abbildung des andern.
So sehe ich die Sache in meinem Konstruktivismus, das heisst, ich
betrachte die Beziehungen zwischen den horizontal benachbarten Feldern
als Abbildungen. Die meisten meiner lieben Mitmenschen betrachten
dagegen die Beziehungen der vertikal benachbarten Felder und sprechen
dort von Abbildung. Das passt nicht zu meinem Konstruktivismus.
Ueber diese vertikalen Verhältnisse weiss ich rein gar nichts. Ich kann
aber genau sagen, wie ich sie mir "zurecht lege": Ich stelle mir vor,
dass "im Kopf" genau dasselbe passiert, wie "vor dem Kopf", weil ja
beides Folgen meiner mentalen Operationen sind.
So verstehe ich Ernst's Re-Präsentationen: Sowohl die Artefakte vor
meinen Kopf, als auch die Vorstellungen in meinem Kopf sind Repräsentationen
meiner Operationen.
====================================
Dann gibt es noch einen 2. Aspekt in Deiner Mail, den ich separat beantworten kann.
> Die Ausdrücke in den Klammern bezeichnen zwei Unterscheidungen die ich wie folgt verstehe:
> a) "Statisch" und "dynamisch" beziehen sich auf das Ergebnis des Konstruierens.
> b) "mechanisch" und "organisch" beziehen sich auf den Vorgang des Konstruierens.
> Ein Plan auf dem Papier verstehe ich als "statisch" in dem Sinne, dass in den Punkten,
> Linien und Flächen des Plans sich kaum etwas verändert, keine (für den Zweck relevante)
> Vorgänge ablaufen.
> Einen Plan im Kopf verstehe ich als "dynamisch" im Sinne meines autopoietischen Modell
> des Wissens: der Plan als Vorstellung muss aus Mechanismen bestehen, denn nur so
> kann es zum Funktions-Element des Systems werden, der ihn erzeugt hat.
> Das Konstruieren des Plans auf dem Papier verstehe ich als "mechanisch" in dem Sinne,
> dass dabei zwischen Operatoren und Operanden "maschinelle" Beziehung besteht: der
> Operand ist klar von dem ihn erzeugenden Operator getrennt.
> Das Konstruieren des Plans im Kopf verstehe ich als "organisch" in dem Sinne, dass dabei
> zwischen Operatoren und Operanden eine "autopoietische" Beziehung besteht: der Operand
> wird Teil des ihn erzeugenden Operators und erweiter funktionell sein Operations-Spektrum.
Statisch sind für mich Konstruktionen, die ich mit einer Zeichnung abbilden kann, also
etwa ein Hammer oder ein Fahrrad. Dynamisch sind für mich konstruktionen, die ich
nur (programm)sprachlich abbilden kann, weil die Konstruktion relevant verschiedene
Zustände annehmen kann, wie etwa Computer.
Statisch und dynamisch bezeichnet eine Notwendigkeit in der Abbildungsart.
Natürlich ist mein Kopf in diesem Sinne dynamisch, aber das ist ein Computer auch.
Und unter konstruktiven Gesichtspunkten sind sowohl mein Kopf als autopoietische
Maschine und der Computer als hergestellte Maschine beides Maschinen und deshalb
mechanisch.
Dass in meinem Kopf zwischen Operatoren und Operanden eine "autopoietische" Beziehung
besteht, drücke ich aus mit "autopoietische" Maschine, dafür kann ich auch wie Du
vorschlägst "Organismus" oder "organisch" sagen.
Ich sehe hier - wie so oft - keine sachliche Differenz zwischen uns, sondern nur verschiedene
Redeweisen.
====================================
> zur Anpassung meines Schemas sagst Du:
>> Mein Vorschlag wäre: Unten und oben gibt es je eine Konstruktion: oben
>> heisst sie Abbildung und unten heisst sie "Deutung" oder "Interpretation".<
> Einverstanden, mit der Ergänzung, dass auch die Kreis-Pfeile für "still==>still"
> noch eine Bezeichnung bräuchten. Welche würdest Du vorschlagen ?
Jetzt schaue ich Dein Schema wieder an. Dabei merke ich, dass ich es jetzt,
nachdem ich meine Sicht nochmals gekärt habe, gar nicht mehr vernünftig
interpretieren kann.
Ich würde jetzt die grossen Pfeile, die Du Transformation nennst ganz weglassen,
weil ich jetzt oben und unten Re-Präsentationen - eine explizite und eine stille -
sehe. Die Pfeile unten (still==>still) würde ich oben auch einsetzen als
(explizit==>explizit) und beide Kreise würden je eine Entwicklung bedeuten,
die sich gegenseitig repräsentieren.
Eigentlich wollte ich Ordnung machen, jetzt habe ich mir meine Unordnung bewusst
gemacht.
====================================
Das ist jetzt wieder sehr viel Brennstoff - aber Ihr seid ja frei, nur etwas oder gar
nichts davon zu verbrennen. Mir hat es sehr geholfen, dass ich diesen Text geschrieben
habe. Ich danke Euch, dass Ihr mich "schreiben" machtet, das freut mich schon sehr.
Wenn Ihr beim Lesen einen Gewinn habt, freut es mich zusätzlich.
Herzlich,
Rolf
Lieber Marco, lieber Rolf,
Eure Diskussion ist faszinierend und ich habe das Gefuehl, dass man
mindestens ein halbes Buch schreiben muesste, um sich ueber alle
Einzelheiten, die da mitspielen, klar zu werden. Man muesste jeden Satz in
seine Bestandteile zerlegen - und wer haette Zeit, das gewissenhaft
durchzufuehren? Darum moechte ich nur versuchen, die Oberflaeche an ein, zwei
Stellen fuer mich durchsichtiger zu machen.
Was ist ein "Bild"? - Fuer mich ist es eine Gelegenheit, ein mehr oder
weniger bestimmtes Muster von Wahrnehmungsoperationen auszufuehren, das ich
in vorhergehender Erfahrung brauchbar gefunden habe (Siehe. RK, 1996,
p.165-166). Das scheint mir gut uebereinzustimmen mit Rolfs: >Wenn ich beide
"vor mir habe", also wahrnehme, dann mache ich in beiden Fällen eine
(kognitive) Wahrnehmungs-Operation, oder eine mentale Operation, die zu den
entsprechenden Vorstellungen führt.<
Doch wie Marco mache auch ich da einen
Unterschied zwischen (a) dem Abbild einer Maschine (z.B. Fotografie eines
Ferrari Coupés) und (b) dem Konstruktionsplan dieser Maschine, und ich wuerde
nicht sagen, dass (b) eine "Abbildung" von (a) ist. (b) hat kaum etwas mit
dem Muster gemein, das man von frueheren Erfahrungen abstrahiert haben muss,
um das Ferrari-Foto (a) als Auto und dann sogar als "Ferrari" zu
interpretieren; (b) kann nur von jemandem interpretiert werden, der bereits
Vorfstellungen von den theoretischen Beziehungen der einzelnen Teile hat, die
es z.B. dem Motor moeglich machen, die Raeder anzutreiben. Diese
Vorstellungen sind nicht von Sinneswahrnehmungen abgeleitet, sondern von dem
Muster der mentalen Operationen, das die jeweilige Theorie bildet.
Ein einfacheres Beispiel ist vielleicht eine Landkarte (RK, p.163). Sie
enthaelt wohl symbolische Anagben von wahrnehmbaren Einzelheiten, doch die
Karte benuetzen, um einen Weg zu finden, kann nur jemand, der bereits weiss,
was "gehen" oder "fahren" bedeutet, und wie man nach rechts oder links
abbiegt; denn eine Karte "lesen" heisst, mit den Augen die Bewegungen aus
fuehren, die man in der Landschaft machen muesste.
>So verstehe ich Ernst's Re-Präsentationen: Sowohl die Artefakte vor
meinen Kopf, als auch die Vorstellungen in meinem Kopf sind Repräsentationen
meiner Operationen.<
- Sicher! Aber ich sehe da zwei verschiedene Sorten
Operation. Die eine stammt von Sinneswahrnehmungen, die andere von operativen
Mustern (patterns), die von Mustern der Wahrnehmung abstrahiert worden sind -
wie z.B. der "abstrakte" Begriff der Zahl vom sensomotorischen Zaehlen.
Herzliche Gruesse,
Ernst
---------- mb 16.11 -------------
Lieber Rolf,
mit Deiner letzten Nachricht lieferst Du mir eine noch grössere Menge Brennstoff, und zugleich die Grebrauchsanweisung:
> nimm den Brennstoff in den Tank, dann kannst Du ihn verbrennen,
> wenn es Dir Spass macht.
Spass würde es mir gleich machen, aber die Arbeit ruft: ich muss es leider in den Tank umleiten.
Bis später also, hoffentlich noch bevor Ernst nach Basel kommt!
Ciao,
Marco.
---------- evg 17.11 -------------
Lieber Marco, lieber Rolf,
Eure Diskussion ist faszinierend und ich habe das Gefuehl, dass man
mindestens ein halbes Buch schreiben muesste, um sich ueber alle
Einzelheiten, die da mitspielen, klar zu werden. Man muesste jeden Satz in
seine Bestandteile zerlegen - und wer haette Zeit, das gewissenhaft
durchzufuehren? Darum moechte ich nur versuchen, die Oberflaeche an ein, zwei
Stellen fuer mich durchsichtiger zu machen.
Was ist ein "Bild"? - Fuer mich ist es eine Gelegenheit, ein mehr oder
weniger bestimmtes Muster von Wahrnehmungsoperationen auszufuehren, das ich
in vorhergehender Erfahrung brauchbar gefunden habe (Siehe. RK, 1996,
p.165-166). Das scheint mir gut uebereinzustimmen mit Rolfs: >Wenn ich beide
"vor mir habe", also wahrnehme, dann mache ich in beiden Fällen eine
(kognitive) Wahrnehmungs-Operation, oder eine mentale Operation, die zu den
entsprechenden Vorstellungen führt.< Doch wie Marco mache auch ich da einen
Unterschied zwischen (a) dem Abbild einer Maschine (z.B. Fotografie eines
Ferrari Coupés) und (b) dem Konstruktionsplan dieser Maschine, und ich wuerde
nicht sagen, dass (b) eine "Abbildung" von (a) ist. (b) hat kaum etwas mit
dem Muster gemein, das man von frueheren Erfahrungen abstrahiert haben muss,
um das Ferrari-Foto (a) als Auto und dann sogar als "Ferrari" zu
interpretieren; (b) kann nur von jemandem interpretiert werden, der bereits
Vorfstellungen von den theoretischen Beziehungen der einzelnen Teile hat, die
es z.B. dem Motor moeglich machen, die Raeder anzutreiben. Diese
Vorstellungen sind nicht von Sinneswahrnehmungen abgeleitet, sondern von dem
Muster der mentalen Operationen, das die jeweilige Theorie bildet.
Ein einfacheres Beispiel ist vielleicht eine Landkarte (RK, p.163). Sie
enthaelt wohl symbolische Anagben von wahrnehmbaren Einzelheiten, doch die
Karte benuetzen, um einen Weg zu finden, kann nur jemand, der bereits weiss,
was "gehen" oder "fahren" bedeutet, und wie man nach rechts oder links
abbiegt; denn eine Karte "lesen" heisst, mit den Augen die Bewegungen aus
fuehren, die man in der Landschaft machen muesste.
>So verstehe ich Ernst's Re-Präsentationen: Sowohl die Artefakte vor
meinen Kopf, als auch die Vorstellungen in meinem Kopf sind Repräsentationen
meiner Operationen.< - Sicher! Aber ich sehe da zwei verschiedene Sorten
Operation. Die eine stammt von Sinneswahrnehmungen, die andere von operativen
Mustern (patterns), die von Mustern der Wahrnehmung abstrahiert worden sind -
wie z.B. der "abstrakte" Begriff der Zahl vom sensomotorischen Zaehlen.
PS: Mit Marco's e-mail vom 14.11. bekam ich die "Warnung" dass da ein Bild
sei, aber als ich die Nachricht aufmachte, war das Bild verschwunden. Ich hab
da sicher etwas falsch gemacht, weiss aber nicht was.
Herzliche Gruesse,
Ernst
---------- ro 17.11 -------------
Rolf schrieb eines Tages:
> Ich sage, eine Abbildung ist ein Artefakt und wird deshalb konstruiert,
wenn die Abbildung hergestellt wird. Wenn ich die Abbildung anschaue, dann
mache ich eine Interpretation, die ich als mentale Konstruktion auffassen
kann.
> Das heisst, ich konstruiere beim Abbilden und beim Interpretieren. Das
eine Mal "wirklich" und das andere Mal "mental".
Das verstehe ich sehr gut. Die Unterscheidung wirklich / metal bezieht sich
hier auf die Art und Weise der Konstruktion. An dieser Stelle passt für mich
auch die Unterscheidung hergestellt / erzeugt. Was später in diesem Dialog
"die Zeichnung vor meinen Augen" heisst, stelle ich her, was später "die
Zeichnung in meinem Kopf" heisst, erzeuge ich.
Und etwas später schrieb Rolf auf die Frage von Marco:
Das würde ich gerne genauer untersuchen: Nach welchem Kriterium
unterscheidest Du "wirklich"/"mental" ?
...
> Als Maschinenzeichner (zB ich) oder als Ingenieur (zB Du) unterscheide ich
den Konstruktionsplan von der damit abgebildeten Maschine. Beides sind
Artefakte, das eine ist eine Abbildung des andern.
Nachdem Rolf früher wirklich / mental aufgrund der Art und Weise der
Konstruktion unterschieden und damit die beiden linken Felder des
nachfolgenden Schemas eingeführt hat, führt er jetzt einen zweiten
Gegenstand und damit eine neue Relation ein: wir haben jetzt die Abbildung
und das Abgebildete. Im hier geschilderten (Spezial)Fall, sind beides
Artefakte. In einem anderen Fall, wenn das Abgebildete beispielsweise eine
Fliege ist, ist nur die Abbildung, nicht aber die Fliege Artefakt. Ich
erwähne das, um klar zu machen, dass das, was im nachfolgenden Schema
oberhalb der horizontalen Linie ist, nicht in jedem Fall hergestellt ist.
Das heisst, die Unterscheidung hergestellt / erzeugt kann die horizontale
Linie nur in diesem Spezial Fall "erklären".
> Wenn ich beide "vor mir habe", also wahrnehme, dann mache ich in beiden
Fällen eine (kognitive) Wahrnehmungs-Operation, oder eine mentale Operation,
die zu den entsprechenden Vorstellungen führt.
> ==============================================================
Jetzt habe ich 4 Felder:
die Zeichnung vor meinen Augen | die Maschine vor meinen Augen
---------------------------------------------------------------------
------------------
die Zeichnung in meinem Kopf | die Maschine in meinem Kopf
> Natürlich sind alle vier Fälle nicht in einer objektiven Realität, sondern
in meiner Erfahrung. Aber ich erlebe die vier Erfahrungen als sehr
verschieden und als sehr leicht aufeinander beziehbar.
> Ich könnte also sagen, alle 4 Fälle beruhen auf mentalen Operationen. Ich
sage, alle 4 Fälle sind meine Erzeugungen (im Sinne von Maturanas
Hervorbringungen).
> Dann aber unterscheide ich die oberen beiden Fälle als "wirkliche" von den
unteren beiden Fällen als "mentale". Hier passen Deine Wörter "sinnlich
wahrnehmbar" versus "vorgestellt"
> Ich bezeichne die beiden oberen Fälle als "hergestellt", resp. als
"Artefakte" (obwohl sie natürlich Bestandteile meiner Erfahrung sind).
Wie oben gesagt, greift diese Unterscheidung nur im geschilderten
Spezialfall. Es bleibt die Unterscheidung von Marco, sinnlich wahrnehmbar /
vorgestellt.
Hier frage ich mich, wie ich die Unterscheidung leisten kann. Spontan sage
ich, dass ich nicht nur die Fliege, sondern auch die Vorstellung einer
Fliege "sinnlich" wahrnehme. Ich kann mich überhaupt nur sinnlich
wahrnehmen. Also greift auch diese Unterscheidung nicht.
Auch sehr spontan sage ich jetzt, dass ich das was oberhalb der horizontalen
Linie ist, nur mittels körperfremder Energie erfahren kann (auf die
Zeichnung / die Maschine fällt Licht, die Fliege / die Maschine bewegt
sich).
> Die beiden unteren Fälle "habe ich nur im Kopf", also in der Vorstellung
...
Das lese ich nun so, dass ich das, was unterhalb der Linie ist, allein mit
meiner Energie erfahre.
> ... aber auch dort ist das eine eine Abbildung des andern.
Einverstanden. Damit sagst Du implizit, was Du nachher explizit sagst,
nämlich, dass im Kopf dasselbe passiert wie vor dem Kopf.
Herzlich
Röbi
P.S. Auch ich freue mich natürlich, dass ich an Eurem (meinem) Text
gearbeitet habe.
---------- evg 17.11 -------------
Lieber Robert,
Ich glaube schon, dass die Unterscheidung Wahrnehmung/Vorstellung "greift": Eines der Kriterien dafuer ist, dass Wahrnehmungen sich veraendern, wenn Du Dich bewegst, waehrend Vorstellungen das nicht tun. Wahrnehmungen sind
"Praesentationen", Vorstellungen "Re-Praesentationen".
Herzliche Gruesse,
Ernst