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Hermann Hesse: Der Steppenwolf. Erzählung. 177 g. 236 S. 44. A. 2001. Suhrkamp-Tb. (175). Suhrkamp Taschenb. Kartoniert. SFr. 14.00 ISBN 3-518-36675-0

Leseprobe

Der Tag war vergangen, wie eben die Tage so vergehen; ich hatte ihn herumgebracht, hatte ihn sanft umgebracht, mit meiner primitiven und schüchternen Art von Lebenskunst; ich hatte einige Stunden gearbeitet, alte Bücher gewälzt, ich hatte zwei Stunden lang Schmerzen gehabt, wie ältere Leute sie eben haben, hatte ein Pulver genommen und mich gefreut, daß die Schmerzen sich überlisten ließen hatte in einem heißen Bad gelegen und die liebe Wärme eingezogen, hatte dreimal die Post empfangen, und all die entbehrlichen Briefe und Drucksachen durchgesehen, hatte meine Atemübungen gemacht, die Gedankenübungen aber heut aus Bequemlichkeit weggelassen, war eine Stunde spazieren gewesen und hatte, schöne, zarte, kostbare Federwölkchenmuster in den Himmel gezeichnet gefunden. Das war sehr hübsch, ebenso wie das Lesen in den alten Büchern wie das Liegen im warmen Bad, aber alles in allem - war es nicht gerade ein entzückender, nicht eben ein strahlender, ein Glücks- und Freudentag gewesen, sondern eben einer von diesen Tagen, wie sie für mich nun seit langer Zeit die normalen und gewohnten sein sollten...

Tractat vom Steppenwolf. 84 g. 15. A. 2001. Edition Suhrkamp-Tb. (84). Suhrkamp Taschenb. Kartoniert. SFr. 10.50 ISBN 3-518-10084-X

Zusammenfassung

In seinem Nachwort sagt Beda Allemann: »Die Sehnsucht nach einer klassischen Mitte wird von den Grenzverfassungen der mit sich selbst zerfallenen Existenz her entfaltet. Auf dem Hintergrund der scheinbaren Kühle und Objektivität des Tractats tritt die unmenschliche Spannung, in weiche der Steppenwolf gestellt ist, nur um so deutlicher hervor. Damit ist die Funktion des Tractats im Rahmen der Aufzeichnungen Harry Hallers, zugleich aber auch seine aufschließende Kraft für die Erkenntnis des Gesamtwerkes Hermann Hesses und seiner Epoche umschrieben.«

»... ist es nötig zu sagen, daß der Steppenwolf ein Romanwerk ist, das an experimenteller Gewagtheit dem Ulysses nicht nachsieht?« Thomas Mann

Leseprobe

Es war einmal einer namens Harry, genannt der Steppenwolf. Er ging auf zwei Beinen, trug Kleider und war ein Mensch, aber eigentlich war er doch eben ein Steppenwolf. Er hatte vieles von dem gelernt, was Menschen mit gutem Verstande lernen können, und war ein ziemlich kluger Mann. Was er aber nicht gelernt hatte, war dies: mit sich und seinem Leben zufrieden zu sein. Dies konnte er nicht, er war ein unzufriedener Mensch. Das kam wahrscheinlich daher, daß er im Grunde seines Herzens jederzeit wußte (oder zu wissen glaubte), daß er eigentlich gar kein Mensch, sondern ein Wolf aus der Steppe sei. Es mögen sich kluge Menschen darüber streiten, ob er nun wirklich ein Wolf war, ob er einmal, vielleicht schon vor seiner Geburt, aus einem Wolf in einen Menschen verzaubert worden war oder ob er als Mensch geboren, aber mit der Seele eines Steppenwolfes begabt und von ihr besessen war oder aber ob dieser Glaube, daß er eigentlich ein Wolf sei, bloß eine Einbildung oder Krankheit von ihm war. ...