Ich unterscheide eigentliche Uhren, die ein Uhrwerk haben und Keimformen der Uhr, die - wie die Sonnenuhr - keinen hergestellten Antrieb haben.
Als eigentliche Uhr bezeichne ich ein Gerät, das durch einen Motor angetrieben und durch einen Taktgeber .
Als eigentliche Uhr bezeichne ich ein Gerät, das eine bewegte Anzeige hat, die durch einen Motor angetrieben wird. Der Motor fungiert ausserdem als Taktgeber. Der Anzeigeteil der Uhr zeigt deren kinematischen Eigenzustand in Einheiten der physikalischen Grösse Zeit(spanne), also als Menge verstrichener Sekundenvielfachen auf einer in symbolischer Form durch Zeiger oder Zahlen, wodurch auch der Takt der Uhr sichtbar wird. Ich kann die Anzeige auch als Zeitpunkt interpretieren. Die Uhr kennt weder Dauer noch Zeit, sie läuft einfach solange ihr Motor läuft.
Als Artefakt ist die Uhr der erste wichtige Mechanismus, der kein Werkzeug ist. Sie ist der erste mechanisch angetriebene Symbolträger und das erste Anzeigegeräte mit einer analogen und einer digitalen Variante.
Ich benutze die Uhr in zwei Zusammenhängen. Ich benutze sie einerseits zum Messen der Dauer einer Zeitspanne und andrerseits - in einer zum Messen inversen Form - zur zeitlichen Bestimmung von Ereignissen oder zur Koordination von Operationen. Ich will beispielsweise wissen, wann ein bestimmtes Ereignis stattfindet und wie lange es dauert, oder ich will festlegen, dass dieses Ereignis um 3 Uhr beginnt und 20 Minuten dauert. Wenn ich die Uhr zur Koordination verwende, fungiere ich als getakteter Prozessor.
Anhand der Uhr erkenne ich ein paar für meine Auffassung von Technik grundlegende Unterscheidungen, die die sogenannten Digitalisierung betreffen. Dazu begreife ich die Uhr durch die technologisch entwickelten Kategorien der modernen Kommunikationstechnik mit Symbolanzeigegeräten.
Zeit kommt in dieser Erläuterung der Uhr sehr bewusst NICHT vor. Wenn ich an Zeit denke, verpasse ich das mechanische Wesen der Uhr als Anzeigegerät. Wenn ich die Uhr als Mess-Instrument auffasse, beobachte ich eine Funktion, also nicht die Funktionsweise des Mechanismus. Mit der Uhr wird nicht Zeit sondern Dauer gemessen, auch wenn die physikalische Grösse - in der laxen Sprache der Physiker - Zeit genannt wird.
Als Sonnenuhr zeigt die Uhr ihre prinzipielle Funktion, nämlich das Anzeigen eines kinematischen Zustandes anhand des Schattens, den die sich bewegende Sonne verursacht. Ich kann natürlich auch ohne Sonnenuhr sehen, wo die Sonne steht, aber es ist schwierig, darüber zu sprechen, wenn ich keine Skala ablesen kann. Als Sanduhr zeigt die Uhr, dass das Fortschreiten der Sonne, das uns die Tage schafft, die Bewegung eines beliebigen Objektes für die Bemessung von Dauer ist. Wir brauchen die Natur der Sonne und des Sandes nicht mehr, weil wir Uhren hergestellt haben, die sich hinreichend gleichmässig schnell bewegen, um lineare Geschichten in einem Kalender zu schreiben.
Ein Spezialfall der Uhr - der aufgrund der historischen Verbreitung als Normalfall gilt - zeigt die Tageszeit an, also fortlaufend die Dauer seit dem letzen Tageswechsel um Mitternacht. Der vom Uhrenhersteller beabsichtigte Effekt besteht darin, den Sonnenstand anzuzeigen, welcher sich durch die rotierende Erde ergibt, so dass ich den relativen Sonnenstand erkennen kann, ohne dass ich Erde und Sonne sehen muss. Das Uhrwerk steuert in diesem Sinne eine symbolische Anzeige des Sonnenstandes. Ich unterscheide eine analoge und eine digitale Abbildungsart. Die Unterscheidung betrifft nur die Anzeige und in keiner Weise die Technik des Uhrwerkes. Bei der analogen Uhr bewegt sich der kleine Zeiger so, wie der Standort der Uhr sich auf der Erdoberfläche relativ zur Erd-Sonnen-Achse bewegt. Wenn ich die Uhr in einer bestimmte Position halte, zeigt der kleine Zeiger, wo die Sonne am Himmel steht. Die analoge Uhr repräsentiert als kinematisches Symbol die gemeinte Wirklichkeit sowohl statisch wie dynamisch, aber die gemeinte Wirklichkeit, also das durch die Uhr abgebildete Referenzobjekt, ist keineswegs die Zeit, die sich gar nicht abbilden lässt. Dem Zifferblatt entspricht vielmehr der Raum der Gestirne, den Zeigerbewegungen die Bewegung der Gestirne. Das ist die gemeinte Analogie. |
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Die analoge Uhr braucht keine Ziffern, aber sie kann welchen auf dem "Zifferblatt" haben. Beim Zifferblatt steht "ganz oben", also dort, wo der höchste Sonnenstand angezeigt wird, die Ziffer 12. Der Tag beginnt also - aus nachvollziehbaren Gründen - nicht mit der Ziffer 1 am Morgen, wie ich meine Wachstunden zählen würde. Hier geht es aber nicht darum, wo auf dem Zifferblatt die "1" steht, sondern darum, dass der Zeigerstellung eine willkürliche Zahl zugeordnet wird. Ich kann dann von 12 Uhr sprechen, und weiss, dass damit eine ganz bestimmte Zeigerposition und der höchste Sonnenstand gemeint ist.
Genau diese willkürliche Zuordnung von eigentlichen Symbolen bezeichne ich als Digitalisierung. Nämlich die Vereinbarung, wonach 12 für Mittag steht, was völlig arbiträr ist. Wenn ich weiss, für welche Zeigerstellung 12 steht, brauche ich die Zeiger nicht mehr. Ich kann auf der Uhr die Ziffern 12 auch ohne Zeiger verstehen. Digitale Uhren gibt es schon sehr lange, im 19. Jahrhundert beispielsweise im Bühnenportal der Dresdner Semperoper und die Uhr im Torre dell’Orologio auf dem Markusplatz in Venedig stammt sogar aus dem Jahr 1599. Aber sie wurden nicht als digitale Uhren bezeichnet. Digitale Uhr wurde erst nach 1975 für das Massenprodukt mit LCD-Anzeigen verwendet, wodurch der Ausdruck überhaupt in die Alltagssprache kam (siehe dazu das Ngramm zu digital). Und von analogen Uhren zu sprechen, wäre wohl davor auch niemandem eingefallen. Die Zeiger einer Uhr bewegen sich normalerweise relativ kontinuierlich. Die digitale Anzeige zeigt aber immer diskrete Zeitpunkte. Bei der klassischen Bahnhofuhr kann ich sehen, dass Zeiger auch in diskreten Schritten springen können. Und wenn ich die Unruh im Uhrenmotor anschaue, kann ich wie beim Pendel auch einen diskreten Prozess wahrnehmen. Diese Unterscheidung hat allerdings mit der Auflösung des Beobachtens zu tun. Nur die digitale Anzeige kann nicht kontinuierlich sein, weshalb digital und diskret oft verwechelt wird. Bei Quarzuhren wird die Schwingung des Quarzes durch eine elektronische Schaltung in diskrete Signale gewandelt, so dass das Uhrwerk als Ganzes eine diskrete Ausgabe hat, was sich beispielsweise bei einigen Swatch-Quarz-Zeigeruhren in springenden Zeigern zeigt. |
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Wenn ich mit einer Uhr messe, wie lange ein bestimmtes Ereignis dauert, vergleiche ich die Dauer des Ereignisses mit der auf der Uhr angezeigten Dauer, die ich natürlich auch in Beziehung zur Dauer setzten kann, die unser Gestirn für eine bestimmte Bewegung braucht oder mittlerweile zur Bewegung von Atomen, deren schwingende Ortsveränderungen ich als messbares Ereignis aufasse. Aber Sonne und Atom dienen wie der Urmeter nur zur Festlegung der Konvention. Mit dem physikalischen Konzept Zeit ist diese Relation aufgehoben. Ich messe in Sekunden und mache so Zeit zu einer Grösse - nebenbei bemerkt, der einzigen Gröse, die ich in meiner Systemtheorie nicht variiere.
Die Taktgeberfunktion ist ein wesentliches Moment der Uhr. Die Uhr braucht den Takt, wie andere Automaten mit elektronischen Schaltungen, und ich verwende sie als Taktgeber, weshalb ich Taktgeber, die bezeichne in Automaten eingebaut sind, oft als Uhren. Oft haben Automaten wie beispielsweise eine programmierbare Waschmaschine, die einen Taktgeber brauchen, auch eine Anzeige der Zeit, was die Redeweise der eingebauten Uhr nahelegt.
Quasietymologisch wird der Ausdruck Uhr oft vom lateinischen Hora für Stunde hergeleitet. Es wird wohl eher umgekehrt sein, dass die Idee der Stunde erst durch die Uhr entstanden ist. Im Lateinischen der Römer gab es, so heisst es, gar keine Ausdrucksweisen für genaue Zeit- bzw. Terminangaben.
Ich unterscheide verschiedene Uhrarten, verschiedene Anzeigen und verschiedene Mechanismen:
Uhrarten
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Anzeigearten
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Die Anzeige hat nichts mit dem Uhrwerk zu tun |
Uhrwerk
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