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Von Manfred Zimmer:
Hinter den Kulissen des Dialogs
Ein Rezensionsversuch aus der Sicht des Bohm-Buber-Dhority’schen Dialogs
Seit zehn Jahren treffen sich in Zürich allmonatlich Menschen, um den Dialog (aus) zu üben.
In seinem neuen Buch „Der Dialog im Dialog“* verdichtet der Systemwissenschaftler Rolf
Todesco dazu seine Erfahrungen und Gedanken.
Die anspruchsvoll-akademische Kost kredenzt der Autor recht kurzweilig unter weitgehendem
Verzicht auf langwierige Abhandlungen: Er tritt als Ich-Erzähler, Beobachter und Organisator
inszenierter Dialogrunden auf, wobei er in sieben Dialogrunden (+ 1 Reflexionsrunde)
ca. 30 Teilnehmende in wörtlicher Rede zu Wort kommen lässt. Da ist zum Beispiel „Störenfried“
Peter, den die zur Verwendung empfohlenen Dialoginstrumente eher an „Kindergarten“
erinnern. Peter wird des öfteren von Lisa zur Ordnung gerufen, die nicht nur um Ausgleich
und weniger Theorielastigkeit bemüht ist, sondern auch um die Integration ihrer Dialog-
Erfahrungen in den Alltag. Oder der Radikale Konstruktivist „Heiner“, der den Dialog und die
philosophische Theorie zusammen zu denken versucht. Da ist ferner „Avital“, die die Dialogregeln
als „Verheißungen“ begreift und damit eine Art „Revolution“ einleitet. Eine solche
muss während ihrer Abwesenheit stattgefunden haben, mutmaßt „Renate“, die zu Anfang
noch als Moderatorin auftritt. Schließlich der Autor selbst, Rolf, dem es nicht immer gelingt,
seine akademische Rolle zu „suspendieren“, ohne dass er allerdings die Dialogrunden in
philosophische Seminare umfunktioniert – Lisa würde aufstehen und weggehen.
So fühle ich mich als Leser schnell mittendrin in diesen Dialogrunden über den Dialog, die
ihren Ausgangspunkt im Bohm-Buber-Dhority’schen Dialog haben, aber auch darüber hinausgehen.
Jedenfalls erinnern die Rahmenbedingungen an den genannten Dialogmodus:
Sitzkreis, Blume in der Mitte, die Verwendung von Redestein (der bei Todesco zum „Zauberstab“
mutiert), Klangschale, Eröffnungs- und Reflexionsrunde. Was beim Dhority-Dialog als
„Kernfähigkeiten“ bezeichnet wird, firmiert bei Todesco unter „Regeln“ respektive „Verheißungen“,
indem sie auf einen künftigen Idealzustand verweisen. Bohms „Suspendierungsregel“
etwa – also dass Annahmen und Bewertungen in der Schwebe gehalten werden sollen –
wird bei Todesco zur„Büfettregel“ erweitert: „Das Büfett ist für alle das Gleiche, aber jeder
isst etwas anderes. Was ich beitrage, stelle ich auf dieses Büfett. Ich dränge es niemandem
auf. Ich spreche nicht zu einzelnen Personen, sondern eben in die Mitte des Kreises ...“ lässt
der Autor „Renate“ einmal sagen. „Verlangsamung“, eine weitere Regel, wird im Dialog nicht
nur durch Redestab und Anschlagen der Klangschale erreicht, sondern nach Ansicht des
Autors vor allem dadurch, dass jede der monatlichen Dialogrunden ganz neu anfängt und
Neueinsteiger nicht über mögliche Erkenntnisfortschritte in den vorhergehenden Dialogrunden
unterrichtet werden: „Bestimmte Anliegen kommen einfach wiederholt zur Sprache und
werden dann als aktuelle Anliegen aufgenommen oder eben nicht“ heißt es dazu im Nachwort.
Eine weitere Dialogregel besagt, dass nur in Ich-Aussagen gesprochen werden soll – Todesco
hält es meist in seinem ganzen Buch so. Diese Regel soll im Dialog ermöglichen, auf allgemeingültige
Wahrheiten oder Tatsachen-Behauptungen zu verzichten, die in Gesprächen
oft Stein des Anstoßes sind. Ebenso wenig soll es um „Erklärungen“ gehen, auch „Nachfragen“
soll nicht erlaubt sein, Referate zu halten und zu diskutieren (wie „Peter“ es gewohnt
ist). Oder sich auf Fachleute zu berufen, die wie die Lektüre des Buches von David Bohm
durch Teilnehmende nahe legt, sehr verschieden interpretiert werden können. Lisa: „Immer
wieder ertappte ich mich dabei zu denken, dass Peter das Buch nicht verstanden habe.
Dann musste ich mir jedesmal einen Ruck geben, um zu sehen, dass er das Buch auf seine
Weise verstanden hat, und dass das mir nur zeigt, wie verschieden das Buch gelesen und
verstanden werden kann."
Wenn dann auch „Themen“ überhaupt nicht erlaubt sein sollen – ja um was geht es dann
inhaltlich in den Dialogrunden? Einziges erlaubtes Thema ist der Dialog selbst, wobei in den
sieben Dialogrunden gewisse Schwerpunkte auszumachen sind. Diese werden unter KapitelÜberschriften
wie zum Beispiel „Fragen im Dialog“, „Verheißungen“, „Wahrheit und Konflikt“,
„Dialog als Kunst“, „Sinn und Verstehen“ gruppiert. Oft geht es um die Dialog-Regeln, die
etwa für Peter eher dazu geeignet, den Dialog zu verhindern, wie er öfter betont. Lisa möchte
auf die Regeln am liebsten ganz verzichten und statt dessen versuchen, den Teilnehmenden
„mit dem größtmöglichen Respekt zu begegnen“. Für Avital hingegen machen sie Sinn,
wenn sie sie als „Verheißungen“ begreift. Wenn es einmal nicht um Regeln geht und ein
„echtes“ Thema aufkommt wie zum gesetzlich garantierten Grundeinkommen, geht es nicht
um ein Für und Wider dieser Sozialutopie – das ergäbe eine Diskussion –, sondern darum zu
versuchen, dieses Thema dialogisch in den Griff zu bekommen.
Todescos Blick hinter die Kulissen des Dialogs ist das einzige mir bekannte Werk, das
hauptsächlich aus Dialogen über den Dialog besteht und dabei nicht nur bedenkens- und
vertiefenswerte sondern auch unterhaltsame Beiträge zur Praxis und Theorie des Dialogs
liefert. Ich empfehle es nicht nur Dialogbegleitern und denen, die ähnliche Veranstaltungen
organisieren wollen. Auch für all diejenigen, die über Kommunikationsverhalten nachdenken,
dürfte es eine lohnende Lektüre sein. Aber Vorsicht – das Buch ist ebenso wenig Ratgeber
wie der Dialog als Methode aufzufassen ist, vielmehr entlässt es die Leserin in die Freiheit zu
versuchen, im Dialog mit anderen die eigene Sprache zu finden.
Von Axel Malik: Möglichkeit der Transformation (www.amazon.de, 6. Oktober 2013)
Lohnt sich sehr, denn es zeigt, dass im und durch Dialog eine Möglichkeit der Transformation besteht.
Wir denken in unseren Dialogen zwar andauernd an die Inhalte und vertretenen Positionen und ob sie richtig oder falsch, angemessen oder unangemessen, begründet oder unbegründet sind ABER, was wir eigentlich recht selten tun, ist, dass wir uns bewusst werden darüber, dass in einem Gespräch noch eine ganz andere Dimension vorhanden ist und wirkt. Jeder Dialog hat Voraussetzungen und Grundlagen, besitzt also in sich einer eigenen Struktur, Position, Verfaßtheit, die darüber entscheidet was dabei herauskommen und entstehen kann. In diesem Buch wird die Wahrnehmung auf das Bewußtsein über diese Dialog-Kultur gelenkt und eine ganz andere Dialog-Kultur, die auf den Ideen von David Bohm beruht vorgestellt. Man denkt vielleicht zunächst, dass wir schon alles darüber wissen was ein Dialog im Grunde ist, doch es verhält sich eher umgekehrt. Wir stehen erst am Anfang, das zu verstehen, was Dialog bedeutet, weil wir es uns erst jetzt bewußt machen, was ein Gespräch ist und sein kann. Diese Potentiale werden angesprochen und anhand einer Reihe von Gesprächsprotokollen aufgezeigt.