Programmatische Schriften in diesem Rahmen sind die 1975 erschienene Sociobiology des amerikanischen Insektenforschers Edward O. Wilson sowie The Selfish Gene, das 1976 erschienene Buch des englischen Evolutionstheoretikers Richard Dawkins. Der deutsche Diskurs wird in hohem Maße durch die Schriften des Wiener Wissenschaftstheoretikers Franz M. Wuketits bestimmt.
Soziobiologie speist sich sowohl aus der Evolutions- als auch der Populationsbiologie. Sie versteht sich bei Wilson als die systematische Untersuchung der biologischen Basis jeglichen sozialen Verhaltens. Dies schließt neben dem tierischen Verhalten auch das menschliche mit ein. Insbesondere mit der Analyse von letzterem verbindet Wilson auch eine Kampfansage an die Soziologie, der er eine allzu strukturalistische und ungenetische Vorgehensweise vorwirft. Das Ziel der Soziobiologie bei Wilson besteht in der Erklärung von Altruismus als Resultat natürlicher Selektion, also Evolution. Davon ausgehend wird eine Programmatik entwickelt, deren Bestreben in der Ergründung der evolutionären Wurzeln auch moderner Kultur und von Religion besteht. Kultur liegt für Wilson dabei an einer mehr oder minder langen genetischen Leine. Damit wird im Fahrwasser der biologischen Erfolge ein neuer Anlauf innerhalb einer in strengem Sinne sozialdarwinistischen Tradition unternommen, menschliche Lebenswelt und somit die Konstituierung von Identitäts- wie auch Alteritätsvorstellungen biologisch bzw. biologistisch zu deuten. In der Vergangenheit haben eben sozialdarwinistische Vorstellungen insbesondere dazu hergehalten, eine biologistische Begründung rassistischer und kollektivistischer Identitätsmuster zu liefern.