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Als Standardbeispiel für System Dynamics fungieren - beliebig variierte - "Räuber-Beute-Inseln", die V. Volterra als operationell geschlossene Systeme beschrieben hat. Auf diesen Inseln leben beispielsweise Raubtiere, die Grassfresser fressen und Grassfresser, die Gras fressen und Gäser, die mit einer bestimmten Geschwindigkeit wachsen. Die Tiere fressen, produzieren Nachwuchs und sterben in bestimmten Raten, falls sie nicht vorher verhungern oder gefressen werden. Man kann mit verschiedenen Beständen und mit verschiedenen Geburts-, Sterbe- und Fressraten simulieren, wie sich die "Populationen" auf diesen Inseln entwicklen (Anmerkung 1). Typischerweise kann der Fall sein, dass sich die Tiere eine zeitlang sehr stark verbreiten, weil sie viel Nahrung finden. Wenn dann aber viele Tier vorhanden sind, reicht das Grass plötzlich nicht mehr aus. Da die dann verhungernden Tiere aber bis zu ihrem Tod auch fressen, nimmt die Nahrung so stark ab, dass viel mehr Tiere verhungern, als rechnerisch - also wenn "man" quantitativ besser regeln würde - nötig wäre (Anmerkung 2). |
In der generellen Perspektive der System Dynamics haben Systeme anstelle eines Soll-Wertes einen Eigenwert, der als Resultat des Systemprozesses erscheint. Der Insel ist quasi gleichgültig, ob und wie sie bevölkert ist, da gibt es kein Sollen. Als Beobachter kann ich mich aber fragen, warum auf der Insel von Zeit zu Zeit eine Hungersnot ausbricht, oder warum die Populationen nicht ganz verschwinden. Ich kann die Verhältnisse auf der Insel als Phänomen auffassen und die Zustände systemdynamisch durch Simulationen untersuchen. Wenn ich - wie die System Dynamics in der generellen Perspektive unterstellt - selbst auf der Insel lebe, bin ich natürlich mit einem eigenen Sollwert, daran interessiert, dass keine Hungersnöte ausbrechen. Aber dieser Sollwert hat mit der Insel nichts zu tun.
Ich will den Eigenwert zunächst an einem untypischen Beispiel erläutern. Wenn ich in der Eigenwert-Perspektive eine thermostantengeregelte Heizung simuliere, kann als Resultat beispielsweise erscheinen, dass der Thermometer rasch und stabil bei 20 Grad einpendelt. Ich sage dann, dass diese 20 Grad einen Eigenwert des Systems darstellen, weil das System von jedem Ausgangszustand dorthin tendiert. In dieser Perspektive ist mir gleichgültig, ob jemand diese 20 Grad haben will und sie deshalb als Soll-Wert bezeichnet. Der Heizung ist es natürlich gleichgültig, ob und wann es in meinem Haus warm wird. Ob ich also eine Variable des Regelkreises als Eigenwert oder als Sollwert bezeichne, ist "nur" von meiner Deutung des Regelkreises abhängig. Die System Dynamics ist in diesem Sinne deskriptiv, sie zeigt, was ein bestimmtes System unter gegebenen Bedingungen tut, nicht, was es wozu tun sollte (Anmerkung 3).
"Räuber-Beute-Inseln" durchlaufen - wenn sie gut konfiguriert sind - Zyklen, in welchem abwechselnd manchmal zuviele Räuber und manchmal zu viele Beuten vorhanden sind. Die Inseln pendeln aufgrund der negativen Rückkoppelung wie eine thermostatengeregelte Heizung bei einem bestimmten Werten ein, die durch die Wahl der Parameter "erklärt" werden. Die System Dynamics beruht gewissermassen auf einer realistischen Interpretation des Beobachterssystems. Der Beobachter lebt innerhalb eines realen "Systems", etwa auf einer Insel oder in einer (Aktien)Gesellschaft, welches statistisch erfassbare Gesetzmässigkeiten repräsentiert. Er kann diese Gesetzmässigkeiten simulieren. Gute Simulationen der Blackbox erlauben gute Prognosen. Im allgemeinen Fall zeigt die Simulation wie sich die Parameterwerte auswirken, und im speziellen Fall kann man die Parameter sogar beeinflussen, wenn nicht sogar steuern. Die Simulationsspiele sind Ausdruck davon (Anmerkung 4). |
Systeme mit Eigenwerten lassen sich gut simulieren, weil sie keine handelnden Subjekte, sondern nur Operationen repräsentieren (Anmerkung 5). Die Räuber und die Beutetiere auf der Modell-Insel sind keine Subjekte, ihnen ist quasi fix vorgeschrieben, was sie tun. Die Vorschrift entspricht der Anweisung in der Simulation. Formal ändert sich das Prinzip des Regelkreises nicht, wenn anstelle eines Sollwertes ein Eignwert beobachtet wird. Der Eigenwert u erscheint als Funktion von x. Auf der besagten Insel etwa kann sich als Eigenwert eine bestimmte Anzahl von Raubtieren zeigen. Wenn eine zeitlang zuviele Raubtiere vorhanden sind, wird sich deren Nahrung so verringern, das sich ein neues dynamisches Gleichgewicht einstellen kann, das die Nahrung wieder anwachsen lässt. Die thermostatengeregelte Heizung wird so zu einem adaptiven System, das sich - im Jargon der Künstlichen Intelligenz - selbst "überlegt", was die ideale Temperatur ist, etwa indem sie die Hausbewohner "beobachtet". |
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Mache einen Versuch, eine System Dynamics-Insel quantitaiv zu beschreiben: Konstruiere ein Modell und schaue, wie sich das Modell entwickelt! |
Was mit dem Computer geht, kan man ja - im Prinzip - auch auf einem Blatt Papier durchspielen. Man kann beispielsweise so verfahren:
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Beispiel:
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In gewisser Hinsicht kann die Sollwert-Perspektive mit Steuerung und die Eigenwert-Perspektive mit Regelung assoziiert werden, weil Sollwerte ein quasi teleologisches Ziel repräsentieren (Anmerkung 6). Systemtheoretisch kann man die Sollwert-Perspektive durch Operationen kennzeichnen und die Eigenwert-Perspektive durch Prozesse. In der funktionale Systemtheorie fungieren die Eigenwertsysteme als Beobachter, dann sieht die Sche nocheinmal anders aus (Anmerkung 7).
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