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Ausdrücke wie "Privatsphäre" begründen viele (Miss)Verständnisse des Ausdruckes "privat", weil der Teilausdruck "privat" oft nicht als Homonym erkannt wird, das für sehr verschiedene Zusammenhänge steht.
Umgangssprachlich wird "privat" für persönlich, eigen, vertraut, familiär, ungezwungen, und für nicht geschäftlich, nicht öffentlich, nicht offiziell, nicht amtlich, nicht staatlich und insbesondere auch für geheim und geschützt verwendet, also dafür, dass die Öffentlichkeit keinen Zugriff auf die gemeinte Sache hat. Natürlich wird privat auch für privat "im eigentlichen Sinn" verwendet, etwa wenn von Privatisierungen gesprochen wird.

Quasi-etymomolgisch kommt privat vom lateinischen privatus, was ich als "der allgemeinen Bestimmung entzogen" deute, privare hat einen weiten Deutungsraum, wobei herausnehmen und separat stellen meine zentrale Deutung sind. Gemeint ist in diesem Sinne das Ausgliedern von Eigentum aus der Allmend.

Den Ausdruck "privat" verwende ich im Sinne einer Verdinglichung des Privatisierens, womit ich eine Aneignung bezeichne, deren differenzielle Kehrseite eine Allmend erzeugt. (Der Ausdruck “Privatisieren” bezeichnet als metaphorisches Homonym auch ein Leben ohne zu Arbeiten, also ein “Ausgliedern durch Vernichtung von eigenem Vermögen. Hier ist aber mit Privatisieren die Unterstellung unter das Privatrecht, welches Eigentum begründet, gemeint.)

Die primäre Aneignung besteht in der Herstellung von Artefakten. Wenn ich ein Werkzeug herstelle, "gehört" das Werkzeug mir. Das Holz oder Metall, dass ich dazu verwende, sehe ich auf eine nicht entwickelten Stufe (sogenannte Jäger und Sammler) als Sammelgut, wie das Wasser aus einem Bach, wie die wilden Früchte im Wald, wie das erlegte Wild, das ich konsumiere, als mir aneigne, ohne dass es zu Eigentum wird, weil es durch die konsumatorische Aneignung aufgehoben ist.

Das Artefakt überdauert seinen Herstellungsprozess, es liegt danach vor und eröffnet die Möglichkeit von Besitz und Eigentum. Als Mensch bin ich insofern ein toolmaking animal, als ich im Unterschied zu allen mir bekannten Tieren die bewusste Entscheidung treffen kann, wem ein bestimmtes Artefakt gehört, und wer es also rechtens besitzt. Ich kann ein Artefakt beanspruchen oder nicht, was die Differenz zwischen Gesellschaft und Gemeinschaft begründet und dazu führt, dass Menschen als soziale Wesen gesehen werden (können).

Wenn ich ein Artefakt als mein Eigentum betrachte, etwa weil ich es hergestellt habe, kann ich auch gesammelte Nüsse als meine Eigentum sehen, weil ich sie selbst gesammelt habe. Und unter gegebenen Machtverhältnissen kann soches Eigentum in einer Verfassung deklariert werden. Ich kenne aber keinen Fall, wo das je geschehen wäre.

Eine ganz andere Aneignung sind sogenannte Rechte, die förmlich nach Verfassungen rufen. Wenn ich mir ein Stück Boden aneigne, habe ich den Boden weder hergestellt noch gefunden. Die Stückheit des Bodens ist auch nicht gegenständlich begrenzt. Und ich kann den Boden nicht mitnehmen, wenn ich weiterziehe. Die Aneignung von Boden hat die diffentielle Kehrseite, dass der Boden vorher schon jemandem gehört hat. Solange kein Stück Boden jemandem gehört, gehört auch die Gesamtheit des Bodens niemandem. Wenn aber jemand seinen Anspruch auf ein Stück Boden durchsetzen kann, wird dieses Stück Boden genau in dem Sinne "privatisiert", also herausgenommen (privare heisst auch berauben und befreien), wodurch der Rest des Bodens als noch nicht privat erscheint. Die Privatisierung eines Grundstückes konstituiert die Allmend als jenes Grundeigentum, das noch niemandem gehört. Die Allmend sehe ich als eine differentielle Folge von privaten Grundstücken.

Die urspüngliche Privatisierung ist quasi naturrechtlich, deren Rollenträger bezeichnet sich selbst als Adel und das Grundstück als royal estate oder Königreich. Als Mittelalter bezeichne ich die Epoche, in welcher handelbare Rechte auf Grundstücke, zuerst wohl Bergbaurechte erfunden wurden, die rückblickend auch auf landwirtchaftliche Nutzungen projiziert wurden. Die entwickeltere Privatisierung besteht darin, dass sich die Rechte nicht mehr auf die Nutzung des Bodens, sondern auf den Boden selbst beziehen. Die bürgerliche Mär erzählt, dass sich der Adel verschuldet und seine Schulden mit Grundstücken abgetragen habe, was gerade ausklammert, wie der Adel je zu den Grundstücken gekommen ist. Das bleibt sozusagen Privatsache oder in der Privatsphäre des Adels.

Als eigentliche Privatisierung bezeichne ich die Unterstellung von Eigentümer unter ein sogenanntes Privatrecht. Das Privatrecht regelt die Verhältnisse zwischen den Eigentümer. Es ist sozusagen der "privatisierte" Teil der Verfassung, die durch das Herausnehmen eines privaten Teils zu einem öffentlichen Recht wird, das Allmenden behandelt. Der Ausdruck "öffentlich" ist dabei quasi synonym zu politisch (im Sinne der politischen Ökonomie) und bezeichnet quasi negativ eine nicht private Zuständigkeit. Das Privatrecht konstituiert das öffentliche Recht, obwohl es im öffentlichen Recht begründet wird.

Öffentlich in diesem Sinne heisst nicht publik, also nicht, dass es für die Öffentlichkeit einsehbar sei, sondern dass die Öffentlichkeit - die durch das Recht bestimmt ist - von diesem Recht betroffen ist. Im Sinne der bürgerlichen Mär stehen das öffentliche und das private Recht für zwei getrennte Bereiche nebeneinander, ganz so, wie wenn ein Staat als entpersonifzierter Statthalter seiner Bevölkerung zwei Ordnungen gegeben hätte. Differntiell geht es aber darum, dass die Allmend ein abgeleitetes Rechtsbedürfnis hat, so dass auch Verhältnisse jenseits von Eigentum geregelt werden können.

Die relative Ordnung zwischen den beiden Rechten ist politisch nicht rechtlich. Das öffentliche Recht beschreibt die politischen Verhältnisse, die das private Recht festlegen.

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Als privat bezeichne ich den ursprünglichen Haushalt eines freien "Eigentümers" seit ein staatlicher Haushalt erfunden/etabliert wurde. [H. Arendt] []


Privatrecht, Post-Privacy, Privatsprache

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