Hyperkommunikation: Ein virtuelles Seminar zum Studiengang Konstruktives Wissensmanagement der Fachstelle für Weiterbildung der Uni Zürich

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Protokoll: Eine spezifische Einführung ins Internet

Eine praktische Einführung gibts unter: Homepagekurs

Protokoll

Das Internet ist im wesentlichen ein Protokoll, in welchem konstruktiv geregelt ist, wie die verschiedenen involvierten Artefakte verbunden werden.

Der Begriff "Protokoll" steht einerseits für eine Abbildung eines Prozesses (also für die Dokumente, in welchen die technischen Protokolle beschrieben sind) und andrerseits für ein materielles Werkzeug, das den Prozess steuert (also für das eigentliche, technische Protokoll). Franklin sagte, der Mensch sei ein werkzeugmachendes Tier; Jonas sagte, der Mensch sei ein abbildungmachendes Tier; ich kann entwickelte Werkzeuge wie Programme und Protokolle als Abbildungen lesen. Die Internetprotokolle sind Computerprogramme und mithin - was viele Menschen nicht gerne sehen - physisch hergestellte Werkzeuge, die beschreiben, was im Internet technologisch gesehen passiert.

Programm heisst sowohl das Programm(heft) im Zirkus als auch das (Computer)programm. Protokolle gibts sowohl auf der höfisch-politischen Bühne und in der (Spiess-)bürgerlichen Sitzung als auch zur Bestimmung von Computerschnittstellen, die der remote-Steuerung, etwa eines Druckers, dienen. Protokoll heisst ein Text, in welchem steht, welcher Diplomat wann vor welchem Kotau leisten muss, und die selbstreferentielle Beschreibung davon, welche Signale in einem Computer welche Signale in einem andern Computer auslösen.

Das Internet besteht aus einer Menge von Artefakten, die sich an die Internetprotokolle halten. Viele dieser Artefakte, wie etwa der PC und das Tele-(graph/fon)-system (1), sind älter als das Internet und wurden unabhängig vom Internet und dessen protokollarischen Vorgaben konstruiert. In den Protokollen steht deshalb weitgehend, was bereits davor der Fall war, das Internet ist eine im Nachhinein institutionalisierte Sicht (2) auf Artefakte, die zunächst ganz andere Zwecke erfüllten. In diesem Sinne kann man sagen, dass das Internet kein intentional hergestelltes Produkt ist, sondern nur existiert, weil wir es als solches betrachten und verwenden (3). In diesem Sinne ist das Internet ein sekundäres Produkt, dessen Gegenstandsbedeutung und mithin unterstellte Herstellungsintention sich - wie beim Instrument der Steelband, das davor ein Oelfass war - aus dem Gebrauch ergeben.


Hypertext

Ein Teil des im Internet verkörperten Protokolls heisst HTTP (HyperTextTransferProtokoll) und definiert u.a. die Funktionsweise von Hypertext im Internet.

Ein Hypertext ist ein Konglomerat von mit (Hyper)-Links verbundenen Text-Teilen. Ein (Hyper)-Link erscheint als Verweis auf eine andere Datei und ist eine durch Anklicken auslösbare Maschinen-Funktion, die eine Datei (in welcher der "Verweis" steht) durch eine andere Datei (deren Name im "Verweis" steht) ersetzt (4). Innerhalb eines Hypertextes darf jeder Dokumentname nur einmal vorkommen. Unter dem HTTP-Protokoll werden die Dateinamen zu URL's (Uniform Resource Locator), indem jedem Dateinamen eine eindeutige Adresse zugeordnet wird. Die hier vorliegende Datei heisst beispielsweise "wm_internet.htm". Sie liegt im Verzeichnis "seminare/wissensmangement" auf dem virtuellen Computer "www", der sich in der Internet-Domäne "hyperkommunikation.ch" befindet. Die URL dieser Datei lautet "http://www.hyperkommunikation.ch/seminare/wissensmangement/wm_internet.htm".

            

Die Domänen im World-Wide-Web

WWW ist eine Bezeichnung mit dem Charakter eines Markennamens, nur dass mit dieser "Marke" kein Hersteller und keine Organisation verbunden ist, sondern ein "höfisches" Protokoll bei der Nutzung des Internets als Hypertext. Das WWW-Protokoll schlägt vor, dass alle Computer, die Hypertext-Teile für das Internet beherbergen, "www" heissen, so dass die URL aller Dokumente des Hypertextes mit "www" beginnt, weil die URL mit dem Computernamen beginnt.

WWW ist kein technisches Protokoll sondern eine Konvention, an die man sich halten kann oder nicht. Entsprechend gibt es auch sehr viele Ausnahmen und Abweichungen (5).

Die Namen, die im Internet verwendet werden, sind beliebig. Sie stehen aber für technische Adressen, die im Internet-Protokoll festgelegt und in sogenannten Domains organisiert sind, die von der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers in sogenannten DNS (Domain Name Server) verwaltet werden. In diesem Protokoll ist auch festgelegt, dass die Domainadressen quasi kreuz und quer gelesen werden. Die URL "http://www.hyperkommunikation.ch/seminare/wissensmangement/wm_internet.htm" wird protokollgemäss zuerst als HTTP-Adresse erkannt, danach wird "ch" als oberste Domain gelesen, dann "hyperkommunikation" und schliesslich der Computername "www". Danach gilt für den hinteren Teil der Adresse die konventionelle Logik der Computerverzeichnisse.

Dieses zunächst etwas seltsam anmutende Protokoll ermöglicht die "Marke" WWW, respektive dass die Adressen der Internet-Seiten für alle Ländern und alle Organisationen (National and Generic Domains) einheitlich beginnen und so als Adressen des WWW erkennbar sind. Man kann den beschreibenden Aspekt des Protokolls auch als Anweisung dafür nehmen, wie man URL's zu lesen hat.

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Die Browser-Technologie

Das Ziel der ersten Netzwerke (ARPA) war "remote access", also die Fernbedienung eines Computers, der an einem andern Ort steht (6). Die Benutzer dieser Netzwerke benutzten die Netzwerk aber sehr rasch - zweckfremd - zum Austausch von Nachrichten. So ist in kurzer Zeit ist das e-mail entstanden. Etwa 1990 hat Berner-Lee HTML (HyperTextMarkerLanguage) vorgeschlagen, ein Mittel zum formatieren von Texten in sogenannten Browsern. Damit machte er zwei Vorschläge. Zum einen konnte man num auch e-mail-Texte gestalten, wichtiger war aber das Konzept "Hypertext" das namentlich im HTTP-Protokoll und in der Formatierungs"sprache" HTML erscheint. Zum einen konnten damit weiterhin schlanke Dateien, nämlich unformatierten (ASCII-Code)-Text mit Darstellungsbefehlen, übermittelt werden, zum andern kehrte sich sich die Kommunikationsrichtung vom Senden zum Holen. WWW-Dateien speichert jeder bei sich ab, während e-mail imm Speicher des Empfängers abgelegt werden.

Das HTTP-Protokoll legt ein Verfahren fest, nach welchen über URL jedes Dokument im Internet so angesprochen wird, dass eine Kopie davon auf den ansprechenden Computer gesendet wird. Wenn ich also eine Seite "im Internet anschaue", wird diese Seite - wie ein e-mail, das ich aus dem elektrischen Briefkasten hole - auf meinem eigenen Rechner kopiert, wo ich den Text durch den Browser formatiert anschauen kann. Diese Technik ist sehr primitiv, sie hat aber den Vorteil, dass sie auf allen Rechnern einsetzbar ist, gerade weil sie primitiv und schlank ist.

HTTP und HTML setzten sich - vor allem in Form des WWW - explosionartig durch (7). Der damit gesetzte Standard lässt sich nicht leicht aufheben, da auch bereits unglaublich viele Strategien und Hilfsmittel (cgi, perl, asp) entwickelt wurden, die nun den Standard ihrerseits unterstützen. Es gibt mittlerweile sehr viele Werkzeuge, um WWW-Dateien herzustellen (Frontpage, Flahs). Aber alle schreiben schliesslich ganz einfache HTML-Dateien, was man immer auch auf ganz elementare Art mit jedem Textbearbeitungsprogramm auch tun kann. Technologisch bleibt deshalb das WWW für alle, die sich einen PC leisten können - das ist ein sehr kleiner Teil der Menschen - offen, weil Wege gefunden wurden mit diesem primitiven Zustand zu leben. Die immer aufwendigeren Techniken, die von immer weniger Firmen hinter der HTML-Oberfläche betrieben werden, haben keine Einfluss auf die Zugänglichkeit des WWW's. Das WWW kann nur politisch, respektive kriegerisch gestoppt werden.


copyleft

Die HTM-Browser-Technik hat einige Konsequenzen, die wir uns zu Nutze machen. Die Gestaltung aller Internetseiten bleibt auf einem primitiven Niveau und kann problemlos kopiert werden. Alle Seiten können auf andern Servern erneut ins Netz gestellt werden. Vor allem aber können verschiedene Leute von verschiedenen Orten dieselbe Datei verändern und so gemeinsam bearbeiten.

Je nach Perspektive kann man in diesen Vorteilen auch Nachteile sehen. Das WWW war als offener Raum (copyleft) konzipiert worden, was schwer verträglich ist mit dem copyright.


Reflexion des Protokolls

Mich interessiert nicht, was das Internet überhaupt oder wirklich ist, mich interessieren Sichten auf das Internet, die mir mein Handeln - auch jenseits des Internets - bewusst machen. Was ich bewusst mache, mache ich lieber und besser. Das ist der Sinn jeder Reflexion.


Internet als "funktionale" Enzyklopädie

Das HTTP-Protokoll bewirkt, dass per Link Texte durch Texte ersetzt werden. Textersetzungen machen wir natürlich auch jenseits von Internets und Hypertext. Wenn ich beispielsweise in einem Gespräch einen Ausdruck nicht verstehe, frage ich, was der Ausdruck bedeutet. Dann kriege ich als Er-Satz für den nichtverstandenenAusdruch einen Satz, als einen anderen Text. Generalisiert ist dieses Verfahren im Lexikon, wo zu jedem Wort eine Reihe von anderen Wörtern stehen.

Am Anfang jeder Wissenskultur steht die Enzyklopädie. Etwa Speusippos (um 408 v. Chr) bei den Griechen, Diderots und d'Alemberts "Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers" (35 Bde., 1751-80) für die aufgeklärten Wissenschaften, ...

Die Textteile auf Netzwerken wie Internet lassen sich als Elemente einer virtuellen Enzyklopädie auffassen, weil sie durch Suchfunktionen (Indexe, Suchmaschinen) zugänglich und durch gegenseitige Verweise miteinander verbunden sind. Als Enzyklopädie ist das Internet in dem Sinne ein funktionales System (N. Luhmann), als es seine Lexikonfunktion quasi selbst geschaffen hat. Das Internet-Lexikon hat keinen allwissenden, zentralistischen Herausgeber, der wie Diderot entscheiden müsste, was ins Lexikon gehört und was nicht, das Internet-Lexikon organisiert sich selbst, es ist eine autopoietische Enzyklopädie, in welcher die monologische durch eine dialogische Kultur (V. Flusser) ersetzt wird.

Ich kann das Internet als Lexikon betrachten und ich kann es bewusst als Bibliothek verwenden. Dann verwende ich das Internet als Werkzeug für eine Funktion, die viel generelleren Charakter hat. Werkzeuge, die eine sehr verbreitete Tätigkeit unterstützen, sind erfolgreich. Solange Computer (Rechner) zum Rechnen verwendet wurden, brauchte fast niemand einen Computer. Der eigentliche Durchbruch des Computers ist die Textbearbeitung. Solange das Internet (ARPA) zur Steuerung von Comperternetzen verwendet wurde, brauchte fast niemand ein Internet. Der eigentliche Nutzen des Internets ist die Hyper-Kommunikation.


 
 

Anmerkungen

1) Tom Standage hat im "Das Viktorianische Internet" sehr anschaulich beschrieben, wie das Internet die Geschichte des Telegraphen in jeder Hinsicht wiederholt. (zurück)
 
2) Es herrscht die Mär, dass das Internet niemandem gehöre. Das ist, wie wenn man sagen würde, dass der Boden niemandem gehörte. Nachdem das Internet "auf die Welt" gekommen war, stellten sich sofort "Aemter" ein, die die "Rechte" (Benutzungsrecht) des Internets verwalten. Da die amerikanische Regierung die stärkste Armee im Rücken hat, verfügt sie über die entscheidenden Befugnisse, um solche Aemter (mit so viel sagenden Namen wie National Science Foundation) anzuerkennen. Zur Zeit wird das Internet ausschliesslich von der US-Regierung verwaltet, die ihre Vorrangstellung nach wie vor damit ideologisiert, dass das amerikanische Kriegsminsterium (ARPA) die ersten Computernetze finanziert hat. In der Schweiz etwa verwaltet die Switch als Nonprofitgeschellschaft die DNS-Namen zu einem Ansatz vo Fr. 4.- pro Name und Monat. (zurück)
 
3) Computer sind die umsatzeffektivsten Werkzeuge, das Tele(graph)fon ist die mit Abstand grösste Maschine der Welt. Für beide gilt, dass sie als solche produziert werden. Zum Tele(graph)fon gehören Zentralen, Leitungen und Endgeräte, die unter einer einheitlichen Intention produziert wurden. Zwar hat das Telefon den Telegraphen überlagert, aber die dabei eingeführten Endgeräte hatten keinen davon unabhängigen eigenen Sinn, während der PC eine sehr grosse Verbreitung hatte, bevor er ans Internet angeschlossen wurde. (zurück)
 
4) Das Bild des Surfens in der weiten Welt ist leicht überzeichnet, da der Internet-Surfer ziemlich bewegungslos vor dem Bildschirm sitzt. Surfen tun allenfalls die Internet-Seiten, die von der weiten Welt zu ihm nach hause kommen. (zurück)
 
5) Es gab mehrere kommerzielle Versuche, denn Nammen WWW zu ersetzen. Compuserve einer der ersten Internetprovider - mittlerweile von der von Warner aufgekauften AOL aufgekauft - versuchte ein eigenes Netz mit eigenen Namen zu etablieren. Die Homepages der Compuserve-Kunden liegen jetzt noch auf einem Computer, der "ourworld", statt "www" heisst.
Es gab auch nicht kommerziell motivierte Versuche mit anderen Namen. Ein wesentlich stärkeres Protokoll, das viel mehr technische Möglichkeiten bietet, hat als Erkennungszeichen statt "www" beispielsweise den Namen "HyperG" benutzt.
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6) Diese ursprüngliche Funktion ist auch heute noch sehr wichtig, sie wird beispielsweise durch die Software "PC anywhere" ermöglicht. Auch die FTP-Protokolle erfüllen solche Funktionen. Man kann mit FTP-Programmen auf andern Computer Dokumente speichern oder löschen. (zurück)
 
7) Ein vergleichbarer Erfolg war das ebenfalls primitive Betriebssystem MS-DOS von Microsoft. MS-DOS war aber ein Kukusei im Nest von IBM und Intel, die das Ei ausbrüteten und in exklusivem Besitz hielten, wenn auch nicht in ihrem eigenen. Der Erfolg vom MS-DOS ist ein Erfolg von Monopolwirtschaft, der Erfolg der Browsertechnologie ist ökonomisch noch nicht nicht sinnvoll beschreibbar. Es ist ein Einzelfall, der jetzt beispielsweise von Linux praktisch untersucht wird. (zurück)