Lenin: Was tun ?
„Was tun?“ ist eine 1902 erschienene Schrift von Wladimir Iljitsch Lenin. Er begründet darin die Theorie der „Avantgarde des Proletariats“, die innerhalb des Marxismus-Leninismus eine zentrale Stellung einnimmt.
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aus der Wikipedia:
Die Kommunisten als Elite der Arbeiterbewegung Theorie Begründung Die Begründung der Theorie der „Avantgarde des Proletariats“ erfolgt in Kapitel II b) der Schrift „Was tun?“. In der polemischen Auseinandersetzung mit der Redaktion der Zeitschrift „Rabotschaja Mysl“ führt Lenin ein Zitat aus Karl Kautskys Kritik des Parteiprogrammes der österreichischen SDAP als Autoritätsargument an: „Manche unserer revisionistischen Kritiker nehmen an, Marx hätte behauptet, die ökonomische Entwicklung und der Klassenkampf schüfen nicht bloß die Vorbedingungen sozialistischer Produktion, sondern auch direkt die Erkenntnis (hervorgehoben von K. K.) ihrer Notwendigkeit, und da sind die Kritiker gleich fertig mit dem Einwand, daß das Land der höchsten kapitalistischen Entwicklung, England, von allen modernen Ländern am freiesten von dieser Erkenntnis sei. Nach der neuen Fassung könnte man annehmen, daß auch die österreichische Programmkommission den auf diese Weise widerlegten angeblich ‚orthodox-marxistischen‘ Standpunkt teile. Denn es heißt da: ‚Je mehr die Entwicklung des Kapitalismus das Proletariat anschwellen macht, desto mehr wird es gezwungen und befähigt, den Kampf gegen ihn aufzunehmen. Es kommt zum Bewußtsein‘ der Möglichkeit und Notwendigkeit des Sozialismus etc. In diesem Zusammenhang erscheint das sozialistische Bewußtsein als das notwendige direkte Ergebnis des proletarischen Klassenkampfes. Das ist aber falsch. Der Sozialismus als Lehre wurzelt allerdings ebenso in den heutigen ökonomischen Verhältnissen wie der Klassenkampf des Proletariats, entspringt ebenso wie dieser aus dem Kampfe gegen die Massenarmut und das Massenelend, das der Kapitalismus erzeugt; aber beide entstehen nebeneinander, nicht auseinander, und unter verschiedenen Voraussetzungen. Das moderne sozialistische Bewußtsein kann nur erstehen auf Grund tiefer wissenschaftlicher Einsicht. In der Tat bildet die heutige ökonomische Wissenschaft ebenso eine Vorbedingung sozialistischer Produktion wie etwa die heutige Technik, nur kann das Proletariat beim besten Willen die eine ebensowenig schaffen wie die andere; sie entstehen beide aus dem heutigen gesellschaftlichen Prozeß. Der Träger der Wissenschaft ist aber nicht das Proletariat, sondern die bürgerliche Intelligenz (hervorgehoben von K. K.); in einzelnen Mitgliedern dieser Schicht ist denn auch der moderne Sozialismus entstanden und durch sie erst geistig hervorragenden Proletariern mitgeteilt worden, die ihn dann in den Klassenkampf des Proletariats hineintragen, wo die Verhältnisse es gestatten. Das sozialistische Bewußtsein ist also etwas in den Klassenkampf des Proletariats von außen Hineingetragenes, nicht etwas aus ihm urwüchsig Entstandenes. Dem entsprechend sagt auch das alte Hainfelder Programm ganz richtig, daß es zu den Aufgaben der Sozialdemokratie gehöre, das Proletariat mit dem Bewußtsein (hervorgehoben von K. K.) seiner Lage und seiner Aufgabe zu erfüllen. Das wäre nicht notwendig, wenn dies Bewußtsein von selbst aus dem Klassenkampf entspränge. Die neue Fassung hat diesen Satz von dem alten Programm übernommen und dem eben besprochenen angehängt. Dadurch ist aber der Gedankengang völlig zerrissen worden ...“[1] Darauf legt er dieses in seinem Sinne aus: „Kann nun von einer selbständigen, von den Arbeitermassen im Verlauf ihrer Bewegung selbst ausgearbeiteten Ideologie keine Rede sein, so kann die Frage nur so stehen: bürgerliche oder sozialistische Ideologie. Ein Mittelding gibt es hier nicht (denn eine ‚dritte‘ Ideologie hat die Menschheit nicht geschaffen, wie es überhaupt in einer Gesellschaft, die von Klassengegensätzen zerfleischt wird, niemals eine außerhalb der Klassen oder über den Klassen stehende Ideologie geben kann). Darum bedeutet jede Herabminderung der sozialistischen Ideologie, jedes Abschwenken von ihr zugleich eine Stärkung der bürgerlichen Ideologie. Man redet von Spontaneität. Aber die spontane Entwicklung der Arbeiterbewegung führt eben zu ihrer Unterordnung unter die bürgerliche Ideologie, sie verläuft eben nach dem Programm des Credo, denn spontane Arbeiterbewegung ist Trade-Unionismus, ist Nur-Gewerkschaftlerei, Trade-Unionismus aber bedeutet eben ideologische Versklavung der Arbeiter durch die Bourgeoisie. Darum besteht unsere Aufgabe, die Aufgabe der Sozialdemokratie, im Kampf gegen die Spontaneität, sie besteht darin, die Arbeiterbewegung von dem spontanen Streben des Trade-Unionismus, sich unter die Fittiche der Bourgeoisie zu begeben, abzubringen und sie unter die Fittiche der revolutionären Sozialdemokratie zu bringen.“[2] Erläuterung Lenin unterscheidet zwischen bewussten und spontanen Handlungen, wobei unter einer bewussten Handlung eine rational (bzw. wissenschaftlich) begründbare Handlung und unter einer spontanen Handlung eine irrationale, emotional bestimmte oder schlicht „unreflektierte“ Handlung verstanden wird. Die Anweisung zu einer bewussten Handlung im Lenin'schen Sinne kann entsprechend in Form eines hypothetischen Imperatives zum Ausdruck gebracht werden. Er geht Kautsky folgend davon aus, dass die Arbeiterklasse bedingt (determiniert) durch ihre Lebensbedingungen innerhalb des Kapitalismus zwar eine anti-kapitalistische Geisteshaltung annehme, aber ebenso zugleich von politischer Bildung ferngehalten werde. Entsprechend könne sie keine eigene politische Theorie entwickeln, sondern sei auf die Zusammenarbeit mit dem Bildungsbürgertum angewiesen, das aber nicht notwendigerweise die politische Theorie des Sozialismus vertritt. Hierbei neige die Arbeiterklasse spontan dazu, als sog. „Nur-Gewerkschaftlerei“ bezeichnete konservative Positionen anzunehmen, durch die eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Lage möglich seien, die jedoch nicht in der Lage seien den Kapitalismus zu überwinden – oder dies nicht einmal anstrebten – weshalb die Verbesserung immer nur zeitlich begrenzt sei. Dies führe zur ideologisch bedingten Unterordnung der Arbeiterklasse unter das Unternehmertum. Dem müsse eine Avantgarde aus Intellektuellen und theoretisch geschulten Arbeitern als „Elite der Arbeiterbewegung“ entgegenwirken, deren Aufgabe darin bestehe, den Einfluss der „Nur-Gewerkschaftlerei“ sowie konkurrierender politischer Theorien wie dem Reformismus oder dem Sozialliberalismus zurückzudrängen und die Arbeiterbewegung anzuleiten (im Sinne des pädagogischen Begriffes). Praxis Die praktische Umsetzung der Theorie der „Avantgarde des Proletariats“ wurde durch die Parteiorganisation nach dem Prinzip des Demokratischen Zentralismus angestrebt. Dieses Prinzip entwirft Lenin in Kapitel IV der Schrift „Was tun?“, insbesondere unter Punkt e) („Verschwörer“-Organisation und „Demokratismus“).[3] Im Gegensatz zum Aufbau „normaler“ Parteien, in denen die oberen Parteigliederungen von den unteren gewählt wurden, waren alle Gliederungen der SDAPR (B) in hierarchischer Rangfolge dem Zentralkomitee untergeordnet. Hierbei erhielten die oberen Gliederungen die Aufgabe, die unteren Gliederungen anzuleiten und in deren Personalentscheidungen einzugreifen, so dass nur solche Kandidaten für Parteiämter zugelassen werden, die im als notwendig erachteten Maße im Marxismus geschult galten. Das heißt, es wurde eine Form von struktureller Diskriminierung geschaffen, die theoretisch geschulte Parteimitglieder gegenüber ungeschulten bevorzugte und so zur Besetzung der Parteiämter durch eine sozialistische Elite bewirken sollte. Um zu verhindern, dass dieser Vorgang rein subjektiv durch die örtlichen Gliederungen vollzogen wird, sah Lenin in den Kapiteln IV und V die Schaffung einer Parteizeitung und die berufliche Anstellung von Agitatoren („Berufsrevolutionäre“) durch die SDAPR vor, so dass die Allgegenwart der ideologischen Agitation auf allen Ebenen gewährleistet werden könnte.[4] Diese Forderungen konnte er durch die Gründung der Prawda und den Aufbau eines Netzwerks von bezahlten Rednern verwirklichen. Nach der Oktoberrevolution wurde ergänzend ein umfassendes System von Parteischulen und Bildungsangeboten der Jugendverbände der kommunistischen Parteien geschaffen, durch die es ermöglicht werden sollte, die geforderten Kenntnisse zu erlangen und diese auch nachzuweisen. Hierzu wurden Urkunden und Auszeichnungen ausgegeben, die als innerparteiliches Statussymbol die Zugehörigkeit zur „Avantgarde“ bekundeten. In der Folge entwickelten sich die Studien an Parteischulen zum üblichen Karriereweg innerhalb kommunistischer Parteien. Kritik Lenins Position in der Schrift „Was tun?“ bzw. die Theorie der „Avantgarde des Proletariats“ wurde in verschiedener Art und Weise kritisiert. Hierbei werden vorrangig die folgenden Argumente angeführt: Eine übergeordnete Parteigliederung könne die unteren Gliederungen nur dann im Lenin'schen Sinne anleiten, wenn deren Vorstand tatsächlich über eine höhere Sachkompetenz verfügt, was nicht immer der Fall sei. Das historische Beispiel des Stalinismus zeige, dass das Prinzip des Demokratischen Zentralismus dazu umfunktioniert werden kann, dass nicht die nach ideologischen Kriterien geeignetsten, sondern die gegenüber dem Vorsitzenden der Partei gehorsamsten Kandidaten in die Parteiämter eingesetzt werden. Die Parteischulen arbeiteten nicht unabhängig-kritisch, sondern rein subjektiv in Anlehnung an die Position des Zentralkomitees (vgl. „Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU“). Entsprechend bewirke das System der Parteischulen keine tatsächliche Höherqualifikation ihrer Absolventen, sondern deren Indoktrination und Radikalisierung. Unter den Bedingungen einer totalitären Diktatur sei ein objektiver wissenschaftlicher Diskurs unmöglich, womit die Grundlage, nach der die Avantgarde geschult werden soll, gar nicht bestehe. Dies erfordere vielmehr die Bedingungen einer „offenen Gesellschaft“ im Sinne Karl Poppers. Der Gedanke einer Elite und insbesondere die strukturelle Diskriminierung ungeschulter Parteimitglieder in einer „Partei neuen Typs“ sei prinzipiell antidemokratisch und daher abzulehnen. |