Konersmann, Ralf: Die Unruhe der Welt“, S. Fischer, Frankfurt a.M. 4. Aufl. 2015
In Einleitung:
„Aufklärung heute heißt demjenigen nachzuforschen, was oft gesagt und tausendmal wiederholt worden ist, ohne jemals begründet worden zu sein – Überzeugungen, Erwartungen und Behauptungen, die nicht deshalb Bestand haben, weil sie in einem rationalen Verständnis dieses Wortes wahr wären, sondern weil sie den Zeitgenossen unbestreitbar erscheinen. Mein Thema ist das stillschweigende, das implizite Wissen, das dem expliziten, dem ausformulierten Wissen vorgreift und es unbewusst konturiert – jenes tief eingewurzelte Immerschonverstandenhaben, das mit unseren Lebensäußerungen verschmolzen ist und über kulturelle Zugehörigkeiten entscheidet. Die primäre, die kulturelle Aufgabe heutiger Aufklärung besteht in der Verdeutlichung dieser blindlings übernommenen Grundsätze und Direktiven: in der Verdeutlichung dessen, woran selbst die Ungläubigen glauben. Sie ist also, genau gesehen, Selbstaufklärung. Der Anspruch einer solchen Vergewisserung zielt weniger auf die Richtigstellung des vermeintlich Abwegigen oder Falschen als auf die Ermittlung dessen, wer wir, indem wir diese oder jene Überzeugung ohne weiteres teilen, gemeinsam sind – wer also wir selber sind, die wir durch unsere besondere, unsere eigene Art des Sprechens, des Denkens und Verhaltens für uns selbst und für andere sichtbar werden.“
Dialog
Darin erkenne ich eine sehr genaue Charakterisierung der Motivation zu jenem Dialog, in welchem ich mir – dia logos – bewusst mache, wer ich selber bin, was ich durch meine besondere, meine eigene Art des Sprechens, des Denkens und Verhaltens für mich selbst und für andere sichtbar mache.