Haken, Hermann: Erfolgsgeheimnisse der Natur. Synergetik: Die Lehre vom Zusammenwirken. 1995. Science. Rororo-Tb. Sachbuch . (9744), SFr. 16.00, ISBN 3-499-19744-8
Zusatztext
'Mit den neuen, zunächst in der Physik gewonnen Erkenntnisse setzt sich bereits jetzt ein neues Denken auch in anderen Wirtschaftszweigen durch. Während zum Beispiel früher die Struktur einer Gesellschaft als statisch ruhend, sich im Gleichgewicht befinden angesehen wurde, hat sich unser Blickwinkel heute völlig verschoben. Strukturen entstehen, vergehen, konkurrieren, kooperieren oder fügen sich zu größeren Strukturen zusammen. Wir sind an einer Wende des Denkens angekommen, an der wir vor Statik zur Dynamik übergehen.'
H. Haken dokumentiert den Darwin-Wallace-Fall ausführlich auf S. 81 ff
I.Prigogine revolutionierte die Naturwissenschaften mit der Erkenntnis, dass die dissipative Energie, die wir gedanklich mit Verlust (Entropie) verbinden, Quelle der jeweils makroskopischen Ordnung - die sich etwa in der Struktur der Kerzenflamme zeigt - ist (Prigogine/Stengers,1980,152), was nach H.Haken ”leider” nicht immer stimmt (S. 241).
H.Haken beispielsweise, der selbst sagt, dass "ein Vorgang (...) in vielen Fällen erst dann von Wissenschaftlern völlig verstanden ist, wenn dieser Vorgang sich auch durch Worte der Umgangssprache ohne jede Formel wiedergeben lässt" (S. 11), unterstellt wenig später zwei sehr verschiedene Dinge einer abstrakten "Unordnung": Einmal eine Menge von Gasmolekülen und einmal ein Kinderzimmer. Auch für ein Kinderzimmer sagt er: "Es gibt also genau einen Zustand der Ordnung" (S. 26). Was für die als numeriert gedachten Moleküle verständlich ist, ist für das Kinderzimmer, das der Anschaulichkeit dienen soll, ziemlich unsinnig. Die formale Ordnung der Gasmoleküle lässt sich beispielsweise durch Symmetriekriterien oder durch die Abzählungsvorschrift von L.Boltzmann reproduzierbar messen, die "Ordnung" im Kinderzimmer ist dagegen lediglich die der entscheidenden Person bekannte Anordnung verschiedener Dinge. Genau das übersieht nämlich, neben H.Haken, auch die von ihm beschriebene Putzfrau, die einem mehr oder weniger zerstreuten Professor den Schreibtisch, der sich in einer scheinbar grossen Unordnung befindet, aufräumt. Natürlich hätte der Professor, der auf dem von der Putzfrau "aufgeräumten" Tisch seine Unterlagen nicht mehr findet, in seiner vormaligen Unordnung - von seiner Zerstreutheit abgesehen - deren Lage genau voraussehen können. Aber eben nur er (85).
Die ordnungsliebende Putzfrau stammt auch aus dem doppelt lesenswerten Buch Synergetik von H.Haken, in welchem erstens das naturwissenschaftliche Denken - auch das Abzählungsverfahren von L.Boltzmann - sehr anschaulich dargestellt ist und zweitens auch gezeigt wird, wie Naturwissenschafter ihre formalen Theorien auf soziale Gegenstände übertragen.