Klaus, G./Buhr, M.: Philosophisches Wörterbuch
"Das Philosophische Wörterbuch ist der Name des von Georg Klaus und Manfred Buhr 1964 bis 1987 herausgegebenen, zunächst einbändigen, ab 1970 stark erweiterten zweibändigen Wörterbuchs, das im Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig erschien und zu einem der bedeutendsten Wörterbüchern der marxistischen Philosophie zählt. Das Wörterbuch hatte bis 1975 eine Auflage von über 320.000 Exemplaren. Aufgrund seiner Popularität erschien es auch in der BRD im Rowohlt Verlag, hier in drei Bänden und unter dem Titel: Marxistisch-Leninistisches Wörterbuch der Philosophie. Seit den 1970er Jahren gilt es auch bei westdeutschen Philosophiestudenten als Standardwerk." (ich weiss nicht mehr, wo das so steht :-)
Georg Klaus, Manfred Buhr (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut, 1964.
Georg Klaus, Manfred Buhr (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 1: A bis Konditionalitätsprinzip. Bd. 2: Konflikt bis Zyklentheorie. 8. Aufl. Lizenzausgabe für Westeuropa. Das Europäische Buch, Berlin 1972. [11. Aufl. 1975]
Georg Klaus und Manfred Buhr (Hrsg.): Marxistisch-Leninistisches Wörterbuch der Philosophie, Rowohlt, Hamburg 1972, ISBN 3-499-16155-9
Georg Klaus, Manfred Buhr (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut. 12. Aufl. 1976.
Georg Klaus und Manfred Buhr (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch, Band 1-2. Westberlin: deb: Verlag das europäische buch, 1985. 13. Aufl. als fotomechan Nachdr. d. 12. durchges. Aufl.(Copyright 1976 Bibliographisches Institut Leipzig). ISBN: 3-88436-144-9.
Eintrag zu Widerspiegelung
Kritik
Von G. Klaus gibt es auch: Wörterbuch der Kybernetik
das Verhältnis zwischen den beiden Büchern ist mir nicht klar. Im Philosophischen Wörterbuch spielt die Kybernetik eine wichtige Rolle. Ein längeres Zitat aus Das Philosophische Wörterbuch BAND 2 hrg. von Georg Klaus & Manfred Buhr:
"Kybernetik [griech] - Wissenschaft von den allgemeinen wesentlichen Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten der Regelung und der Informationsverarbeitung in dynamischen Systemen sowie dieser Systeme selbst.
Die drei bestimmenden grundlegenden Komponenten eines solchen kybernetischen Systems, die sich wechselseitig durchdringen, sind das System als Träger der Prozesse, die Information und die Regelung. Dementsprechend untersucht die Kybernetik zunächst nur solche Systeme, in denen Regelung (d.h. mindestens eine Rückkopplung) vorliegt, wobei die Informationsverarbeitung als funktioneller Bestandteil der Regelung auftritt. Obwohl damit der Prototyp kybernetischer Prozesse erfaßt ist, erweist es sich als notwendig, die Prozesse der offenen ->• Steuerung, der übrigen, nicht notwendig mit Regelung verknüpften Informationsprozsse aller Art und auch die allgemeineren Typen von dynamischen komplexen Systemen, die nicht insbesondere Informationsverarbeitung, Steuerung oder Regelung enthalten, in den Gegenstand der Kybernetik einzubeziehen.
Die Aspekte Informationsverarbeitung und System besitzen nämlich zugleich gegenüber dem Regelungsaspekt auch eine selbständige, allgemeinere Bedeutung. Ihnen entsprechen objektiv noch allgemeinere Informationsprozesse bzw. Systemeigenschaften als nur die, die im Zusammenhang mit Regelung vorliegen. Deshalb entwickeln sich die entsprechenden Wissenschaften, d.h. die Informationstheorie und die Systemtheorie, zu selbständigen, allgemeinen Disziplinen, die nur noch insoweit Teil der Kybernetik im obengenannten Sinne bleiben, als ihre Erkenntnisse zugleich grundlegende und wesentliche Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten insbesondere auch der Regelungssysteme widerspiegeln. So hat die Informationstheorie alle Prozesse der Aufnahme, Speicherung, Verarbeitung usw. von Informationen zum Gegenstand, die auch in Systemen ohne Rückkopplung, insbesondere bei offener Steuerung, vorliegen bzw. die unabhängig von ihrer Verbindung mit offenen Steuerungs- oder Regelungsprozessen isoliert und speziell erforscht werden können. Auch die Systemtheorie entwickelt sich zu einer gegenüber der Kybernetik allgemeineren, relativ selbständigen Wissenschaft. Sie ist insofern Teildisziplin der Kybernetik, als sie zur allgemeinen Begründung der Theorie der kybernetischen, d.h. selbstregelnden Systeme wesentlich ist; zugleich erfaßt sie in ihrem Gegenstand darüber hinaus alle anderen komplexen dynamischen Systeme, jedoch ebenfalls immer unter dem charakteristischen Gesichtspunkt der Abstraktion von den spezifischen stofflich-energetischen Besonderheiten des Substrats der Elemente des Systems und damit zugleich der stofflich-energetischen Seite ihrer Zustände und Wechselwirkungen. Die Kybernetik untersucht also entsprechend der oben angegebenen Definition ihres Gegenstandes dem Umfang nach die gleiche Klasse von komplexen dynamischen Systemen wie die (allgemeine, nicht nur technische) Regelungstheorie, die jedoch inhaltlich nur einen, nämlich den Regelungsaspekt dieser Systeme und nicht zugleich die beiden anderen Aspekte widerspiegelt. Dagegen ist die Klasse der informationsverarbeitenden Systeme (als Gegenstand der Informationstheorie) umfassender, enthält insbesondere die der Regelungssysteme als spezielle Teilklasse und ist selbst wieder nur eine Teilklasse der Systeme überhaupt (Schema, S. 641). Alle genannten Einzeltheorien sind durch ihre Abstraktionsweise verwandt. Deshalb ist es zweckmäßig, sie zusammen mit einer Reihe ähnlicher spezifischer Theorien, die ebenfalls bestimmte Seiten komplexer dynamischer Systeme (insbesondere informationsverarbeitender und Steuerungssysteme) widerspiegeln, in einer Gruppe, der der sog. «kybernetischen Wissenschaften», begrifflich zusammenzufassen, zu der dann vor allem die allgemeine Systemtheorie, die Informationstheorie, die Regelungstheorie, ferner die Algorithmentheorie, Spieltheorie, Theorie der abstrakten Automaten, Theorie der Nervennetze, Theorie der Steuerungsprozesse u. a. gehören. Ausgehend von diesem Umstand ist es möglich, mit folgender erweiterter Definition zu arbeiten:
Kybernetik (im weiteren Sinne) sind die Wissenschaften von den allgemeinen wesentlichen Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten der komplexen dynamischen Systeme, der Informationsprozesse, der Steuerung und der Regelung. Da in der wissenschaftlichen Forschung und in der gesellschaftlichen Praxis die kybernetischen selbstregelnden Systeme mit ihrer Einheit von System-, Informations-, Steuerungs- bzw. Regelungsaspekt die weitaus wichtigste Rolle spielen und alle Teildisziplinen der Kybernetik im weiteren Sinne in die Erforschung dieser speziellen Systeme einmünden, ist die einleitend gegebene Definition der Kybernetik nach wie vor bestimmende Grundlage.
Die Gesetzmäßigkeiten, die die Kybernetik untersucht, unterscheiden sich in einer Beziehung prinzipiell gegenüber denen der Wissenschaften von der Natur, der Gesellschaft oder dem Bewußtsein, wie es z.B. Biologie, politische Ökonomie bzw. Psychologie sind. Theoretisch-philosophischer Ausgangspunkt für die Erklärung dieses selbständigen Typs von Gesetzmäßigkeiten ist die durch den dialektischen Materialismus verallgemeinerte und ausgearbeitete, von der Kybernetik erstmalig speziell erfaßte Unterscheidung zwischen dem stofflich-energetischen und dem System- oder Organisationsaspekt der Materie, wobei die Kategorie der Organisation eines Systems eng mit der der Information als Negentropie zusammenhängt. Beide Aspekte bilden eine dialektische Einheit: jedes reale System ist realisiert und determiniert durch eine bestimmte stoffliche und energetische Natur seiner Elemente und deren Wechselwirkungen, die einer der Bewegungsformen der Materie zugeordnet werden können; jedes stofflich-energetische Objekt ist andererseits zugleich ein System, für das die dem System- und Informationsaspekt entsprechenden allgemeinen materiellen (nicht stoff-spezifischen) Gesetzmäßigkeiten gelten. Diese letzteren sind also nicht an eine einzelne, bestimmte, spezielle Form des stofflich-energetischen Aspekts der Materie gebunden. Sie bestimmen solche Strukturen, Funktionen und Verhaltensweisen, deren Erklärung sich nicht auf die physikalischen Kategorien der stofflichen Seite der Materie reduzieren läßt. So tritt z.B. der Regelkreis als die elementare Grundform eines kybernetischen Systems mit seiner informationellen Dynamik (Informationsaufnahme, -Verarbeitung usw. im Regler; Funktion der Rückkopplung, Steuerungsfunktion gegenüber der Regelstrecke usw.) in dieser Determiniertheit als ein und dieselbe Struktur und Dynamik im lebenden Organismus, im technischen Automaten, in der Funktionsweise des Gehirns (bzw. Nervensystems) als auch in gesellschaftlichen Prozessen auf.
Die Abstraktionsweise der Kybernetik geht also im Gegensatz zur Physik, Biologie, politischen Ökonomie usw. - so vor, daß sie von den spezifischen Eigenschaften (und damit Unterschieden) des stofflichen Substrats der Systeme und Prozesse absieht und jenes Allgemeine herausarbeitet, das dem System- und Informationsaspekt entspricht. Für sie sind deshalb solche Kategorien wie Masse, Energie, Atom, Molekül, Reiz, Fortpflanzung, Arbeit, Ware, Vorstellung, Begriff usw. nicht relevant, sondern sie arbeitet mit den Kategorien System, Element, Verhalten, Struktur, Funktion, Information, Signal, Rückkopplung, Stabilität, Algorithmus, Programm, Speicher, Störung, Strategie, Ergodizität usw. So wie jedoch die stofflich-energetisch orientierten Einzelwissenschaften nicht ohne Bezug auf die System- und Struktureigenschaften auskommen, so auch die Kybernetik nicht ohne Beziehung zum Physischen als Stoff oder Feld. Die Kategorie Signal z.B. ist eine Brücke der Kybernetik zum stofflich-energetischen Aspekt der Materie, eine andere ähnliche Verknüpfung besteht in der Dialektik von Organisation und Entropie in Systemen, durch die die Kategorien Information und Energie in einer Weise in Beziehung gebracht werden, die über die rein physikalische oder rein kybernetische Fragestellung hinausgeht. Die Kybernetik erfaßt also allgemeine, einheitliche, bestimmte Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten solcher konkreten, objektiv-realen bzw. wirklichen Systeme (einschließlich der ideellen Prozesse des menschlichen Bewußtseins), die nach ihren stofflich-energetischen Aspekten bzw. Grundlagen zugleich Gegenstand anderer, unterschiedlicher, spezifischer Natur- oder Gesellschaftswissenschaften sind, darunter vor allem auch solcher wie Psychologie, Sprachwissenschaft, Pädagogik usw., die als Bewußtseinswissenschaften bezeichnet werden könnten. Sie hat im Vergleich mit ihnen Querschnittscharakter, d.h.: Obwohl sich ihr Gegenstand vor allem im äußeren Vergleich der Gegenstände verschiedener Einzel Wissenschaften (z.B. Neurophysiologie und technisch-elektronische informationsverarbeitende Systeme) aufdecken läßt, liegt er nicht an der Grenze bzw. zwischen solchen Einzelbereichen, sondern ist in jedem von ihnen durchweg enthalten, und zwar als ein kybernetisch Allgemeines gegenüber dem stofflich-energetisch jeweils Besonderen.
Die Kybernetik ist als Wissenschaft ebenso eine Widerspiegelung objektiv-realer Gegenstände wie jede andere Wissenschaft und muß wie jede von ihnen von bestimmten konkreten, spezifischen Seiten ihres Gegenstandes mehr oder weniger stark abstrahieren. Insbesondere in der Systemtheorie ist der Grad der Abstraktion erheblich und führt an den der Mathematik oder Logik heran. Jedoch ist die Kybernetik gegenüber der Mathematik genauso eine selbständige Wissenschaft wie gegenüber Logik und Philosophie. Sie unterliegt in starkem Maße der mathematischen Darstellung. Solche mathematischen Methoden und Disziplinen, die ihrem Gegenstand adäquat sind, werden in ihr systematisch angewandt und sind eine ihrer theoretischen Grundlagen (z.B. Algebra, Theorie der Halbgruppen für die Theorie der Automaten, Wahrscheinlichkeitstheorie für die Informationstheorie); neue mathematische Richtungen werden durch sie angeregt. Wie in jeder Wissenschaft, werden in der Kybernetik ihre Kategorien und Gesetze, die die wesentlichen Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten ihres objektiven Gegenstandes widerspiegeln, zu einem System von Aussagen zusammengefaßt und als Theorie formuliert. Zugleich gibt es dem Gegenstand entsprechende Methoden der Kybernetik. Das muß als objektiv begründeter Ausgangspunkt vorausgesetzt werden, wenn man die methodologische Funktion der Kybernetik (Methodologie) gegenüber anderen Wissenschaften und der gesellschaftlichen Praxis auch als «kybernetische Denkweise» charakterisieren will, die dann also nicht etwa als nur subjektiv motivierte, unverbindliche Denkhaltung, sondern als mehr oder weniger bewußte und systematische Anwendung der kybernetischen Theorie und Methode im konkreten Fachgebiet oder Praxisbereich zu verstehen ist.
Aus dem Charakter als Querschnittswissenschaft und der spezifischen Abstraktionsweise der Kybernetik ergibt sich ihr Verhältnis als allgemeiner Theorie zu den unterschiedlichen spezifischen Erscheinungsformen und Wirkungsweisen ihrer Gesetzmäßigkeiten in den qualitativ verschiedenen Einzelbereichen der Wirklichkeit (Lebens-, Be-wußtseins- und Gesellschaftsprozesse sowie technische Systeme), den entsprechenden Einzelwissenschaften und insgesamt ihre Stellung im System der Wissenschaften: Alle objektiv gegebenen kybernetischen Prozesse werden im Rahmen einer der an den Bewegungsformen der Materie orientierten Einzelwissenschaften zunächst als stoffiich-energetisch konkreter biologischer, physiologischer, ökonomischer, soziologischer, psychologischer oder technischer usw. Prozeß untersucht, jedoch jetzt im Hinblick auf die Herausarbeitung der Steuerungs- bzw. Regelungs-, Informations- und Systemgesetzmäßigkeiten im konkreten Objekt. Die Kybernetik entsteht als Verallgemeinerung aus diesen verschiedenen kybernetisch-einzelwissen-schaftlichen Forschungen. Zugleich sind diese selbst andererseits, von der Kybernetik als allgemeiner Querschnittswissenschaft ausgehend, als Anwendung und Konkretisierung der Kategorien und Gesetzmäßigkeiten der Kybernetik auf den Einzelbereich bzw. in dieser Einzelwissenschaft aufzufassen. Der Dialektik von kybernetisch relevantem System- bzw. Informationsaspekt einerseits und dem für die bisherige Entwicklung der Einzelwissenschaften vorrangigen stofflichenergetischen Aspekt ihres Gegenstandes andererseits als philosophischem Problem muß also (zumeist zunächst der Form nach als kybernetische Forschungsrichtung) in jeder dieser Einzelwissenschaften in spezifischer Weise Rechnung getragen werden. So entwickeln sich mit der Kybernetik vor allem folgende relativ unterschiedliche, abgegrenzte Fachdisziplinen, die die spezifische Erscheinungsform und Wirkungsweise der kybernetischen Gesetzmäßigkeiten in einem konkreten Gegenstandsbereich bestimmter Natur-, Gesellschafts-, Technik- oder Bewußtseinswissenschaften in ihrer jeweils komplexen Einheit von Regelungs-, Informations- und Systemaspekt untersuchen: Biokybernetik (Biologie), Neurokybernetik (Physiologie), ökonomische Kybernetik (politische Ökonomie), Organisations- und Leitungskybernetik (marxistisch-leninistische Organisationswissenschaft, sozialistische Wirtschaftsführung u.a.), Psychokybernetik (Psychologie), technische Kybernetik (technische Regelungs- und Steuerungstheorie, Nachrichtentechnik, Datenverarbeitung, Bionik u.a.m.), weiter kybernetische Forschungsgebiete in der Linguistik, Pädagogik, Soziologie, Militärwissenschaft, Staats- und Rechtswissenschaft sowie im Rahmen philosophischer Wissenschaften, wie historischer Materialismus, Erkenntnistheorie, Ästhetik und Ethik. Von dieser Verflechtung mit einer Vielzahl von Wissenschaften unter ihrem einheitlichen Gesichtspunkt ausgehend, hat die Kybernetik auf der Grundlage des dialektischen Materialismus eine wichtige integrierende Funktion in der Wissenschaftsentwicklung übernommen. Für viele Einzelwissenschaften, wie z. B. Medizin, politische Ökonomie und Psychologie, ist sie zugleich ein wichtiges methodologisches Instrument zum jetzt systematischen Übergang zur theoretischen Anwendung der Mathematik (auch hinsichtlich der nichtkybernetischen Seiten des Gegenstandes) und dem Einsatz der EDV-Technik in der wissenschaftlichen Forschung.
In ihrer Stellung im System der Wissenschaften ist folglich die Kybernetik weder allein den Natur- noch den Gesellschafts-, den Bewußtseins- oder den technischen Wissenschaften zuzuordnen. Dieses Gliederungsmerkmal, das vom System der Bewegungsformen der Materie ausgeht, erweist sich als für die Kybernetik nicht zutreffend und ist damit für die Klassifizierung aller Wissenschaftstypen nicht mehr hinreichend. Abgesehen von der Philosophie, der gegenüber alle anderen Wissenschaften - in etwas anderem Sinne als z. B. bei den Naturwissenschaften auch die Kybernetik und Mathematik - Einzelwissenschaften sind, ergeben sich folgende Hauptklassen von Wissenschaften als nebengeordnet: I. Mathematik, Logik; II. Kybernetik (einschließlich System-, Informations-, Regelungs-, Algorithmen theorie usw.); III. Natur-, Gesellschafts- oder Bewußtseinswissenschaften; IV. technische Wissenschaften. Sie unterscheiden sich jeweils nach Charakter und Typ der Wissenschaft, wenn auch inhaltlich im einzelnen Wechselbeziehungen auftreten, wie z. B. die kybernetischen Forschungen in III. (z.B. Biokybernetik), wie die Wirkung von Naturgesetzen in der Technik. Dies ist jedoch dem jeweils abgrenzenden Hauptgesichtspunkt dieser Gliederung untergeordnet.
Der systematische Aufbau der Kybernetik als Wissenschaft, insbesondere ihrer Kategorien, Gesetzmäßigkeiten, Theorien und Methoden, kann heute vorerst nur in allgemeinen Zügen festgestellt werden; denn sie ist - gemessen an dem Umfang ihres Gegenstandes und ihrer prinzipiellen Bedeutung für das wissenschaftliche Weltbild - eine noch junge, sich rasch entfaltende und sich als Gesamtgebiet erst formierende, sehr komplexe Wissenschaft.
Ihre Gesetzmäßigkeiten und Kategorien sind zwar gegenüber den verschiedensten Natur-, Gesellschafts-, Bewußtseinsprozessen und technischen Systemen im Rahmen des System- und Informationsaspekts (bzw. der Steuerungsprozesse in den entwickelten Formen der Materie) allgemeingültig und einheitlich, sind aber spezifischer als jene, die zur Philosophie gehören. Wenn man von der erweiterten Definition der Kybernetik als Wissenschaft sowohl der komplexen dynamischen Systeme überhaupt als auch der Informationsprozesse und der Steuerung in speziellen Systemen ausgeht, so ist zugleich zu beachten, daß die System- und Informationstheorie als Teil der kybernetischen Wissenschaften zwar gegenüber den selbstregelnden Systemen auch wesentlich allgemeinere Typen von Systemen untersuchen (z.B. logische Netze, sog. «große Systeme») bzw. an allgemeinere Probleme der Information herankommen (z. B. Information und Selbstorganisation, Informationsmaß, Verhältnis von Information und Entropie, Information als Maß der Organisation), jedoch noch nicht die allgemeinste Abstraktionsstufe der Kategorien System bzw. Information als Aspekt der Organisation dynamischer Systeme enthalten, die erst im dialektischen Materialismus erreicht wird. System und Organisation sind demnach zunächst philosophische Kategorien, weil sie allgemeinste Eigenschaften jeder Materie widerspiegeln, während die Kategorien der kybernetischen Theorie der Steuerung und Regelung nur für bestimmte Bewegungsformen der Materie zutreffen.
Das System der Grundbegriffe der Kybernetik ergibt sich in erster Näherung aus ihrer Zuordnung zu den Aspekten eines kybernetischen Systems, wobei zunächst die seiner Definition zugrunde liegenden drei Hauptkomponenten zu nennen sind: Kategorien des Regelungs- bzw. Steuerungsaspekts: z.B. Steuerung, Regelung, Rückkopplung, Regelkreis, Führungsgröße, Vermaschung bzw. Hierarchie von Regelkreisen. Kategorien des Informationsaspekts: z.B. Informationsaufnahme, -speicherung, -Verarbeitung, Signal, Code, Redundanz, Informationsgehalt. Kategorien des Systemaspekts: z.B. Input-Output, Verhalten, Stabilität-Störung, ultrastabiles bzw. multistabiles System, Transformation, Strukturmatrix.
Hinzu kommen solche Gruppen, die weiteren Aspekten der kybernetischen Systeme entsprechen. Sie bauen auf den vorgenannten auf, enthalten jedoch relativ eigenständige Probleme: Kategorien der Strategie und Taktik des Verhaltens: z. B. strategisches Spiel, Umwelt (als Gegenspieler), Gewinn, reine oder gemischte Strategie. Kategorien der Algorithmierung und Programmierung der Informationsverarbeitung: z. B. Algorithmus der Steuerung, Operation, Adresse, Befehl, Sprungbefehl, logische Funktionen, Programm, Unterprogramm, Iteration. Den bereits genannten Aspekten entspricht das System von Teildisziplinen der Kybernetik, die als Theorien entsprechende Gesetzmäßigkeiten bestimmter Seiten der kybernetischen Prozesse untersuchen: Die kybernetische Systemtheorie, die Informationstheorie, die Steuerungstheorie, die Regelungstheorie, die Spieltheorie, die Algorithmentheorie und Theorie der Programmierung. Eine ganze Reihe von Kategorien lassen sich jedoch nicht eindeutig nur einem der Aspekte zuordnen, weil sie kybernetisches Systemverhalten und dem zugrunde liegende komplexe Prozesse der Informationsverarbeitung betreffen, die nur in der qualitativen Synthese mehrerer Aspekte erklärt werden können, z. B. lernendes System, inneres Modell der Außenwelt, Gestalterkennung, Versuch-Irrtum-Verhalten, Anpassung, Selbstorganisation u. a. Zu der weiteren Entwicklung der Kybernetik muß bei der Darstellung der Kategorien, Gesetzmäßigkeiten und Theorien die methodisch notwendige, aber relativ äußerliche Gegenüberstellung einzelner ihrer Aspekte durch die synthetische Darstellung des kybernetischen Prozesses bzw. Systems in der Einheit und Totalität seiner Aspekte ergänzt werden. Dem Inhalt und Charakter der Kybernetik entsprechend, entwickelt sie eigene, spezifische Methoden zur Beherrschung ihres Gegenstandes, wie die Methode der Black-box-Analyse oder der Blockschaltungsdarstellung komplexer Systeme. Sie setzt vor allem die Modellmethode in spezifischer Weise ein, wobei die Analogie zwischen biologischen, psychologischen und gesellschaftlichen Prozessen hinsichtlich ihrer kybernetischen Natur genutzt wird und durch die Konstruktion analoger technisch-kybernetischer Modelle allgemeine kybernetische Gesetzmäßigkeiten gegenüber ihren Erscheinungsformen in den Einzelbereichen isoliert, objektiviert und meßbar dargestellt werden können (z. B. kybernetische Schildkröten als Modelle für Reflexverhalten, Homöostat von W. Ross Ashby zur Darstellung des Prinzips der Ultrastabilität). Noch bedeutsamer ist die Ausarbeitung theoretischer kybernetischer Modelle der spezifischen, realen Einzelprozesse mit dem Zweck, den System-, Informations- oder Regelungsaspekt der Objekte von der jeweiligen konkreten stofflich-energetischen Daseinsweise abheben und mathematisch-logisch idealisiert systematisch untersuchen zu können. Die Kybernetik als prinzipiell neuer, grundlegender Bestandteil des wissenschaftlichen Weltbildes entstand mit der Entdeckung der Existenz von sowohl im Organismus als auch in der Maschine, in Gehirn und Automaten gleichermaßen gültigen, gemeinsamen und als solche relativ eigenständigen Gesetzmäßigkeiten der Steuerung, insbesondere der Regelung und Informationsverarbeitung (bei N. Wiener als «control and communication in the animal and the machine» bezeichnet). Obwohl praktisch bereits früher kybernetische Mechanismen vom Menschen erfunden und angewandt wurden (z. B. Fliehkraftregler der Dampfmaschine, Entwicklung der Nachrichtentechnik im 19. und 20. Jahrhundert als Informationsübertragung), wurden diese zunächst nicht als Erscheinungsform der gegenüber konkreten stofflich-energetischen Bauelementen allgemeinen Regelungs- und Informationsgesetzmäßigkeiten bewußt erkannt. Die von Anfang an objektiv existierende höchstentwickelte Form kybernetischer Prozesse war die Funktionsweise des menschlichen Gehirns und des übrigen Nervensystems; das zu entdecken, hätte dem Wesen nach eine Teilselbsterkenntnis für den Menschen und sein Denken bedeutet. Die dabei der objektiven Analyse nächstliegende, einfachste, relativ isolierte Form psychisch-kybernetischer Funktionen des Gehirns lag seit der industriellen Revolution in der Bedienung der entwickelten Maschine durch den Menschen als Regler vor (technische Revolution). Die bewußte Entdeckung der kybernetischen Gesetzmäßigkeiten wurde demnach gesellschaftlich erst notwendig und möglich, als diese Regelungsfunktion des Menschen im Maschinensystem (Mensch-Maschine-System) künstlichen, technischen Einrichtungen konstruktiv übertragen werden mußte, d. h. die bewußte Anwendung einer neuen Wissenschaft der Steuerung und Informationsverarbeitung als unmittelbarer Produktivkraft zur Konstruktion dieser funktioneil neuen Stufe der Technik historisch gesehen notwendig wurde. Konkreter Anlaß dazu war Anfang der vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts der Zwang zur Automatisierung der Regelungsoperationen des Menschen z. B. bei der Bedienung von Waffensystemen der Flugabwehr und der Steuerung der Rechentätigkeit der ersten Relais- und Elektronenrechenautomaten - in beiden Fällen, weil die Steuerungs- und Informationsverarbeitungsfähigkeit des Menschen sowohl nach Reaktionsgeschwindigkeit als auch Aufnahme- und Verarbeitungskapazität für Rückkopplungsinformationen (bzw. Zwischenergebnisse) um ganze Größenordnungen hinter den Erfordernissen der Praxis zurückblieb. Das damit objektiv gegebene teilweise Heraustreten des Menschen aus dem geschlossenen Regelkreis Maschine-Mensch durch Automatisierung der unmittelbaren, einfachsten Stufe der kybernetischen Steuerung der Arbeitsoperationen war also Voraussetzung und zugleich Ursache für die Entdeckung der Allgemeingültigkeit der Gesetzmäßigkeiten von Steuerungs- und Informationsprozessen zunächst im Menschen und im Automaten. Hinsichtlich der kybernetischen Analyse der übrigen, der psychologisch-biologischen, gesellschaftlichen und Bewußtseinsprozesse, war damit der Ausgangspunkt gegeben. Eine entscheidende subjektive Bedingung für die rasche, bewußte Herausarbeitung der Kybernetik als grundlegend neuer Wissenschaft war das direkte Zusammenwirken von Mathematikern, Technikern verschiedener Richtungen, Physiologen und Logikern sowohl in experimentellen Untersuchungen (z. B. der Neurophysiologie, der elektronischen Technik) als auch bei der theoretischen Verallgemeinerung mit Mitteln der Mathematik.
Die große gesellschaftliche Bedeutung der Kybernetik ergibt sich zunächst direkt aus dem Nutzen ihrer praktischen Anwendung in der Entwicklung der Technik (Meß-, Steuerungs-, Regelungs-, Datenverarbeitungstechnik, übrige Automatisierungstechnik; Rückwirkungen auf Gerätetechnik, Maschinen- und Anlagenbau hinsichtlich Steuerung und Informationsverarbeitung auf hohem Niveau; Entwicklung kybernetischer Technik im Militärwesen, in der Medizin, für Forschung, Berechnung und Dokumentation, für Kommunikationsprozesse, in der Konstruktionstätigkeit und für Unterrichtsprozesse). Im Endergebnis mindestens ebenso wichtig wird in wachsendem Maße ihre Anwendung als Beitrag zur theoretischen Beherrschung von Arbeitsprozessen (z. B. im Arbeitsstudium, Ingenieurpsychologie) und vor allem von Leitungsprozessen in Staat und Wirtschaft, die in dieser Hinsicht eine konkrete Erscheinungsform der Steuerung, Regelung und Informationsverarbeitung mit ihren Gesetzmäßigkeiten sind. Großen Einfluß nimmt die Kybernetik auf die weitere Entwicklung vor allem der Biologie, Medizin, Pädagogik, Erkenntnistheorie, Psychologie und Sprachwissenschaft. Gerade für die exakte Erforschung der verschiedenen Arten von Bewußtseinsprozessen liefert sie theoretische Grundlagen, die in Verbindung mit mathematischen Methoden eine rasche Entwicklung der Forschungen auslösten. Für den dialektischen und historischen Materialismus ergeben sich aus der Entstehung und Entwicklung sowohl vieler kybernetisch-einzelwissenschaftlicher Forschungen als auch der Kybernetik selbst umfangreiche und grundlegende Verallgemeinerungen, die zur Bestätigung und zum Teil Weiterentwicklung eines erheblichen Teiles der philosophischen Kategorien und Gesetzmäßigkeiten führen und weitere Argumente gegenüber dem philosophischen Idealismus darstellen. Um nur die wichtigsten zu nennen, sei auf folgende philosophische Thesen bzw. Probleme verwiesen, deren Entstehung oder Vertiefung durch kybernetische Erkenntnisse veranlaßt wurde: Die Kybernetik liefert einzelwissenschaftliche Bestätigungen und konkrete Erklärungen für den System- und Organisationsaspekt der Materie, unterstreicht damit die dialektische Natur ihrer Eigenschaften, die eine Reduzierung auf den Stoff als Substrat ausschließt. Die Entstehung und Entwicklung hochkomplexer Prozesse, wie die des Lebens und des Denkens, ist durch Einbeziehung des Regelungs- und Informationsaspekts wesentlich umfassender erklärt als bisher: Funktionen wie Zielstrebigkeit, Zweckmäßigkeit, Anpassung, Lernen, Vererbung (Reproduktion) und psychische Funktionen werden einer rationalen Analyse als Rückkopplungs- und Informationsprozesse unterworfen. Damit sind wichtige traditionelle Argumente der idealistischen Schöpfungstheorien widerlegt und ist eine konkretere Darstellung der materiellen Einheit der Welt als bisher möglich. Im Mittelpunkt steht dabei die dialektisch-materialistische Ausarbeitung der Kategorien System, Information und Rückkopplung. Die Regelungsprozesse erweisen sich als konkrete Erscheinungsform der Dialektik von System-Umwelt, Inneres-Äußeres, Stabilität-Störung, Notwendigkeit-Zufall usw.
Die Schöpfung kybernetisch-technischer Automaten durch den Menschen, die komplizierte Steuerungs- und Informationsverarbeitung in Analogie zu bestimmten Arbeits- und Bewußtseinsfunktionen des menschlichen Gehirns, des Nervensystems und der Sinnesorgane durchführen, wirft weltanschauliche Probleme auf bezüglich der Grenzen der kybernetischen Interpretation von Bewußtseins-, Gesellschafts- und Lebensprozessen. Der Einsatz der kybernetischen Technik bei der Durchführung der wissenschaftlich-technischen Revolution löste eine Vielzahl sozialer und ökonomischer Folgen aus, die sich im Sozialismus grundlegend von denen im Kapitalismus unterscheiden.
Die Ausarbeitung und Entwicklung der Systemtheorie bereichert solche Kategorien wie System, Element, Relation, Struktur, Funktion, Verhalten, Dynamik, Veränderung und Entwicklung, Ordnung, Organisation, Entropie u. a. Die Kategorien Kausalität und Wechselwirkung werden durch die Ausarbeitung der kybernetischen Erkenntnisse in Bezug auf Steuerung und Rückkopplung als informationelle Kopplungen bereichert. Die auf Grund der bisherigen Wissenschaftsentwicklung relativ einseitig auf den Erkenntnissen der physikalischchemischen Theorien aufbauende, vorwiegend physisch-stofflich orientierte Grundlegung des naturwissenschaftlichen Weltbildes wird erweitert durch die System- und Informationsproblematik; in Verbindung mit der Kybernetik wird sich dabei das Gewicht der Biologie und vor allem das der Psychologie wesentlich erhöhen. Die umfassende Ausarbeitung des System-, Informations- und Steuerungsaspekts der gesellschaftlichen Prozesse, vor allem im entwickelten gesellschaftlichen System des Sozialismus, die von der Kybernetik ausgehend die spezifischen Besonderheiten der gesellschaftlich-bewußten Gestaltung kybernetisch sozialer Prozesse und Systeme betont, ist nicht nur eine Aufgabe des historischen Materialismus, sondern löst auch in den meisten einzelnen Gesellschaftswissenschaften wichtige Impulse aus" (Band 2, Berlin 1970, S.640-646).
Und eine kleine Anmerkung zum Stil:
Es geht in diesem Artikel praktisch nicht darum, was Kyberntik ist, sondern darum, wie sie ins Wissenschaftssystem der DDR eingegliedert werden soll. Was zur Kybernetik gesagt wird, ist nicht falsch, aber relativ belanglos - um nicht zu sagen: philosophisch. Es ist aber philosophisch sehr problematisch, gerade weil die Ausführungen NICHT kybernetisch sind, sondern etwas über Kybernetik sagen wollen, ohne kybernetisch zu sein.
Kybernetik kann meines Erachtens nur kybernetisch dargestellt werden, die Philosophen sehen das deutlich anders (und wo sie den Staat repräsentieren, haben sie Macht Wissen zu machen).
Wie es die Ironie des Schicksals will, haben sich die DDR-Wisseninstitutionen durch machtpolitische Entscheidungen unter E. Honecker von der zuvor so gelobten Kybernetik verabschiedet. G. Klaus mag sich im Grabe drehen und dort auf eine neue Wende hoffen.