Jede neue Technologie macht explizit, was implizit schon da war, weil sie aus Implikationen der vorangegangenen Technologien entwickelt wird. Ich werde also keine neuen Auffassungen (er)finden, sondern alte Auffassungen im Licht der neuen Technologie sehen. Hypertext interessiert mich, weil Hypertext Text erläutert. Das Handwerk, das ich auf Hypertext verwende, lässt mich das Texthandwerk als Kunst neu begreifen: Texte sind Kunstwerke, wenn sie keine Mitteilungs-Funktion haben. Das Kunstwerk ist autonom, nicht wo es dem Rezipienten nichts mehr über nichts mehr sagt, sondern wo es nicht mehr rezeptionsorientiert ist, wo es nicht auf Rezipienten zielt. Natürlich entfällt damit nicht nur die Rezeptionstheorie, die gar nicht anders kann, als sich mit Interpretationen zu beschäftigen, es verschwinden auch die von Autorität strotzenden Autoren, die sich als "Es schreibt mich"-Medien höherer Wahrheiten verstehen. Flusser (9) unterscheidet sinnigerweise anhand von Kunstraummetahpern den Diskurs, in welchem etwa in Theatern dem Publikum weitergegeben wird, was im Sinne der Autorität ist, vom Dialog, in welchem Neues erst enstehen soll. Der Diskurs ist Monolog, vordergründig, weil die eine Seite, die Bühne, spricht, hintergründig aber, weil damit der Anspruch verbunden ist, eine Sichtweise durchzusetzen. Im Dialog (10) der Hyperkommunikation dagegen geht es darum, Vielfalt zu erzeugen, indem möglichst viele Sichtweisen nebeneinander gestellt werden.
Kunst ist kein Medium der Mitteilung, sondern ein Medium des Ausdrucks. Der kollektive Textproduzent ist in der Hyperkommunikation künstlerisch autonom, er produziert für sich, nicht für eine (Einschaltquoten-)Leserschaft. Er untersucht schreibend, welche Texte er mit wem wie teilen kann. Das Kollektiv erzeugt Vielfalt, der Einzelne macht Selektion und erkennt sich darin. Das Werk liegt nicht in einem Artefakt, das man für andere ins Museum stellen oder auf Bild- und Tonträgern fixieren kann, das Werk ist die kommunizierende Gemeinschaft, die sich immer neu erkennt.
Das Unentwickelte der Kunsthandwerker war nie, dass sie etwas abbilde(te)n. Die noch nicht entwickelte Kunst besteht darin, dass man etwas für andere tut, ob diese nun Mäzene, Kritiker oder Einschaltquoten sind. Etwas als Abbild von etwas zu sehen, war und ist eine Interpretation von Rezipienten, der Künstler interessierte sich immer schon für sein Werk und nie für ein davor stehendes Original.
Die Kunst mit Hypertext umzugehen, ist die Kunst der Kommunikation. Diese Kunst braucht keine Rezipienten, sondern beteiligte Produzenten.